Inzidenz in Deutschland steigt auf 438,2
26. November 2021Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen hat abermals einen neuen Höchststand erreicht. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilte, erhöhte sich der Wert auf 438,2. Er erreichte damit den 19. Tag in Folge einen neuen Höchstwert. Am Donnerstag hatte die Inzidenz bei 419,7 gelegen, am Freitag vergangener Woche noch bei 340,7. Auch regional steigen die Werte in neue Höhen: Der Erzgebirgskreis im ostdeutschen Bundesland Sachsen vermeldete eine Inzidenz von 2006,2 - der höchste Wert in einer deutschen Region seit Beginn der Pandemie. Die Sieben-Tage-Inzidenz gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche an.
Bundesweit wurden laut RKI-Angaben binnen 24 Stunden 76.414 Neuinfektionen mit dem Coronavirus verzeichnet - auch dies ist ein Höchstwert. Die Zahl der Todesopfer der Pandemie in Deutschland stieg demnach um 357 auf 100.476 Fälle. Am Donnerstag hatte die Zahl der Corona-Toten in Deutschland die Schwelle von 100.000 überschritten.
Spahn und Wieler fordern Kontaktreduktion
Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn warnte, die Lage sei "so ernst wie zu keinem Zeitpunkt der Pandemie". Gemeinsam mit RKI-Chef Lothar Wieler forderte er die sofortige Reduzierung von Kontakten.
Als entscheidenden Maßstab für eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen hatten Bund und Länder am 18. November die sogenannte Hospitalisierungsinzidenz festgelegt. Dieser Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus liegen. Am Donnerstag lag die Hospitalisierungsinzidenz laut RKI bundesweit bei 5,79. Ab einem Wert von drei gilt in einem Bundesland flächendeckend für Veranstaltungen die 2G-Regel - das heißt, nur gegen das Coronavirus Geimpfte und von Covid-19 Genesene sind zugelassen.
Triage - "Es zählt die klinische Erfolgsaussicht"
Angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen bereiten sich die Kliniken in Deutschland nach Angaben des Vorsitzenden des Weltärztebundes auf eine Triage vor - also die Situation, in welcher die Ärzte entscheiden müssen, welcher Intensivpatient bei knappen Ressourcen bevorzugt behandelt wird. Grundsätzlich versuchten Ärzte alles, um diese letzte entsetzliche Entscheidung abzuwenden. "Aber angesichts der steigenden Infektionszahlen müssen sich die Kliniken vorbereiten", sagte Frank Ulrich Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Wenn eine Triage-Entscheidung nicht vermieden werden könne, dann werde jeder Patient unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion oder auch der Frage, ob er geimpft sei oder nicht, betrachtet. In dieser Hinsicht würden alle Menschen gleich behandelt. "Es zählt dann vor allem die klinische Erfolgsaussicht", sagte Montgomery.
Derzeit sollen Kliniken in besonders betroffenen Regionen durch Verlegungen von Patienten vor solchen Triage-Situationen bewahrt werden. An diesem Freitag beteiligte sich zum ersten Mal die Luftwaffe mit einem MedEvac-Spezialflugzeug an der Verlegungsaktion. Zu Beginn der Pandemie wurde hierzu ein Kleeblatt-System entwickelt, das Verlegungen zunächst innerhalb einzelner Regionen vorsah. Derzeit macht die angespannte Lage im Süden und Osten Deutschlands jedoch erstmals auch überregionale Krankentransporte erforderlich.
Immer weniger Flugverkehr mit südafrikanischen Ländern
Die Ausbreitung der neuen möglicherweise sehr gefährlichen Variante des Coronavirus' im südlichen Afrika hat international Besorgnis ausgelöst. Experten befürchten, dass die Variante B.1.1.529 wegen ungewöhnlich vieler Mutationen nicht nur hoch ansteckend sei, sondern auch den Schutzschild der Impfstoffe leichter durchdringen könnte.
Wegen B.1.1.529 schränkt die Bundesregierung den Flugverkehr mit Südafrika drastisch ein. Das Land gelte ab der Nacht zum Samstag als Virusvariantengebiet, teilte das Gesundheitsministerium mit. "In der Folge dürfen Fluggesellschaften nur noch deutsche Staatsbürger nach Deutschland befördern." Zudem müssten alle Eingereisten für 14 Tage in Quarantäne - auch wenn sie vollständig geimpft sind.
Auch weitere Staaten beschränken oder verbieten sogar die Einreise aus südafrikanischen Ländern. Dazu zählen unter anderen die Niederlande, Österreich, Italien, Tschechien und auch Taiwan.
Belgien meldet Nachweis neuer Variante
Die EU-Kommission will Reisen aus dem südlichen Afrika in die EU auf ein absolutes Minimum beschränken. Die Brüsseler Behörde werde den EU-Staaten vorschlagen, die dafür vorgesehene Notbremse auszulösen um den Luftverkehr auszusetzen, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter mit.
Als erstes europäisches Land hat Belgien einen Infektionsfall mit der B.1.1.529 gemeldet. Auch in Israel wurde sie bereits bei einem Reisenden festgestellt, der zuvor aus Malawi zurückgekehrt war. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief alle Menschen, die in den vergangenen Tagen aus Südafrika nach Deutschland gekommen sind, dazu auf, sich mit einem PCR-Test auf das Virus testen zu lassen.
WHO: Impfungen haben eine halbe Million Leben gerettet
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass die Corona-Impfungen allein in Europa mindestens einer halben Million Menschen das Leben gerettet haben. Das in Kopenhagen ansässige Europa-Büro der WHO veröffentlichte einen Bericht, wonach allein in der Altersgruppe über 60 in rund 30 europäischen Ländern seit Beginn der Impfkampagne insgesamt 470.000 Menschenleben gerettet wurden. Die Altersgruppe unter 60 wird in der Schätzung nicht berücksichtigt.
Die von der WHO veröffentlichte Erhebung greift auf die Daten von mehr als der Hälfte der 53 Länder der Europa-Region zurück. Basierend auf diesen Zahlen geht die WHO davon aus, dass in England fast 160.000 Menschenleben gerettet wurden, in Frankreich rund 39.000. Für 20 Länder der Region lagen für die Erhebung keine Daten vor, darunter Deutschland, die Niederlande, Russland und die Türkei.
Die Studie zeige, dass die Impfstoffe das täten, was sie versprechen: "sie retten Leben, indem sie einen hohen Schutz vor schweren Verläufen und dem Tod bieten", sagte WHO-Europadirektor Hans Kluge. "In manchen Ländern wäre die Todeszahl ohne die Impfstoffe heute doppelt so hoch."
sti/kle/ehl (afp, dpa, rtr, epd, kna)