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Burkaverbot

Joanna Impey, Paris10. April 2012

Vor einem Jahr ist in Frankreich das Burka-Verbot in Kraft getreten. Das Leben muslimischer Frauen hat sich seitdem stark verändert. Der Attentäter von Toulouse hat die Integrations-Debatte erneut befeuert.

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Mabrouka in Niqab
Bild: DW

Mabrouka spielt mit ihrer zweijährigen Tochter in der Wohnung ihrer Familie in einem nördlichen Vorort von Paris. Die beiden verbringen viel Zeit hier und verlassen die eigenen vier Wände nur noch selten: Mabrouka ist eine von geschätzten 2000 Frauen in Frankreich, die einen Vollschleier – eine Burka oder Nikab – tragen. Seit einem Jahr ist der Schleier, der alles bis auf einen schmalen Schlitz für die Augen bedeckt, in Frankreich jedoch verboten.

Nur hin und wieder wagt sich die 30-Jährige seitdem hinaus auf die Straße, um Besorgungen in den Geschäften in der unmittelbaren Umgebung zu erledigen. Sie trägt auch dann noch eine Burka und riskiert jedes Mal, eine Strafe von 150 Euro oder das Ablegen eines Einbürgerungskurses auferlegt zu bekommen. Sie sagt, dass die Polizei ein Auge zudrückt, wenn sie mit Ihrer Tochter unterwegs ist. In ihrer Bankfiliale hingegen teilte man ihr mit, dass man nicht wolle, dass sie im Schleier die Filiale betrete. So musste Mabrouka ihrem Mann die Vollmacht für ihr Konto übertragen.

Das Burka-Verbot wurde von Präsident Sarkozys rechtskonservativer Regierung am 11. April 2011 verabschiedet in der Hoffnung, dass es Sicherheit und Gleichberechtigung vorantreiben würde und die Würde der Frauen schütze. Aber für jene, die darauf beharren, den Vollschleier dennoch zu tragen, ist seitdem das Gegenteil der Fall. Mabrouka, die nicht möchte, dass ihr Nachname genannt wird, sagt, dass sie durch das Verbot viele ihrer Freiheiten verloren habe und nun mehr denn je auf ihren Mann angewiesen sei.

Das Vorlesen des Koran
Viele Muslime machen sich Sorgen über das Verbot religiöser Symbole an SchulenBild: DW

"Erst jetzt bin ich derart abhänging geworden," erzählt Mabrouka DW. "Ich habe vor meiner Hochzeit fünf Jahre lang gearbeitet. Auch damals trug ich eine Burka und habe ganz normal die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt, habe lange Reisen unternommen oder bin mit Freunden ausgegangen. Und jetzt muss ich mich mit unserer Wohnung zufrieden geben und habe sonst nichts mehr."

Viel Aufregung, wenige Betroffene

Obwohl das Verbot für viele Diskussionen und große Aufregung gesorgt hat, sind nur wenige Frauen tatsächlich davon betroffen. Nach Angaben des französischen Justizministeriums gab es in den ersten sechs Monaten nach Inkrafttreten des Verbots nur etwa 100 Fälle, in denen Frauen mit Nikab von der Polizei aufgegriffen wurden; etwa zehn dieser Fälle landeten vor Gericht.

Zum Beispiel Hind Ahmas und Najate Nait Alit. Sie mussten je eine Strafe von 120 und 80 Euro zahlen, als sie von der Polizei in der Nähe des Rathauses von Meaux östlich von Paris angehalten wurden. Sie waren auf dem Weg zu Jean-Francois Cope, dem Bürgermeister von Meaux, dem sie eine Geburtstagstorte bringen wollten. Cope gilt als Architekt des Burka-Verbots. Ahmas und Ali hingegen sagen, dass das Verbot gegen die Gesetzgebung zur persönlichen Freiheit und Religionsfreiheit verstößt und wollen ihren Fall wenn nötig bis vor den Europäischen Gerichtshof bringen.

Die große Mehrheit der franzöischen Muslime tragen keinen Vollschleier – und vielen von ihnen bereitet weniger das Burka-Verbot, als vielmehr ein anderes Gesetz Unmut und Ärger: Seit dem Jahr 2004 nämlich sind religiöse Symbole in Schulen verboten - eine Regelung, die auch die Schülerinnen und Lehrerinnen betrifft, die das viel weiter verbreitete, 'Hijab' genannte Kopftuch tragen wollen.

Keine politische Unterstützung für Aufhebung des Verbots

Frankreich hat mit etwa neun Prozent den größten muslimischen Bevölkerungsanteil in ganz Westeuropa. Die meisten Muslime kommen aus Nordafrika, aus den ehemaligen französischen Kolonien Algerien, Marokko und Tunesien. Die Einwanderer haben oft Schwierigkeiten mit dem französischen Laizismus, der strengen Trennung von Kirche und öffentlichem Leben, einem Prinzip, das jedoch von weiten Teilen des politischen Spektrums hochgehalten wird.

Die ehemalige konservative Ministerin für Stadtentwicklung Fadela Amara hat selbst algerische Wurzeln und beschreibt die Burka als "eine Art Grab, ein Horror für jene, die in ihr gefangen sind." Aber selbst unter Sarkozys politischen Gegnern gibt es nur wenig Unterstützung für eine Aufhebung des Verbots. Der Säkularismus ist eines der wenigen Prinzipien, die die zersplitterte politische Linke noch zusammenhält.

Noura Jaballah, Präsidentin des Europäischen Forums Muslimischer Frauen, glaubt daher nicht, dass sich die Situation ändern wird, sollte der sozialistische Kandidat Francois Hollande aus den Präsidentschaftswahlen in weniger als einem Monat als Sieger hervorgehen.

Noura Jaballah, Präsidentin des europäischen Forums Muslimischer Frauen
Nourah Jaballah, Präsidentin des europäischen Forums Muslimischer FrauenBild: DW

"Frankreich ist sehr empfindlich, was die Muslimische Gemeinschaft betrifft", sagte Jaballah DW. "Die Menschen haben Angst vor jenen, die sich als Muslime bezeichnen und Bomben bauen, die aggressiv sind – obwohl das nur eine verschwindend kleine Minderheit ist."

Attentat von Toulouse hat Vorurteile verstärkt

Diese Angst wurde letzten Monat verstärkt, als in Toulouse ein mutmaßlicher Al-Kaida-Anhänger bei einem Attentat sieben Menschen tötete, darunter drei Kinder. Der Anschlag hat zu mehreren Polizeioperationen gegen Islamisten in ganz Frankreich geführt.

"Es steht außer Frage, dass dieser Mann Gott nicht verstanden hat", sagt Jaballah. "Er hat nie wirklich dem Islam oder dem muslimischen Glauben angehört. Er hat sich von einem Tag auf den nächsten dem Terrorismus zugewandt, und natürlich verurteilen wir seine unmenschliche Tat auf das Schärfste."

Jaballah kämpft dafür, die Vorurteile gegen muslimische Frauen in der französischen Gesellschaft ab- und eine Brücke zwischen den vermeintlich gegensätzlichen Seiten aufzubauen. Sie selbst trägt keine Burka, sondern nur ein Kopftuch, und steht dem Verbot dennoch sehr kritisch gegenüber. Es habe nicht zur Emanzipation muslimischer Frauen beigetragen, sondern im Gegenteil dazu geführt, "dass diese Frauen noch mehr an den Rand gedrängt wurden." Dennoch fordert Jaballah Muslime in Europa dazu auf, ihren Glauben auf eine Weise zu praktizieren, die in den westlichen Kontext passen: "Ich rate muslimischen Frauen in Europa wirklich nicht, ihr Gesicht hinter einem Schleier zu verbergen. Jeder der sich derart verhüllt, separiert sich von der Gesellschaft. Es entsteht eine Barriere und hindert die Frauen daran, am öffentlichen Leben teilzuhaben."

Ein Stolperstein der Integration

In den Pariser Vororten fühlt sich Mabrouka in der Tat an die Seite gedrängt und vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Dabei passt sie nicht in das stereotypische Bild der unterdrückten Frau: In Lyon als Tochter tunesischer Einwanderer geboren, arbeitet sie Teilzeit als Privatlehrerin und besucht ihre Schüler auch noch weiterhin bei ihnen zu Hause. Sie hat einen Universitätsabschluss in Arabisch und Geschichte und hat sich zudem als Lehrerin für Französisch als Fremdsprache qualifiziert.

Wahl-Plakat in Paris
Es ist fraglich, ob die Präsidentschaftswahlen eine Veränderung herbeiführen werdenBild: DW

Vor sieben Jahren hat sie begonnen, den Vollschleier als Zeichen ihrer Verehrung für Gott zu tragen. Sie sagt, dass ihr Ehemann nichts mit dieser Entscheidung zu tun hat und dass sie ihn erst getroffen hat, als sie bereits die Burka trug. Auch wenn bisher noch niemand dafür verurteilt worden ist: Wer eine Frau zwingt, den Vollschleier zu tragen, muss seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes mit einer Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro rechnen.

Mabrouka gibt zwar zu, dass es sonderbar erscheinen mag, sich wegen eines Stückes Stoff derart in ihrem Leben einschränken zu lassen. Aber sie besteht darauf, dass nicht ihre Religion, sondern die französische Gesellschaft ihr die Freiheit raubt. Nachdem sie nun ein Jahr mit den Einschränkungen des Burka-Verbotes gelebt hat, überlegt sie sogar, das Land zu verlassen, in dem sie geboren wurde.

"Ich möchte nicht den Rest meines Lebens hier verbringen. Ich möchte wegziehen, weil ich so nicht leben möchte. Aber im Moment ist es schwierig, eine Entscheidung zu treffen, da man in anderen europäischen Ländern die jeweilige Sprache beherrschen muss. Und in der arabischen Welt gibt es derzeit zu viele Spannungen. Belgien wäre ein anderes französischsprachiges Land, aber auch dort gibt es ein Burka-Verbot. Im Moment sitze ich also gewissermaßen in der Falle."