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Im Gespräch mit zwei jungen Katholiken

Conrad Naomi20. Februar 2013

Skandale um sexuellen Missbrauch und eine junge Frau, der nach einer Vergewaltigung eine katholische Klinik die Erste Hilfe verweigerte: Katholiken müssen oft erklären, warum sie zu ihrer Kirche halten. Eine Begegnung.

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Kerzen in der St Johann Baptist Kirche in Köln (Foto: Naomi Conrad/DW)
Bild: DW

"Cool, dass ihr alle da seid!" Der Pfarrer in der grell-lila Robe breitet die Arme aus. "Seht ihr das hier? Erkennt ihr das?" Er streckt ein Smartphone in die Höhe und mahnt zur Handy-Fastenzeit. Zumindest für die Zeit der Messe. Die junge Sitznachbarin kichert, wird dann ernst. "In der Kirche, da wird man doch wohl mal ohne Handy leben können. Also echt!" Sie hat ihr Handy fünf Minuten vor Beginn der Messe ausgestellt.

Die St Johann Baptist Kirche in Köln. Draußen überragt ein in Stein gemeißelter Bischof die Straßenbahn-Haltestelle. Im Café liegen Treuekarten aus; der sechste Kaffee geht auf's Haus, also wohl auf die Kirche. Die ist so voll, dass die Gesangsbücher geteilt werden müssen. Die Sitznachbarin winkt ab, "ach, ich kenne die Lieder eh fast alle". Sie singt die Zeilen des ersten Liedes bereits lauthals, während andere noch im "God for You(th)", im Gesangbuch, nach dem Lied blättern.

St Johann Baptist Kirche in Köln von außen (Foto: Naomi Conrad/DW)
St Johann Baptist Kirche in KölnBild: DW

Die Mitglieder laufen weg

Ein Helfer rückt noch einige Stühle in den Gang: Zwar sind die Bänke in Deutschlands katholischen Gotteshäusern in den letzten Jahren sichtlich leerer geworden. Doch davon ist heute in der Kölner Kirche nichts zu spüren. Generell aber ist er unübersehbar - der "relativ moderate Mitgliederrückgang", von dem der Soziologe Detlef Pollak von der Universität Münster spricht. Er rechnet vor: "Es sterben mehr katholische Kirchenmitglieder, als durch Taufe ersetzt werden können." Gleichzeitig treten wenige Menschen zum katholischen Glauben über. Die Evangelische Kirche trifft das übrigens genauso.

Doch das eigentliche Problem der Kirchen in Deutschland sieht Pollak darin: Immer weniger Gläubige beteiligen sich am kirchlichen Leben. Ging vor sechzig Jahren mehr als die Hälfte der Katholiken regelmäßig zur Kirche, tut es heute nur noch jeder Siebte.

Jessika Marks und Simon Sahler gehören dazu, sitzen wie jeden Sonntag in der Kirchenbank. Beide sind 22 Jahre alt. Im Sommer, erzählen sie, spielen sie schon mal mit Gleichgesinnten aus der Gemeinde Beachvolleyball. Ab und zu gehen sie zu Filmabenden und Glaubensseminaren. Das ist Kirchenleben, wie es ihnen gefällt.

Soeben hat der Pastor seinen Schlußsegen erteilt. Die Orgel verklingt. Nach der Messe rücken die jungen Leute zusammen, um Platz zu machen. Vom Gemeindecafé, wo Wurstbrote ausliegen und Orangensaft aus Flaschen getrunken wird, dringt fröhliches Lachen herüber. Im Altarraum der Kirche, zwischen Heiligenstatuen, steht eine Pinwand. Daran hängt ein Zettel, auf dem steht: "Worauf habt ihr Hunger?" Die Antwort steht darunter gekritzelt: "Gemeinsamer Glaube" und: "Spaß".

Unter einer hölzernen Jesusstatue flackern drei Opferkerzen im kalten Lufthauch, der das Gebäude durchzieht. Jessica behält ihre Daunenjacke an.

Statue vor der St Johann Baptist Kirche in Köln. (Foto: Naomi Conrad/DW)
Welche Rolle spielt die Hierarchie im Leben der Gläubigen?Bild: DW

Fragen nach dem Glauben

In die Kirche gehen, das ist für Simon "so eine Art nach Hause kommen." Er absolviert beim katholischen Bistum eine Ausbildung zum Kaufmann. Er findet es nicht ungewöhnlich, dass man ihn nach seinem Glauben fragt. "Warum ich zur Kirche gehe? Was mich dort hält?" Da bekommt er auch schon mal komische Bemerkungen zu hören, in der Berufsschule etwa: Ob er denn Pfarrer werden wolle, weil er bei der Kirche sei? Für ihn ist sonnenklar: "Die Leute sind im Moment besonders neugierig!"

Denn die katholische Kirche ist ins Gerede gekommen, seit der Skandal um den sexuellen Missbrauch Minderjähriger ruchbar wurde, zu dem die Kirchenhierarchie über Jahrzehnte schwieg. In Köln haben unlängst zwei katholische Kliniken einer vergewaltigten Frau ärztliche Hilfe verweigert, weil sie fürchteten, der jungen Frau die "Pille danach" verschreiben zu müssen. Kein Zweifel: Die katholische Kirche steckt in Schwierigkeiten, das nagt am Image.

"Ich habe viel über den Missbrauch nachgedacht", sagt Jessika. "Das ist zwar in der Kirche passiert, aber deswegen ist Kirche doch an sich nicht schlecht." Schließlich bestehe die Kirche doch aus Menschen - "und keiner ist vollkommen." Sie will das nicht als Rechtfertigung verstanden wissen. Jessica arbeitet in einem katholischen Krankenhaus, sie ist angehende Krankenschwester. Sie selbst würde auch kein Kind einer Vergewaltigung austragen wollen, um ihm später sagen zu müssen: "Dein Vater hat mich vergewaltigt!" Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: "Wenn es Möglichkeiten gibt, dann kann man den Müttern dieses Leid ja ersparen..."

ein Zettel, aufgehängt an einer Tafel in der St Johann Baptist Kirche in Köln. (Foto: Naomi Conrad/DW)
Worauf bist du hungrig?Bild: DW

Kirche soll offener sein 

Die Kirche müsse offener sein, sagt Jessica, "aber ohne ihre generelle Haltung zu verlieren." Sie zuckt mit den Schultern, wirkt unsicher. Simon nickt, rettet sich in Kirchenpolitik. Die Zeit, glaubt er, sei reif für einen afrikanischen Papst, oder aber einen aus Lateinamerika. "Gut wäre einer, der mal eine andere Sicht auf die Dinge hat." Einer, der sich etwa für den Dialog mit Muslimen einsetzt. Denn das sei wichtig.

Simon blickt auf seine Hände herab. An seinem Finger steckt der gleiche schmale, silberne Ring, wie ihn auch Jessika trägt. Es ist ein Zeichen der Freundschaft. "Der Ring zeigt, dass wir den Weg miteinander gehen, zusammen wachsen, durch diesen Glauben", sagt er. Jessika nickt. "Wir sind halt die Leute vor Ort, die den Glauben ein bisschen weiter tragen – und dafür sorgen, dass er nicht ganz untergeht in dieser Welt." Auch wenn das jetzt vielleicht ein bisschen komisch klinge.