Iranisches Regime droht mit harten Strafen
2. Januar 2018Angesichts der anhaltenden Proteste im Iran wächst in der iranischen Machtelite die Nervosität. Der Chef des Revolutionsgerichts, Musa Ghasanfarabadi, sagte, die festgenommenen Protestler würden rasch vor Gericht gestellt. Drahtzieher müssten mit schwerwiegenden Anklagen, unter anderem wegen Kriegführung gegen Gott, rechnen. Dafür kann in der Islamischen Republik die Todesstrafe verhängt werden. Ghasanfarabadi fügte hinzu, die Protestteilnehmer würden nicht länger als Demonstranten, sondern als "Angreifer" angesehen.
Eine lange Freiheitsstrafe droht auch einem Teenager, der während der Demonstrationen am Wochenende auf der Straße die Flagge der Islamischen Republik heruntergerissen und verbrannt haben soll. Die Polizei nahm den Jugendlichen fest, nachdem Demonstranten die Tat - angeblich in der Hauptstadt Teheran - auf Video aufgenommen und über soziale Netzwerke verbreitet hatten. Für diese Tat hatte er von anderen Demonstranten tosenden Applaus bekommen, was auch in den Videos zu sehen ist.
Chamenei sieht Urheber im Ausland
Auch das geistliche und politische Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, machte das Ausland für die schwersten Proteste gegen die Regierung seit 2009 verantwortlich. "In den vergangenen Tagen haben Feinde des Iran unterschiedliche Mittel wie Geld, Waffen, Politik und Geheimdienste eingesetzt, um für Unruhe in der Islamischen Republik zu sorgen", erklärte Chamenei. Es handele sich um eine Verschwörung, um die iranische Führung zu unterwandern. Während Chamenei keine Namen nannte, wurde der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Ali Schamchani, deutlicher. Er sprach von einem "Stellvertreterkrieg gegen das iranische Volk" und erklärte, die USA, Großbritannien und Saudi-Arabien steckten hinter den Unruhen.
Die Proteste hatten am Donnerstag in der Stadt Maschhad begonnen und sich dann landesweit ausgebreitet. Die Demonstrationen hatten sich zunächst vor allem gegen wirtschaftliche Missstände gerichtet. Inzwischen zielt die Kritik gegen die iranische Führung. In der Nacht zum Dienstag kamen in der Region um Isfahan nach einem Bericht des Staatsfernsehens sechs Demonstranten, ein Revolutionsgardist, ein Polizist und ein Passant ums Leben. Damit wurden seit Beginn der Unruhen 21 Menschen getötet, unter ihnen 16 Demonstranten. Die Unruhen konzentrieren sich vor allem auf Provinzstädte.
450 Festnahmen
Zudem wurden allein in der Hauptstadt Teheran nach Angaben der Behörden in den vergangenen drei Tagen mehr als 450 Menschen festgenommen. Die Lage sei unter Kontrolle, zitierte die halbamtliche Nachrichtenagentur Ilna den stellvertretenden Gouverneur der Provinz Teheran, Ali Asghar Naserbacht. Die Regierung sperrte zuletzt die Handy-App des Messengerdienstes Telegram, der den Nutzern eine vollständige Verschlüsselung garantiert.
90 Prozent der Festgenommenen sind nach den Worten des stellvertretenden Innenministers Hossein Solfaghari jünger als 25 Jahre alt. Die Jugendarbeitslosigkeit im Iran lag 2017 bei 29 Prozent. Viele Iraner lehnen die Interventionen ihres Landes im Ausland ab und verlangen, dass der Staat stattdessen im Inland Jobs schafft. Der Iran spielt eine wichtige militärische Rolle in den Konflikten in Syrien und im Irak.
Teheran versus Trump
Die USA forderten, das Thema Iran in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zu diskutieren. "Die UN müssen ihre Meinung sagen", erklärte die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley in New York. Sowohl im Sicherheitsrat als auch im UN-Menschenrechtsrat in Genf müssten die Festnahmen und Toten im Zusammenhang mit den Protesten im Iran thematisiert werden. Die Menschen im Land litten unter einer "iranischen Diktatur", sagte Haley. Sie bezichtigte die iranische Regierung, regimekritische Bürger seit langer Zeit zu "ermorden".
US-Präsident Donald Trump attackierte den Iran erneut als Terrorstaat. "All das Geld, das Präsident Obama ihnen törichterweise gegeben hat, floss in den Terrorismus und in ihre Taschen", twitterte er. Das iranische Außenministerium forderte Trump daraufhin auf, sich auf "obdachlose und hungrige Menschen" im eigenen Land zu konzentrieren und "seine Zeit nicht mit nutzlosen und beleidigenden Tweets zu verschwenden".
Der britische Außenminister Boris Johnson schlug einen diplomatischeren Ton an als Trump und forderte den Iran auf, die legitimen Forderungen der Demonstrationen ernstzunehmen. Die EU-Kommission mahnte den Iran, das Recht auf friedliche Demonstrationen und die Meinungsfreiheit zu achten. Dagegen warnte das russische Außenministerium vor jeglicher "Einmischung" des Auslandes.
Die Politologin Azadeh Zamirirad hält die aktuelle Protestwelle nicht bloß für ein Strohfeuer. "Ich glaube nicht, dass diese Proteste innerhalb von zwei Tagen beendet sein werden", sagte die Iran-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Letztlich sei nachrangig, wer oder was die Initialzündung für die Protestierenden gewesen sei, "entscheidend ist, dass der Protest auf so fruchtbaren Boden gefallen ist und sich wie ein Lauffeuer durch das ganze Land verbreitet hat". An den Protesten seien viele Akteure mit unterschiedlichen Motiven beteiligt. Parallelen zu den Unruhen nach der Präsidentschaftswahl 2009 sieht Zamirirad nicht. "Das Ausmaß der Proteste von 2009, als Hunderttausende auf die Straße gingen, ist noch lange nicht erreicht." Die Demonstrationen seien zudem viel dezentraler organisiert als damals, als die Hauptstadt Teheran das Zentrum der Bewegung war.
kle/stu (rtr, afp, dpa)