Im Frauenabteil der Kairoer Metro
13. Oktober 2004Eine Frau lehnt ihren Kopf müde an die ratternde Fensterscheibe, eine Gruppe Schülerinnen steht redend zusammen. Ein normaler Nachmittag in der Metro von Kairo. Genau diesen Alltag hält Rana El Nemr in ihren Bildern fest.
"Ich mache gerne Fotos in der Metro. Denn ich mag es, wie die Menschen hier aussehen. Sie sind sehr natürlich, man sieht ihre natürlichen Gesichtsausdrücke. Du siehst sie, wie sie wirklich sind, ohne irgendwas vorzutäuschen."
Fotografieren mit Tricks
Um die Menschen so natürlich zu zeigen, musste sich die Fotografin einige Tricks einfallen lassen. Nicht nur weil das Fotografieren in der Metro generell verboten ist. Im Islam ist es für manche noch immer verpönt, sich abbilden zu lassen. Mit einer alten 6-mal-6-Kamera ist Rana deshalb unterwegs. Denn der kleine schwarze Kasten ist im Gewühl der Metro nicht so schnell als Kamera erkennbar.
"Ich kann oben durchschauen und fotografieren. Muss mir die Kamera nicht vor die Augen halten. So merken die Leute nicht sofort, dass ich sie fotografiere."
Sichtbare Veränderungen in der Gesellschaft
So macht sie Schnappschüsse der ägyptischen Gesellschaft. Frauen von der Arbeit auf dem Weg nach Hause. 20 Minuten ausruhen, bevor dann die Familie versorgt werden will. Ein kurzer Moment, der nur ihnen gehört. Rana sieht in den Gesichtern der Passagiere mehr als nur ihre Müdigkeit. Auch die Veränderungen in der Gesellschaft werden beim Blick ins Frauenabteil der Metro deutlich. Fast jede der Frauen trägt ein Kopftuch, immer mehr Frauen verschleiern sich komplett.
"Das Verhalten der Menschen hat sich geändert. Ich denke, es ist hier wie überall in der Welt. Zu viele Infos, Globalisierung, Verstädterung. Du siehst hier viele lange Gesichter. Vor allem wegen der wirtschaftlichen Probleme in Ägypten und damit gewinnt auch die Religion wieder mehr Einfluss. Menschen gehen zurück zu ihren Traditionen, besinnen sich auf die Religion. Denn sie hoffen, dass ihnen das in der Krise helfen wird."
Kulisse als Kontrast
In der Metro hat Rana einen Ort gefunden, wo sich die Menschen nicht verstellen, einfach sie selber sind. So zeigt sie mit ihren Bildern einen Spiegel der Gesellschaft ihres Landes. Ein Bild, dass nicht mit dem übereinstimmt, was nach außen so gerne vermittelt wird. Zeigt man doch lieber die schönen Seiten Ägyptens mit seinen Pyramiden und freundlichen Menschen. Die moderne Kulisse der Metro bietet für Rana außerdem einen interessanten Kontrast.
"Ich sehe, dass die Leute ein Teil dieser Umgebung sind, sie sind hier jeden Tag, aber gleichzeitig gehören sie nicht wirklich dazu. Es ist zu modern für die Menschen hier, zu modern für ihr Verhalten. Und ich denke, dass hier ist ähnlich wie das Verhältnis von Ägypten zum Rest der Welt. Ägypten ist ein Teil der Welt, aber es gehört doch noch nicht richtig dazu.“