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In der Atomstrom-Klemme

Marinela Liptcheva-Weiss/stl11. Dezember 2002

Einer der Streitpunkte zwischen Bulgarien und der Europäischen Union ist das Atomkraftwerk Kosloduj. 2006 sollten zwei Reaktoren stillgelegt werden. Jetzt will Bulgarien die Reaktoren doch erst später abschalten.

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Bulgarischer Präsident Georgi ParvanovBild: AP

Bonn 1999: Der deutsche Außenminister Joschka Fischer trifft seine damalige bulgarischen Amtskollegin, Nadeschda Mihailova. Vor der Presse lobte Fischer zwar die guten bilateralen Beziehungen, betonte aber, dass es da einen dringenden Wunsch Deutschlands gebe: Die veralteten Reaktoren im bulgarischen Atomkraftwerk Kosloduj sollten abgeschaltet werden. Einen Tag zuvor war erneut ein Störfall in diesem Atomkraftwerk russischen Typs gemeldet worden. Nach der Pressekonferenz gab die bulgarische Außenministerin den bulgarischen Journalisten eine Bitte mit auf den Weg: Die von Fischer gemachte Bemerkung bezüglich des Kraftwerks Kosloduj solle nicht erwähnt werden.

Tricks und Verzögerungstaktiken

Dieses Ereignis zeigt, wie bulgarische Politiker mit einem Problem umgehen, das auch die derzeit laufenden Beitrittsverhandlungen mit der EU belastet: Bulgarien hat kein überzeugendes nationales Konzept zur Zukunft des Atomkraftwerks; stattdessen reagiert man auf die europäische Forderung nach Stillegung der Reaktoren mit Verzögerungstaktiken und Tricks.

Bulgarien ist in dieser Frage gespalten. Zum einen ist da die Sorge, dass das Problem Kosloduj den in Aussicht gestellten EU-Beitritt noch länger hinauszögern könnte; andererseits fürchtet man, die lukrativen Geschäfte mit dem Export von Atomstrom zu verlieren.

Stromexporteur Nummer Eins

Das AKW Kosloduj erzeugt 46 Prozent der gesamten Energie in Bulgarien. Die Schließung der ersten zwei maroden Reaktoren hat keinen ernsthaften Widerstand in Bulgarien erzeugt. Proteste gab es allerdings, als die EU forderte, Reaktor drei und vier abzuschalten. Denn diese beiden Blöcke seien inzwischen modernisiert und von der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) als betriebssicher eingestuft worden. Bei einer Stilllegung dieser beiden Reaktoren würde Bulgarien seinen ersten Platz als Stromexporteur auf dem Balkan verlieren.

Das bulgarische Parlament hat Anfang Oktober einstimmig beschlossen, dass der dritte und vierte von insgesamt sechs Reaktoren nicht vor der Aufnahme Bulgariens in die EU stillgelegt werden sollen. Das bedeutet, als frühester Termin käme 2007 in Frage. Diese Entscheidung teilte der bulgarische Präsident Georgi Parvanov Anfang Oktober dem Präsidenten der EU-Kommission Romano Prodi und EU-Kommissar Günter Verheugen mit.

Brüssel verärgert

Verheugen reagierte empört: Er wies darauf hin, dass die bulgarische Regierungs-Delegation bei den Beitrittsverhandlungen dem Abschalten dieser beiden Reaktoren bis 2006 zugestimmt hatte. Parvanov bestand hingegen darauf, von dieser Position nichts gewusst zu haben. Resigniert erklärte er vor bulgarischen Journalisten nach seinen Gesprächen in Brüssel: "Ich wünsche niemandem, in die Situation zu geraten, in der sich heute der bulgarische Präsident befunden hat."

Die bulgarische Verhandlungs-Delegation hat ihrerseits eine Bedingung gestellt: EU-Experten sollten die Sicherheit der Reaktors prüfen. Falls die Prüfer keine Bedenken hätten, müsse man das Verhandlungskapitel "Energie" wieder öffnen und den weiteren Betrieb des Atomreaktors auch nach dem Jahr 2006 erlauben. Die Europäische Kommission hat bisher zu dieser Taktik der bulgarischen Regierung noch keine Stellung bezogen. Doch eines steht fest: Bis Ende dieses Jahres muss die bulgarische Regierung der EU-Kommission ein genaues Datum zur Stilllegung des Reaktors präsentieren.