Im Bett mit den Rolling Stones
22. März 2004Fotos hysterisch kreischender Teenies, die an Absperrgittern rütteln oder ein verkaterter Mick Jagger nach durchzechter Nacht: Einen ungewohnt vertraulichen und ungeschminkten Blick auf eine der größten Bands der Rockgeschichte eröffnen die Aufnahmen des Fotografen Christopher Simon Sykes: Rund 60 bisher unveröffentlichte Fotografien von den Rolling Stones zeigt das NRW-Forum Kultur und Wirtschaft in Düsseldorf seit Freitag (19.März) in der Ausstellung "An Unseen Diary". Zu sehen ist (bis zum 18. April) das bislang "Ungesehene Tagebuch" des Fotografen, der 1975 auf der "Tour of the Americas" mit unterwegs war.
Von Landhäusern zu Rockgiganten
Mick Jagger höchstpersönlich hatte damals Sykes beauftragt, die geplante Tour für ein Buch zu dokumentieren. Sykes hatte sich bis dahin vor allem als Fotograf von Landhäusern, Gärten und Formel-1-Rennen hervor getan, exzentrische Superstars mit Totenkopfringen und Privatjets waren im noch nicht vor die Linse gekommen. Doch gerade diese sorglose Unerfahrenheit im Umgang mit den Musikern ließ seine Bilder zu etwas Außergewöhnlichem werden: Die Stones schätzten den "frischen, neuen Look" für ihr fotografisches Tagebuch, das durchaus "das Feeling eines Familienalbums" vermitteln sollte.
So ging Sykes als Mitglied einer 50-köpfigen Band-Familie um Mick Jagger und Keith Richards 1975 auf die "T.O.T.A."-Tour, die mit 45 Konzerten in drei Monaten als die bis dahin größte und aufwändigste Rock-Tour in die Musikgeschichte einging .
Der erste "Embedded Journalist"
Sykes lebte und tourte mit den Stones; er hing mit ihnen in Hotels herum, backstage und im Flugzeug - und schoss Fotos, die von außergewöhnlicher Nähe und Vertrautheit zeugen: In allen aufregenden Momenten war er dabei, aber auch im normalen Alltag. Er erlebte die Nervosität der Stars mit, Streitereien und Eifersüchteleien wie auch Freundschaften und intime Augenblicke. "Sykes hat mit im Bett gelegen und am Frühstückstisch gesessen", berichtet Werner Lippert vom NRW-Forum. Seiner Meinung nach sind die Bilder ein Stück "Rockhistorie" und Sykes der erste "Embedded Journalist" der Musikgeschichte.
"charming Mick"
Eines seiner "Lieblingsfotos" sei das von Mick Jagger am Niagara-Fall, wie Sykes berichtet. Da erkenne man den "charming Mick" - lachend, so breit und entspannt, dass man den Diamanten an seinem Zahn sehen könne.
Zu den originellsten Aufnahmen zählt sicherlich jene, die den Stones-Frontman im Gespräch zeigt: Auf dem T-Shirt seines Gegenübers prangt die Frage: "Who the fuck is Mick Jagger?"
Sykes durfte nach eigenen Angaben fotografieren, was er wollte. Seine Arbeiten - bis auf wenige Ausnahmen in schwarz-weiß- zeichnet eine schöne Beiläufigkeit aus: Seine Fotografien sind keine Inszenierungen sondern eher Schnappschüsse, nichts sei arrangiert worden, betont der Fotograf.
Mit der Stones-Familie auf Tour
"Die dreimonatige Tour war wie ein Familienausflug" erinnert sich Sykes. Kneifen galt allerdings bei solchen Ausflügen nicht, so galt auch für den Fotografen das Komplett-Programm der Rocktour: "Die Stones lebten nachts und schliefen am Tag. Diesen Lifestyle mit durchwachten Nächten, Kokain und Alkohol muss man wirklich lieben", berichtet er.
Eines der Austellungsfotos zeigt den Fotografen selbst, auch wenn er, wie er zugibt, sich darauf kaum wieder erkannt hätte: verknittert und verkatert an einem Tisch vor einer Flaschenbatterie leerer Wiskey- und Wodkaflaschen. Ein offenbar außergewöhnlicher wie gleichermaßen anstrengender Job, den Sykes drei Monate lang an der Seite von Jagger und Co. erledigte. So blieb dies auch seine erste und einzige Stones-Tournee, die er begleitete: "Eine hat gereicht", so Sykes. (ina)