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Instagram macht schön

Silke Wünsch11. April 2012

Facebook hat die Foto-App Instagram für eine Milliarde US-Dollar gekauft. Ein geschickter Schachzug, mit dem der Lifestyle endgültig Einzug ins Facebook-Imperium erhält. So wird Facebook noch schöner.

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Titel: Berliner U-Bahn fährt ein / Hipstamatic-Foto (Silke Wünsch)
Berliner U-Bahn fährt einBild: DW/Silke Wünsch

Vom Vollprofi bis zum wild knipsenden Partyschreck stellen Millionen Menschen ihre Bilder ins Netz. Die einen machen Werbung für ihre Arbeiten, die anderen wollen der Welt zeigen, wie lustig die letzte Studentenparty war. Wieder andere präsentieren ihre Urlaubsfotos und zeigen stolz ihre neuen Errungenschaften: Autos, Häuser, Gitarren, Möbelstücke – nichts gibt es, was die Leute nicht ins Internet stellen.

Wie schön ist es da, direkt eine eigene Community zu haben, die die Fotos untereinander teilen kann? So ermöglichen sämtliche Fotoplattformen einen intensiven Austausch unter den Nutzern. Doch man muss gar nicht erst große Foto-Websiten wie Flickr.com besuchen, um die Abermillionen Fotos im Internet sehen und teilen zu können. Dafür gibt es auch die Apps. Grob pixelige Handyfotos mit verwaschenen Farben waren gestern, jetzt wird richtig fotografiert – mit Cameramatic, Hipstamatic, Instagram, Camera+ und so fort. Die meisten Foto-Apps haben eine Share-Funktion, mit denen man nicht nur seine Fotos teilen kann, sondern auch selbst eingestellte Filter.

Mehr als nur ein Foto

Mit einem kleinen Knopfdruck (beziehungsweise mit einem leichten Tippen auf das Display) kann jeder einem mittelmäßigen Schnappschuss einen künstlerischen Anstrich geben.  Es gibt Überbelichtungs-Effekte, Farb- und Kontrast-Filter. Wer eine schnöde Hauswand vor grauem Himmel mit der Hipstamatic-App knipst, wird überrascht sein, wie aus dem langweiligen Motiv plötzlich eine stimmungsvolle Momentaufnahme werden kann.

Vorher - Nachher Foto mit der Hipstamatic App (Foto: Silke Wünsch)

Mit Hilfe von digitalen Filtern und verschiedenen Linsen werden die Fotos so verfremdet, dass sie aussehen können wie die vergilbten Bilder aus Omas Fotoalbum, wie die typischen verwaschenen 70er Jahre-Fotos oder wie Polaroid-Bilder. Diese Retro-Filter sind besonders beliebt. Hier drängt sich die Frage auf, warum die Menschen, die jeden digitalen Schnickschnack mitmachen, den Schnappschüssen von heute so gerne den Look von damals verpassen. Es ist das gleiche Phänomen wie die alte Schreibmaschine, mit der man ein Tablet ansteuern kann oder wie die Buchseite in einem E-Book-Reader, die mit einem Wisch wie eine echte Papierseite umgeblättert werden kann. Es wirkt wie das Festhalten am letzten Rest Nostalgie im digitalen Zeitalter. Und das wiederum ist nichts anderes als Lifestyle im Jahr 2012.

Konkurrenz für die Foto-Profis?

Profi-Fotografen wissen, wie man Objektive, Linsen, Blenden und Belichtungszeiten einsetzt. Sie liegen stundenlang auf der Lauer und warten, bis das Licht perfekt ist, sie bewegen sich so lange um ein Motiv herum bis Winkel und Hintergrund stimmen, sie machen von ihren Motiven viele Aufnahmen und suchen später die beste heraus. Meistens wird das Bild noch nachbearbeitet. "Es gibt kaum ein Profi-Foto, das nicht nachbearbeitet wurde", sagt auch der Fotograf Ronald Sawatzki.

Technische Kenntnisse sind bei den Wunder-Apps also nicht nötig, um interessante und wirkungsvolle Bilder herzustellen. Fehlt nur noch ein gutes Auge für den richtigen Bildausschnitt und dafür, wie man sein Motiv richtig schön in Szene setzen kann.

Titel: Wolkenhimmel / Hipstamatic-Foto (Foto: Silke Wünsch)
Mit der Foto-App wirken die Wolken imposanterBild: DW/Silke Wünsch

Auch Profis nutzen die Technik. Bildagenturen wie die dpa haben immerhin eine kleine Auswahl von Hipstamatic-Fotos in ihren Datenbanken.

In wenigen Monaten erfolgreichste App

Jede Menge schöner Fotos – wohin damit? Natürlich werden die Kunstwerke fleißig auf Facebook gepostet. Facebook hat sich in den vergangenen Monaten viel Mühe um die Ästhetik seiner Seiten gemacht. Konnte man früher die Bilder durch Anklicken nur geringfügig vergrößern, ist es seit gut einem Jahr möglich, die Bilder groß aufpoppen zu lassen. Der letzte Schliff ist gerade erst passiert: Die Vollbildansicht. Facebook-User können ihre Bilder also nun in voller Größe und Schönheit der Gemeinde präsentieren. Zufall oder Absicht - gerade jetzt, wo der Milliardendeal mit der Foto-Sharing-App Instagram in trockenen Tüchern ist.

Zwei Software-Tüftler aus San Francisco haben mit Instagram ein kleines Tool entwickelt, mit dem man Fotos verfremden und im Netz für andere verfügbar machen kann. Im Oktober 2010 ging Instagram an den Start. Den Namen verdankt das Programm übrigens der Kult-Kamera Kodak Instamatic aus den 1960er Jahren. Die machte – wie die Polaroid-Kamera – quadratische Fotos. Die iPhone-User stürzten sich auf das hübsche Programm. Nach nur zwei Monaten hatte Instagram eine Million registrierte Benutzer. Jetzt sind es mehr als 30 Millionen. Und es werden noch mehr: Seit dem 3. April 2012 läuft die kleine App auch auf Android-Betriebssystemen und wurde innerhalb eines Tages mehr als eine Million mal heruntergalden. Ein weiteres Stückchen auf dem großen Smartphone-Markt ist damit erobert.

Titel: Indian Summer in der Ville / Hipstamatic-Foto (Foto: Silke Wünsch)
Indian Summer am See - Hipstamatic verstärkt die FarbenBild: DW/Silke Wünsch

Wieder streckt Zuckerberg die Hände aus

Nach Angaben der Firma sind im August 2011 bereits 150 Millionen Fotos bei Instagram hochgeladen worden. Ein Schatz, der so unermessliche Ausmaße bekommen wird, dass sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg dies nicht entgehen lassen kann. Mit mehr als 30 Millionen Nutzern erschließt sich Zuckerberg schließlich eine weitere gigantische Quelle von Informationen. Die muss er sich allerdings mit anderen Plattformen teilen. So sagt der Facebook-Chef auch offen: "Die Tatsache, das Instagram mit anderen Diensten abseits von Facebook verbunden ist, betrachten wir als wichtigen Bestandteil unserer Erfahrung." Und fügt hinzu, dass man die Instagram-Merkmale wie etwa die Möglichkeit, in anderen sozialen Netzwerken zu veröffentlichen, erhalten wolle. So sollen Nutzer auch weiterhin Instagram-Inhalte auf Twitter oder Tumblr platzieren können.

Doch nicht nur die Informationen über die Instagram-Nutzer sind wertvoll für Facebook, auch die Technik, die in der App steckt. Schon wird prophezeit, dass demnächst auf der Facebook-Seite direkt Fotos mit Retro-Look versehen werden können.

Wir können uns darauf gefasst machen, dass in Zukunft bei Facebook nur noch "Kunstfotos" auftauchen, weil alle das neue Spielzeug schätzen und schnell merken, wie einfach es ist, hübsche Bilder zu machen. Ein Modetrend, der uns wohl sehr bald langweilen wird, weil niemand mehr normale Fotos macht.

Titel: Büro-Pflanze / Hipstamatic-Foto (Silke Wünsch)
Instagram macht sogar aus einer langweiligen Büro-Pflanze ein nettes BildchenBild: DW/Silke Wünsch