In Kopenhagen wird eifrig appelliert
7. Dezember 2009Zum Auftakt der UN-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen wird allerorten eifrig appelliert, gemahnt und gehofft. Auch der Gastgeber der Veranstaltung machte da zu Beginn des Klimagipfels keine Ausnahme: Die zweiwöchige Konferenz sei die "Hoffnungsträgerin der Menschheit", sagte der dänische Ministerpräsident Lars Loekke Rasmussen am Montag (07.12.2009) bei der offiziellen Eröffnung vor den 1200 Delegierten aus 192 Ländern.
Der Däne fand dabei klare Worte: Rasmussen nahm alle Länder der Welt beim Klimaschutz in die Verantwortung. "Der Klimawandel kennt keine Grenzen, er betrifft uns alle", sagte der skandinavische Spitzenpolitiker. Die UN-Klimaschutzkonferenz in Kopenhagen verhandelt über ein Nachfolgeabkommen des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls. Die Beratungen, zu denen insgesamt 15.000 Delegierte, Experten und Journalisten zugelassen sind, erfolgen zunächst auf Fachebene.
Signale aus Peking und Washington machen Mut
Doch das Ziel, in Kopenhagen ein Abkommen vollständig auszuhandeln, gilt als schwierig. Als Minimallösung streben Teilnehmer eine verbindliche politische Vereinbarung an, die dann in den Monaten danach ausgestaltet werden müsste. Für den Klimaschutz in Entwicklungsländer haben die Industrienationen einen Hilfsfonds über zunächst zehn Milliarden Dollar (6,6 Milliarden Euro) ins Spiel gebracht. Und auch Signale wie aus Peking und Washington machen Mut: Gerade haben sich wichtige Länder wie die USA, China und Brasilien zu konkreten Schritten bereit erklärt. Das Interesse der Staatschefs ist es anscheinend nicht, mit einer schlechten Regelung nach Hause zu fahren. Deshalb gilt: Ein Deal ist möglich, aber natürlich nicht garantiert. Zu der Schlussphase am 17. und 18. Dezember haben sich laut Rasmussen 110 Staats- und Regierungschefs angesagt, darunter auch US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Auch der Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, ermahnte die Kongressteilnehmer: "Die Zeit der formalen Erklärungen ist vorbei." Nun müsse sich die Weltgemeinschaft auf ein Klimaabkommen verständigen. De Boer rief die Delegierten auf, den Weg für Klimaschutzmaßnahmen zu bereiten, die unmittelbar nach Ende der Konferenz greifen. Ansonsten werde der Gipfel ein Misserfolg sein, sagte der UN-Klimasekretär. Die Teilnehmer sollten sich auf "praktische und solide Vorschläge" konzentrieren. Vor allem die Entwicklungsländer erwarteten ein "spürbares und unverzügliches Vorgehen" gegen die Erderwärmung.
Kein Verständnis für Klimaskeptiker
Kein Verständnis gab es für die sogenannten "Klimaskeptiker", die eine tatsächliche Ererwärmung anzweifeln. Der Chef des Weltklimarats (IPCC), Rajendra Pachauri, räumte Zweifel an der herrschenden wissenschaftlichen Meinung aus, dass der Mensch für den Klimawandel verantwortlich ist. Einen Hackerangriff auf britische Klimaforscher verurteilte er scharf. Offensichtlich könnten einige die "Unausweichlichkeit" des Klimawandels nicht akzeptieren, sagte Pachauri. Vergangenen Monat hatten Computer-Hacker tausende interne E-Mails von Forschern der Universität von East Anglia im Internet veröffentlicht. Daraufhin warfen Kritiker den Klima-Experten vor, Daten vertuscht zu haben, die Zweifel an der These der Erderwärmung nähren.
Und das Thema brennt den Menschen auf dem Erdball offensichtlich auf den Nägeln: In einer Online-Petition forderten nach Angaben der Organisatoren zehn Millionen Menschen aus der ganzen Welt die politischen Führer auf, in Kopenhagen ein rechtsverbindliches Abkommen zu schließen. Der von mehr als 220 Umweltgruppen auf den Weg gebrachte Antrag wurde an die Klimakonferenz weitergeleitet. Einer Umfrage für die britische BBC zufolge sieht eine deutliche Mehrheit der Menschen weltweit die Erderwärmung als wichtiges Thema, dem sich die Regierungen annehmen müssen.
Die in 23 Ländern erhobenen Daten zeigen, das 64 Prozent der Befragten den Klimawandel als "ernstes Problem" ansehen. 1998 waren demnach nur 44 Prozent dieser Ansicht. In einem gemeinsamen Leitartikel riefen 56 Zeitungen aus 44 Ländern, darunter die "Süddeutsche Zeitung", die Regierungen zum Handeln auf. Die Politiker müssten sich zumindest auf die wesentlichen Bestandteile "eines fairen und erfolgreichen Deals" einigen, heißt es darin.
Gesellschaftliche Blockaden lockern
Doch nicht nur an die Staatschefs, auch an jeden Einzelnen wird appelliert. Denn die reine Fixierung auf einen politischen Paradigmenwechsel in der Klimapolitik ist für viele Experten und Redner in Kopenhagen falsch. Viele pochen darauf, gesellschaftliche Blockaden in Sachen Klimaschutz zu lösen. Es sei Zeit für eine Umwelt-Avantgarde. Selbstverständlich würde mehr internationale Zusammenarbeit im Klimaschutz helfen, besonders beim Schutz der Wälder. Doch Klimaschutz fängt für viele Referenten des Klimagipfels auch beim eigenen Verhalten an.
Dass der Klimawandel auch akut die Existenz von Menschen berührt, darauf hat ein alter Bekannter des politischen Betriebs hingewiesen: Für Rotkreuz-Präsident Rudolf Seiters ist klar: Der Klimawandel hat gravierende humanitäre Folgen für die weniger entwickelten Regionen der Erde. "Klimawandel kann töten, Katastrophenvorsorge rettet Leben", so der ehemalige Kanzleramtsminister, der einst als engster politischer Vertrauter des früheren Regierungschefs Helmut Kohl galt. "Das Risiko von wetterbedingten Naturkatastrophen betroffen zu werden, ist in armen Ländern 46-fach höher als in gut entwickelten Staaten. Und diese Katastrophen nehmen zu." Bis 2015 wird die Zahl der Betroffenen nach Rotkreuz-Berechnungen von 243 Millionen Menschen jährlich auf 375 Millionen Betroffene ansteigen. Daher fordert das Rote Kreuz, dass in Kopenhagen mindestens zehn Prozent der Gelder für die Klimawandel-Anpassung in Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge fließen müssen.