In Gummistiefeln vor Ort
"In Tschechien sind wir prozentual gesehen ein kleiner Investor, in Polen auch, aber in Armenien, Georgien und Zentralasien sind wir, von den Ölfirmen abgesehen, der größte Privatinvestor", erklärt Noreen Doyle, erste Vize-Präsidentin der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), während sie aufpassen muß, mit ihren gelben Gummistiefeln nicht im Schlamm steckenzubleiben.
Von Chemie bis Telekommunikation
Fernab vom Schreibtischstuhl in London macht sich die Bankerin gern vor Ort ein Bild vom Stand der Investitionsprojekte. Diesmal auf einer Großbaustelle in Prag, wo ein dringend benötigtes Gewerbezentrum für Unternehmen entsteht, finanziert mit Fördermitteln der EBWE. Die Amerikanerin mit irischen Vorfahren entscheidet über die Kredite ihrer Bank mit, die den Bau erst möglich machen. Wie im Fall Tschechiens will sie auch anderen Ländern bei Ihrem Weg in die EU helfen.
Die Liste der Vorhaben ist lang. Jedes Land ist anders und bekommt deshalb eine eigene Strategie. Für Bulgarien etwa wurde 1996 beschlossen, das Eisenbahnnetz zu sanieren und in die Autobahnen, die Telekom und den Chemiesektor zu investieren.
27 Empfängerländer
Nach der politischen Wende vor zwölf Jahren ist für alle Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas der Weg in die Marktwirtschaft nach wie vor steinig. Reformen sind dringend nötig. Aber auch Hilfe von außen. Zu den 27 Empfängerländern gehören neben EU-Beitrittskandidaten auch die Balkanstaaten und Länder in Zentralasien. Ohne die Bank wäre vielen ausländischen Geldgebern die Anlage wohl zu heikel.
Jean Lemierre, Präsident der EBWE: "Unsere Aufgabe ist es, Investoren anzulocken. Wir wurden vor zehn Jahren gegründet, um einen Teil ihrer Risiken abzusichern, ihnen zu helfen, in Osteuropa zu investieren, um die Situation dort zu verbessern. " Mehr als 20 Milliarden Euro flossen inzwischen in über 800 Projekte.
"Rumänien ist wieder da!"
Die EBWE tagt einmal jährlich. In diesem Jahr wurde Bukarest ausgewählt. Rumänien gehört zu den drei größten Kreditnehmern. Der Regierungswechsel brachte neuen Schwung ins Land. Und Lemierre schmiedet bereits Pläne: "Rumänien ist wieder da. Das ist die große Neuigkeit. Sie haben sich entschieden, viele Reformen zu machen. Und wir sind gerade dabei, sehr bedeutende Entscheidungen zu treffen."
Die günstigen Bankdarlehen sollen u.a. an kleinere und mittlere Betriebe gehen. Mit Hilfe der Finanzspritzen entstehen somit auch in abgelegenen Gebieten, wie etwa in Transsylvanien, lang ersehnte Arbeitsplätze. Dort sind die Leute trotz der schlechten Arbeitsbedingungen froh, überhaupt einen Job zu haben. (Bericht vom 13.05.2002)