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Instagram liebt Berlin

Caroline Schmitt 18. Februar 2015

Bei der Foto- und Video-App Instagram herrscht trotz kalter Temperaturen Hochkonjunktur: Mithilfe kleiner Tricks setzen junge Berliner ihre liebsten Kieze so in Szene, dass die Hauptstadt auch bei -5°C bunt bleibt.

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Mit Instagram durch Berlin
Bild: Instagram/Tobias Koch

"Berlin ist oft dreckig, grau und hässlich, mit immer noch vielen Kriegsnarben wie Baulücken oder unsanierten Häusern. Doch eben das unterscheidet die Stadt von anderen Metropolen: Der Freiheitsgeist der Nachwendezeit und die Kreativität ist trotz Gentrifizierung immer noch zu spüren", sagt Michael Schulz von @berlinstagram.

Der wohl erfolgreichste Account der Stadt ist eine Kombination aus alltäglichen Straßenszenen, unaufgeregter Kunst und originellen Perspektiven auf bekannte Sehenswürdigkeiten.

Mit Instagram durch Berlin
Die besonderen Perspektiven haben den Account von Michael Schulz so beliebt gemachtBild: Instagram/Michael Schulz

Die richtige Perspektive: Von Dächern, Straßen und Pfützen

Trotz großer technischer Fortschritte kann eine Handykamera mit der Tiefenschärfe, der ISO-Bandbreite oder der Zoomqualität einer Spiegelreflexkamera nicht mithalten. Aber eben das macht auch den Reiz aus - und verschafft der Auswahl von Perspektive und Blickwinkel einen höheren Stellenwert.

"Man sucht sich am besten Perspektiven, die das Gebäude etwas verändern und größer oder kleiner wirken lassen. Man kann zum Beispiel vom Dach oder Boden fotografieren. Das sollte man spontan entscheiden, wenn man das Motiv vor Augen hat", sagt Linda Berg von @lindaberlin.

Mit Instagram durch Berlin
Für Linda Berg liegen einige der besten Perspektiven auf dem Boden...Bild: Instagram/Linda Berg

Berg fotografiert Architektur auf eine minimalistische, symmetrische und schnörkellose Art. Obwohl sie in der Stadt geboren und aufgewachsen ist, hat sie schätzungsweise "ein Viertel" der Stadt noch gar nicht gesehen. Mit Handy im Gepäck entdeckt sich der Rest, am liebsten aber das Hansaviertel in Tiergarten, viel leichter.

Der Pressefotograf Tobias Koch (@tokography) verlässt auch mal die Straße: "Ich werfe mich zum Leidwesen der Menschen, die mit mir unterwegs sind, häufig und gerne auf viel befahrenen Straßen vor Autos, und dass mein Handy noch nie in eine Pfütze gefallen ist, ist eigentlich auch ein Wunder." Pfützen, Flüsse, Ladenfenster oder Autospiegel eignen sich ideal, um selbst viel fotografierte Objekte wie den Fernsehturm oder gelbe Züge anders zu inszenieren.

Das Leben auf der Straße festhalten

Berlin wäre nicht Berlin ohne die teils verrückten, teils bizarren und teils erstaunlich ästhetischen Straßenszenen, die in jedem Kiez stattfinden. Die Dokumentarfotografin Carolin Weinkopf (@careauxphotography) benutzt Instagram als eine Art Fototagebuch und hält alltägliche Momente von unterwegs wie nebenbei fest.

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Carolin Weinkopf spielt mit dem Zeitgefühl des BetrachtersBild: Instagram/Carolin Weinkopf

"Ich schaue mich ständig nach neuen Motiven um. Wenn mir jemand Interessantes begegnet, kann ich schnell reagieren, das kommt mit der Übung. Wenn ich unterwegs bin, bin ich langsam und nicht sehr gesprächig, weil ich tatsächlich arbeite - das muss für meine Mitmenschen etwas nervig sein. Aber die ganz großen Momente kann man eben nur fassen, wenn man bereit ist", so Weinkopf.

U-Bahnhöfe, Märkte und Hinterhöfe

Viele ihrer Fotos wurden nicht nur auf Kreuzbergs Straßen, sondern unterirdisch aufgenommen, an U-Bahnhöfen, in Zugabteilen und Durchgängen. Der Berliner BVG hat vor kurzem die Social Media Kampagne #weilwirdichlieben ins Leben gerufen, allerdings hat die sich schnell in einen Shitstorm gewandelt. Sich mit einem witzigen Bild über hohe Preise und lange Wartezeiten mithilfe dieses Hashtags zu beschweren, gehört im Winter 2015 also auch dazu.

Abseits vom sozialen Leben im Kiez bieten Berlins hunderte Märkte, alte Fabrikgelände oder Kulturstätten die ideale Plattform, um sich zu verlaufen und immer wieder auf unbekannte Impulse zu stoßen.

Ezgi Polats (@ezgipolat) Feed ist eine Ode an frisches, buntes und sehr hübsch angerichtetes Essen. "Es gibt außerdem einen Markt entlang des Maybachufers in Kreuzberg, der jeden Dienstag und Freitag aufgebaut wird, und wo ich gerne einkaufe. Ansonsten ist die Markthalle Neun ein toller Ort, um Essen zu kaufen und zu genießen!" In der Nähe bietet die Admiralsbrücke am Maybachufer einen sehr fotogenen Blick auf Sonnenauf- und Untergänge, auch ohne Filter: #nofilter.

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Berlin bedeutet auch: Essen. Das zeigen die Bilder von Ezgi PolatBild: Instagram/Ezgi Polat

Michael Schulz hat einen anderen Lieblingsort: "Wenn man in fremde Hinterhöfe geht oder mit der Kamera herumstreunt, kann es öfters passieren, dass man ältere Berliner trifft, die neugierig fragen und dann gelegentlich ihre eigene Lebensgeschichte erzählen." Wenn quadratische Fotos irgendwann eigene Geschichten erzählen, wird man einmal mehr daran erinnert, dass es bei der Fotografie eigentlich nur darum geht ein Stück Zeitgeschichte, ein bestimmtes Lebensgefühl oder einen unvergesslichen Moment festzuhalten - ob durch Handy oder Spiegelreflex ist dann egal.

Galerien, Cafés und Restaurants

Galerien und Museum wie die frisch eröffnete C/O Galerie am Zoologischen Garten eignen sich immer als Schauplätze für nachdenkliche Schnappschüsse: Neben einer Portion Inspiration von ausgestellten Künstlern findet man nämlich einen Querschnitt an unterschiedlichen Menschen, die vor und von Kunst reden, streiten und nachdenken. Legt man einen schwarz/weiß Filter darauf, sieht das Foto aus, als wäre es im Paris der Fünfziger Jahre aufgenommen. Naja, fast.

Apropos Paris, in sämtlichen gemütlichen Cafes vom Prenzlauer Berg bis nach Friedrichshain kann man nicht nur perfektionierten Espresso zu sich nehmen, auch das Ambiente lädt zu einem typischen Instagram-Motiv ein: Blumen, ein geschmackvolles Indie-Magazin und ein Schaumherz auf dem Latte Macchiato.

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Fotografiert von Carolin Weinkopf: Elefant in BerlinBild: Instagram/Carolin Weinkopf

Die Kaffeebar in Kreuzberg und Roamers Coffee in Neukölln sind bisher noch Geheimtipps und besonders für die gemütliche Atmosphäre und köstlichen Kuchen bekannt. Betty'n Caty und Café Liebling sind zwei nördliche Alternativen, wo es nur so von Blümchentapeten, fotogenen Snacks und charmanten Fremden wimmelt.

Die Instagramerin Sandra Juto (@sandrajuto) ist stets bestens darüber informiert, wo es gerade Berlins besten Kaffee, Sushi oder Salat gibt. All diese Orte sind auf ihrer Instagram-Karte markiert und lassen sich mit Google Maps leicht wiederfinden. Die Bloggerin Mary Scherpe von @stilinberlin ist Gourmetexpertin und weiß alles über gutes Essen, vor allem saftige Burger und gutes Frühstück in der Hauptstadt.

Bearbeitung und Community

Sobald man also eine ordentliche Ladung Fotos vom Markt, Hinterhof oder Cafe mitgebracht hat, geht's ans Bearbeiten. Obwohl Instagram eigene Filter hat, benutzen die meisten andere Apps, die flexiblere und mehr Funktionen bieten.

"Ich benutze die normale iPhone 5s Kamera, bearbeite mit VSCO und SKRWT um die Linien gerade zu bekommen. Insgesamt mag ich diesen gewissen analogen und dunklen Ton, genauso bearbeite ich auch", sagt Carolin Weinkopf. Andere beliebte Apps sind Afterlight und Snapseed. Insgesamt macht es Sinn, auch in der Bearbeitung einen einheitlichen Stil beizubehalten, seien es ähnliche Farbmuster oder der typische Kreuzberger Minimalismus.

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Die besten Geschichten finden oft im Hinterhof statt, sagt Michael SchulzBild: Instagram/Michael Schulz

Michael Schulz betont aber, dass Kreativität trotz aller Technik immer an erster Stelle stehen sollte: "Ich beobachte, dass viele neue Instagramer Klischee-Motive kopieren. Das mag zum Anfang praktisch sein, um Follower zu gewinnen und in der Community Fuß zu fassen, doch ich möchte alle Beginner ermutigen, spielerisch ihre eigene Bildsprache und Motivwelt zu entwickeln. Kreativität statt Optimierung."

Wenn das Bild dann fertig bearbeitet ist, wartet eine große und globale Community auf regen Austausch. Am Einfachsten läuft das über das Suchen und Einfügen von Hashtags wie #igersberlin, #berlin, #kreuzberg, durch Ortsmarkierung und durch Kommentare. Bei Insta Meetups kann man die Gesichter hinter den Häusern, Kaffeetassen und Selfies kennenlernen, das nächste in Berlin ist am 21. und 22. März.

So, und jetzt fröhliches Knipsen allerseits! Auf @inside_dw gibt es übrigens Hintergrundmaterial zu aktuellen DW Produktionen.