Illegale Regenwaldrodung und europäische Firmen
25. April 2019"Wir leben in den ersten Stadien einer Apokalypse", schrieb eine Allianz indigener Völker in der französischen Tageszeitung "Le Monde" diesen Monat. Die Landrechte der Ureinwohner des Amazonas-Regenwalds wurden seit der Wahl des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro in Brasilien stark beschnitten. Die 13 Autoren des Texts repräsentieren indigene Völker von Brasilien bis Neuseeland. Und das der Text tausende Kilometer entfernt erscheint hat einen Grund: Sie wollen ein wichtiges und bisher übersehenes Publikum erreichen. Denn in Frankreich, so wie in vielen anderen westlichen Ländern, haben Firmen ihren Hauptsitz, die über ihre Lieferketten an illegalen Abholzungen beteiligt sind.
Das behauptet zumindest ein Bericht der Umweltorganisation Amazon Watch, der am Donnerstag veröffentlicht wurde. In den vergangenen zwei Jahren soll beispielsweise das brasilianische Holzfällerunternehmen Benevides Madeiras 266 bzw. 125 Tonnen Holz an die französischen Firmen Guillemette & Cie und Groupe Rougier exportiert haben. Und das, obwohl der Besitzer des Unternehmens, Arnaldo Betzel, eine Geldstrafe in Höhe von 2,2 Millionen Brasilianischen Real (500.000 Euro) wegen illegaler Rodungen zahlen musste. Im gleichen Zeitraum erhielten laut dem Bericht Unternehmen in Belgien, Holland und Dänemark Holz von Benevides Madeiras. Das deutsche Unternehmen Acai GmbH, das Bio-Fruchtgetränke herstellt, soll 2018 neun Tonnen Fruchtfleisch von Argus, einem weiteren Firma von Betzel, importiert haben.
Nach Veröffentlichung des Artikels* bestritt Benevides Madeiras die Behauptungen von Amazonas Watch und verlangte von der brasilianischen Umweltbehörde Ibama, die Strafe zu überprüfen. Am 6. Mai nahm Ibama das Abholzungsverbot in dem Regenwaldgebiet zurück, für das die Firma bestraft worden war. Es ist unklar, ob die Strafe aufgehoben wurde. Darüber hinaus hat Acai GmbH eine Mitschuld von sich gewiesen und erklärt, dass der einmalige Test-Import von Fruchtfleisch der Acaifrucht von nicht gefällten Bäumen stammt und damit kein Produkt illegaler Regenwaldabholzungen war.
Die Unternehmen gehören zu insgesamt 27 europäischen und nordamerikanischen Firmen, die laut Amazon Watch und seinem Partner Profundo mit Lieferanten zusammenarbeiten, die illegale Rodungen vornehmen. Die Firmen importieren meist Produkte wie Rindfleisch, Soja und Holz. Die Recherche wirft wichtige Fragen über Verantwortung auf: Welche Rolle spielen westliche Unternehmen und Nationen dabei, die Rodung des Regenwalds aufzuhalten?
Dunkle Flecken in der Lieferkette
"Wir bewirtschaften unser Land, um unsere Leute zu ernähren und nicht die Tiere auf der anderen Seite der Erde", schreiben die indigenen Autoren in "Le Monde". Die Abholzung am Amazonas für den Handel mit Nutzpflanzen und Holz führt zunehmend zu gewalttätiger Vertreibung der Bewohner. Gleichzeitig leidet die Artenvielfalt, und riesige Mengen an Treibhausgasen entstehen. Die Massenabholzung im Amazonas gelten laut Experten als eine der Hauptbarrieren für das Erreichen internationaler Klimaziele.
Illegale Entwaldung ist ein internationales Thema, sowohl was die Gründe als auch die Auswirkungen betreffen. "Globale Händler, Finanzinstitute und Importunternehmen spielen eine sehr wichtige Rolle", sagte Christian Poirier, Programmdirektor von Amazon Watch und Autor des Berichts. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass sie eine Mitschuld an der wachsenden Zerstörung des brasilianischen Amazonas, seiner Waldbewohner und indigenen Völker tragen."
Der Bericht untersucht die Lieferketten von 56 brasilianischen Unternehmen, die an illegaler Abholzung beteiligt sind, und westlichen Unternehmen, die mit ihnen Geschäfte machen. Er sagt nicht, dass einzelne Lieferungen illegale Waren beinhalteten, zeigt aber, dass europäische und nordamerikanische Importeure von Lieferanten kaufen, dessen Tochterunternehmen oder Besitzer vor kurzer Zeit mit Geldstrafen für illegale Rodungen belegt wurden.
Ein markantes Beispiel ist der Fall von JBS, dem größten Rindfleischexporteur Brasiliens. Dieser soll Schlachtereien von AgroSB, das 2017 die höchste Geldstrafe des Landes für illegales Abholzen bekommen hat, beauftragt haben. Die 20 größten westlichen Besitzer von JBS, unter anderem Capital Group und der Vermögensverwalter Blackrock, halten laut dem Amazon-Watch-Bericht Aktien im Wert von insgesamt 2 Milliarden Dollar (1,78 Millionen Euro).
Ein weiteres Beispiel ist eine Tochtergesellschaft der brasilianischen Schlachterei Grupo Bihl. Diese soll 2017 Leder an fünf italienische Gerbereien geliefert haben. Im gleichen Jahr wurde ein weiteres Unternehmen von Grupo Bihl, Agropecuária MALP, zu einer Geldstrafe von 3,8 Millionen Brasilianischen Real (860.000 Euro) verurteilt, so der Bericht.
JBS weist die Vorwürfe zurück. Das Unternehmen "kauft keine Tiere von Betrieben, die an der Abholzung von Urwäldern, oder dem Eindrigen in Gebiete von Indigenen oder Umweltschutzzonen beteiligt sind", schrieb JBS in einer Stellungnahme an die DW. In den vergangenen drei Jahren habe die Firma bei mehr als 99,9 Prozent der Rinderkäufe interne soziale und ökologische Kriterien erfüllt, so JBS weiter.
Alle anderen Unternehmen, die in diesem Artikel genannt sind, haben Interviewanfragen der DW entweder abgelehnt oder nicht darauf reagiert.
Internationaler Druck
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat bereits vor seiner Wahl keinen Hehl daraus gemacht, wie wenig er von Umweltschutz und den Rechten von Ureinwohnern hält. Seit seinem Amtsantritt im Januar hat er immer wieder die Öffnung von Reservaten indigener Völker für Agrar- und Bergbauunternehmen gefordert. Umweltschützer sehen deswegen die internationale Industrie in der Verantwortung, ihre Lieferketten zu überprüfen und so einen Teil zum Schutz des Regenwaldes beizutragen.
"Der Bericht (…) lädt (diese Unternehmen) dazu ein, als Kontrolle der schlimmsten Akteure in Brasilien und letztlich des Bolsonaro-Regimes zu funktionieren", sagte Poirier. "Dies ist kein Angriff sondern eine Mitteilung - sie müssen ihre Lieferketten und Finanzportfolio verbessern." Aktivisten haben nach einem Jahrzehnte langem Kampf erreicht, die Abholzungsrate im brasilianischen Regenwald zu senken. Doch nun fürchten Beobachter, dass sich der Trend umkehrt. Vergangenes Jahr wurden so viele Bäume wie seit zehn Jahren nicht mehr abgeholzt, unter anderem durch illegale Holzfäller.
Brasiliens Umweltministerium hat auf eine Interviewanfrage von DW nicht geantwortet.
Wessen Verantwortung?
Dass Produkte illegaler Rodungen - von Luxushandtaschen bis Bio-Smoothies - in Geschäften in Europa und Nordamerika landen, wirft ethische Fragen für westliche Verbraucher, Regierungen und Unternehmen auf. "Ein Großteil der Wälder wird illegal abgeholzt", sagte David Kaimowitz, der bei der Ford Foundation für natürliche Ressourcen zuständig ist. "Von einer politischen Perspektive ist das wichtig, denn Regierungen haben das Recht, illegal produzierte Produkte an ihren Grenzen aufzuhalten."
Die Verbraucher sind Teil des Problems, sagen Experten - aber die meisten seien sich schlicht nicht bewusst, welchen Einfluss ihre Kaufentscheidungen auf den Regenwald haben. "Ich glaube, dass der typische Verbraucher sich nicht bewusst ist, dass das Rindfleisch oder die Kekse, die sie kaufen, ein Hauptgrund für Entwaldung ist", sagte Kaimowitz.
Wären Produkte etwa mit einem Hinweis versehen, wie viel Abholzung für die Produktion erforderlich war, könnten Verbraucher selber entscheiden, sagt Ruth Delzeit, Leiterin des Forschungsbereichs Umwelt und natürliche Ressourcen am Institut für Weltwirtschaft. "Sie könnten Rindfleisch kaufen (…), für welches Wälder gerodet wurde, oder sie könnten sich für ein veganes Produkt mit weniger CO2-Emissionen entscheiden."
*Dieser Artikel wurde am 16.05.2019 aktualisiert, um Antworten von Benevides Madeiras und Acai GmbH zu berücksichtigen.