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"Infrastruktur muss modernisiert werden"

Rodion Ebbighausen5. August 2015

Erneut kam es in Indien zu einem Zugunglück mit Toten. Das Streckennetz ist über viele Jahre vernachlässigt worden. Eine Modernisierung ist überfällig, sagt Joachim Betz im DW-Interview.

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Indien Zugunglück
Bild: Getty Images/AFP/Str

Deutsche Welle: Das Zugunglück im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh mit mehr als 20 Toten ist bereits das dritte Zugunglück mit tödlichem Ausgang dieses Jahr. Inwiefern hängt das Ihrer Einschätzung nach mit dem indischen Eisenbahnnetz zusammen?

Joachim Betz: Es handelt sich um ein strukturelles Problem. Zum einen, weil die Gleiskörper veraltet sind und lange Zeit kein Geld vorhanden war, um sie auszubauen oder zu modernisieren. Manche Strecken gehen bis in die Zeit unter britischer Kolonialherrschaft zurück. Bei der Eisenbahn ist nicht viel passiert. Im Wesentlichen wurden neue Züge eingerichtet, aber alles andere ist mehr oder weniger hinfällig.

Über welche Dimensionen sprechen wir denn , wenn es um die Eisenbahn-Infrastruktur in Indien geht?

Über gigantische. Das indische Eisenbahnnetz ist das zweitgrößte der Welt. Es befördert unvorstellbar viele Personen. Fracht ist etwas weniger stark vertreten, weil diesbezüglich viel auf die Straße gewechselt ist. Es ist ein riesiges System mit einem entsprechend hohen Infrastrukturbedarf, der lange Zeit nicht erfüllt worden ist. Die jetzige Regierung will jetzt gerade bei den Eisenbahnen ein straffes Investitionsprogramm lancieren.

Deutschland Joachim Betz
Joachim Betz vom GIGA-Institut in HamburgBild: privat

Wie konkret sind die Maßnahmen der Regierung?

Bis jetzt war es eher Symbolpolitik, aber im laufenden Finanzjahr ist eine beträchtliche Summe für die Modernisierung der Eisenbahn vorgesehen. Das hat aber weniger mit dem maroden Personenverkehr zu tun als vielmehr damit, dass die Konkurrenzfähigkeit Indiens unter der schlechten Infrastruktur leidet. Die Wirtschaft leidet unter den hohen Preisen im Güterverkehr und den außerordentlich langsamen Transporten. Das führt zum Beispiel dazu, dass der Kohlenachschub aus den indischen Kohleminen nicht gewährleistet ist und damit entsprechend auch die Elektrizitätsversorgung.

Was wären die notwendigsten ersten Schritte zur Modernisierung der Eisenbahn-Infrastruktur?

Zunächst einmal müsste man die Preise im Personenverkehr anpassen, was natürlich nicht gerade populär ist. Dazu muss man wissen, dass die Personenbeförderung vom Staat massiv subventioniert ist und die Kosten bei weitem nicht deckt. Dafür sind die Frachtraten im Güterverkehr entsprechend teuer, was die Transportunternehmer auf die Straßen treibt. Kurz: Eine Anpassung der Tarife ist notwendig.

Dann gibt es unterschiedliche Spurweiten in Indien, was zu häufigen Wechseln von der Schmal- auf die Normalspur zwingt. Alle das muss angegangen werden, aber das geht unglaublich langsam. Und, was wir jetzt an dem Fall in Madhya Pradesh gesehen haben: die Gleisinfrastruktur ist außerordentlich modernisierungs- und renovierungsbedürftig.

Der Politologe Joachim Betz arbeitet unter anderem am GIGA-Institut für Asien-Studien in Hamburg.

Das Interview führte Rodion Ebbighausen.