"Wir müssen vier verlorene Tage aufholen"
19. März 2021Die Impfungen mit dem Präparat von AstraZeneca sollen noch im Laufe des Freitags fortgesetzt werden - allerdings mit Warnhinweisen, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstag angekündigt hatte. Die Impfwilligen sollten in aktualisierten Aufklärungsbögen über mögliche Risiken informiert werden. Nach der Aussetzung der Impfungen am Montag gelte es nun, vier verlorene Tage aufzuholen, sagte der Minister. Auch Länder wie Indonesien, Frankreich, Italien und Spanien wollen das Präparat, das von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) als "sicher und wirksam" eingestuft wurde, wieder einsetzen.
Die Zeit drängt, denn die Zahl der Corona-Infizierten ist auch in Deutschland wieder deutlich gestiegen. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 17.482 neue Ansteckungsfälle binnen 24 Stunden - etwas weniger als am Vortag, aber rund 4600 mehr als vor einer Woche. Der Inzidenzwert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen stieg auf 95,6. Wie das RKI weiter mitteilte, wurden innerhalb eines Tages zudem 226 neue Todesfälle in Verbindung mit einer Corona-Infektion registriert.
Ausweitung der Impfkampagne gefordert
Der erneute Start mit dem Vakzin lässt Forderungen nach einer Ausweitung der Impfkampagne auf die Hausärzte lauter werden. Die Ministerpräsidenten der Länder wollen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag in einer Telefonkonferenz darüber beraten.
Bei einer weiteren Runde am Montag soll es um Verschärfungen bzw. Lockerungen von Corona-Maßnahmen gehen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller dämpfte jedoch die Erwartungen. Er sieht angesichts wieder steigender Corona-Zahlen momentan wenig Möglichkeiten für Lockerungen der geltenden Beschränkungen. "Man muss vorsichtig bleiben", sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag nach einer Video-Schalte der Länderchefs.
Regionaler Lockdown in Frankreich
Aufgrund steigender Fälle mit Varianten des Coronavirus verhängt Frankreich über die Region Paris und mehrere andere Teile des Landes einen vierwöchigen Lockdown. "Die Epidemie verschlimmert sich", sagte Ministerpräsident Jean Castex. Nun müsse verhindert werden, dass sie außer Kontrolle gerate. Das Land sei von einer dritten Welle betroffen. Inzwischen mache die zuerst in Großbritannien nachgewiesene, ansteckendere Variante des Virus drei Viertel der Fälle aus. Die neuen Maßnahmen sollen ab Freitagnacht gelten. Zwar sollen Schulen und dringend benötigte Geschäfte wie auch Buchläden offen bleiben. Viele andere Läden sollen dagegen schließen, Reisen werden eingeschränkt.
Präsident Emmanuel Macron hatte im Januar Forderungen von Wissenschaftlern und einigen Regierungsmitgliedern zurückgewiesen, strengere Maßnahmen einzuführen. Er wolle alles tun, um das Land so lange wie möglich offen zu halten, hieß es damals. Die Regierung stehe weiter zu dieser Entscheidung, sagte Castex. "Wir hätten einen unerträglichen, dreimonatigen Lockdown gehabt. Es war richtig, dass wir das nicht gemacht haben."
Orban: Sommer ohne Einschränkungen
Tschechiens Regierung hat den Lockdown bis nach Ostern verlängert. Den Einwohnern des hart von der Corona-Pandemie betroffenen Landes sind nur Reisen aus beruflichen und wichtigen familiären Gründen erlaubt.
Obwohl auch die Corona-Zahlen in Ungarn mit über 10.000 Neuinfizierten einen weiteren Rekord erreichen, hat Präsident Viktor Orban erste Lockerungen in Aussicht gestellt. Sie sollen eintreten sobald ein Viertel der Bevölkerung des Landes geimpft sei. Das wären rund 2,5 Millionen Menschen. Bislang wurden 1,5 Millionen Menschen in dem mitteleuropäischen Land geimpft. "Die Chancen stehen gut, dass wir einen Sommer ohne Einschränkungen haben werden," erklärte Orban in einem Radiointerview.
Dramatische Engpässe in Brasiliens Kliniken
Der Kollaps des Gesundheitssystems in der brasilianischen Wirtschaftsmetropole São Paulo hat angesichts steigender Corona-Fallzahlen immer dramatischere Folgen. Am Donnerstag machte der Fall eines 22-jährigen Mannes Schlagzeilen, der beim Warten auf ein freiwerdendes Intensivbett gestorben war. "Leider hatten wir im Osten der Stadt erstmals den Fall, dass eine Person gestorben ist, ohne dass sie hätte versorgt werden können", sagte São Paulos Bürgermeister Bruno Covas im brasilianischen Fernsehen. Rund 11.700.000 Menschen haben sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert, etwa 285.000 sind im Zusammenhang mit COVID-19 gestorben. Nur in den USA sind die Zahlen noch höher.
bri/mak (dpa, afp, rtr)