In der Pflicht
Jeder Bürger hat Rechte und Pflichten, die das Zusammenleben als Gemeinschaft organisieren und regeln sollen. Manchmal fühlt es sich jedoch so an, also ob die Pflichten Überhand nehmen und wir vor lauter Pflichterfüllung gar nicht mehr unsere Rechte genießen können.
Jeder fängt mal klein an
Spätestens mit sieben Jahren wird man in Deutschland in die Pflicht genommen. Denn hier herrscht Schulpflicht, das heißt, alle Kinder müssen in die Schule gehen. Dort wird unser Pflichtgefühl geprägt, denn zur Schule gehen und Hausaufgaben machen, ist quasi der Beruf der Kinder und Jugendlichen. Falls man seine Pflichten nicht erfüllt, also nie die Hausaufgaben macht oder gar blau macht, dann bekommt man die Folgen einer solchen Pflichtverletzung zu spüren: man bleibt sitzen. In schlimmen Fällen kann es sogar soweit kommen, dass die Polizei einen zur Schule bringt.
Nach Ende der Schulpflicht kam in Deutschland bis 2011 für die Männer die Wehrpflicht. Seitdem diese abgeschafft ist, müssen die jungen Männer selbst entscheiden, was sie nach der Schule machen - wie andere Schulabgänger auch. Und für viele ist dieser Freiraum oftmals eine Herausforderung. Denn nach vielen Jahren Schulpflicht müssen plötzlich selbst Entscheidungen getroffen werden, was man mit der nun gewonnenen Freiheit anfangen will. Das kann sehr schwer fallen.
Das Pflichtgefühl
Geht man zur Universität ereilt einen die Anwesenheitspflicht, man muss also anwesend sein in den Seminaren und Vorlesungen, um einen Schein zu bekommen, womöglich sogar noch die Pflichtlektüre im Pflichtfach gelesen haben.
Aber beginnt man direkt nach der Schule Geld zu verdienen, beginnt sofort der Ernst des Lebens. Besser man hat bis dahin ein ausgeprägtes Pflichtgefühl entwickelt, sonst könnte man den Job nämlich ganz schnell wieder los sein.
Die verschiedenen Pflichten
So hat jeder Berufsstand seine Regeln, die es einzuhalten gilt. Der Arzt hat die Schweigepflicht, die ihn anhält, keine Auskünfte über seine Patienten zu geben. Der Anwalt hat die Beweispflicht, die ihm auferlegt, die Schuld oder Unschuld einer Person zu beweisen. Darüber hinaus muss er manchmal nach einem Todesfall für die Hinterbliebenen den Pflichtteil einklagen, der nahen Verwandten einen Teil des Erbes sichert. Will ein Beklagter keinen eigenen Anwalt verpflichten, wird ihm ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt.
Der Beamte hat eine Dienstpflicht, die ihn verpflichtet, dem Staat oder Land zu Diensten zu stehen. Mancher kommt mit großem Pflichteifer seiner Aufgabe nach und wird nach einem erfüllten Arbeitsleben entpflichtet, also in den Ruhestand entlassen. Was sie jedoch alle gemeinsam haben, ist die Steuerpflicht, denn ein jeder, der verdient, muss auch Steuern zahlen.
Erst die Pflicht, dann die Kür
Ist man allerdings nicht nur Arbeitnehmer oder -geber, sondern auch noch Mutter oder Vater eines minderjährigen Kindes, dann muss man seiner Aufsichtspflicht nachkommen. Denn als Eltern ist man gesetzlich verpflichtet, auf sein Kind aufzupassen und es zu versorgen - von den Verpflichtungen wie zum Beispiel das Kutschieren zum Sport- oder Musikunterricht mal ganz zu schweigen.
Wenn jemand seine Pflichten nicht erfüllt, dann muss er manchmal von oberer Stelle in die Pflicht genommen werden. Und gerade im Falle der Aufsichtspflicht ist das sehr wichtig. Da kann man dem Staat nur beipflichten. So ist das nun einmal: Erst die Pflicht, dann die Kür. Das können viele Sportler bestätigen: Erst wenn das Pflichtprogramm absolviert ist, kann man eigene Vorstellungen umsetzen.
Die Verpflichtungen
Da das mit den Pflichten niemals ein Ende nimmt, ist es gut, sich so früh wie möglich daran zu gewöhnen. So traurig das auch klingen mag, aber unsere Freiheit ergibt sich leider aus den Grenzen, die unsere Pflichten abstecken. Aber nicht so schnell!
Denn wenn wir unsere Pflicht getan haben, bleiben oft noch Verpflichtungen, die wir erfüllen müssen oder wollen. Wir fühlen uns nicht selten verpflichtet, etwas zu tun. "Sich verpflichtet fühlen" meint meist keine festgesetzten Aufgaben, die wir erledigen müssen, sondern ein Gefühl, das uns moralisch oder ethisch zu einer Handlung drängt.
Noblesse oblige
Unser Pflichtbewusstsein treibt uns dazu, einer Menge Verpflichtungen nachzukommen. Dazu zählt zum Beispiel der Pflichtbesuch bei der Oma, den man abstattet, weil er von der Großmutter erwartet wird. Oder aber die Verpflichtung, sich einer Situation oder einem gesellschaftlichen Status entsprechend zu verhalten.
Davon können Aristokraten ein Lied singen. Wie heißt das Sprichwort so schön, das dem Franzosen Pierre Marc Gaston Duc de Lévis zugeschrieben wird: "Adel verpflichtet". Also: Die meisten Pflichten ergeben sich aus festgeschriebenen Gesetzen, die es einzuhalten gilt. Und erst wenn wir Pflicht und Verpflichtungen hinter uns gelassen haben, können wir unsere Freiheiten genießen.
Pflicht auf Schiffen
Nachdem wir nun der Pflicht Genüge getan haben und pflichtschuldigst in die Tiefen der Pflicht, der Pflichterfüllung und der Verpflichtungen abgetaucht sind, wollen wir noch der journalistischen Sorgfaltspflicht nachkommen, um nicht der Pflichtverletzung beschuldigt zu werden: Für die Nautiker sei angemerkt, dass die Pflicht auch ein Schutzdach im Vorschiff sein kann.
Fragen zum Text
Sagt jemand zu Ihnen: "Die Pflicht ruft!" bedeutet das, ...
1. dass Sie mit Ihrer Arbeit beginnen sollen.
2. dass Sie Ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen sollen.
3. dass Sie sich zu etwas verpflichten müssen.
Unterstützt man die Meinung von jemandem, dann …
1. verpflichtet man ihn.
2. pflichtet man ihm bei.
3. pflichtet man ihm zu.
Deutsche Eltern …
1. sind aufsichtspflichtig.
2. müssen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen.
3. haben eine Aufsichtsverpflichtung.
Arbeitsauftrag
Was bedeuten die Begriffe Pflichtgefühl, Pflichtbewusstsein, Verpflichtung, Pflichtverletzung für Sie ganz persönlich? Schreiben Sie einen kurzen Text, in dem Sie - möglichst mit Beispielen - Ihre Ansicht begründen.
Autorin: Katharina Boßerhoff
Redaktion: Beatrice Warken