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Hunderte Viren leben auf unserer Zahnbürste

15. Oktober 2024

Sie sind mit bloßem Auge unsichtbar, sie sind zahlreich und leben in unseren Badezimmern - mehr als 600 verschiedene Viren wies ein US-Forschungsteam dort nach. Igitt? Im Gegenteil, das ist sogar eine gute Nachricht.

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Nahaufnahme von Zahnbürste mit Zahnpasta
Unsere Zahnbürsten sind voll mit Mikroorganismen wie Viren - und das ist gar nicht schlimmBild: Bilderbox

Nicht nur Menschen mögen heiße Duschen - auch Viren fühlen sich in warmem Wasser wohl. Eine kürzlich in der Fachzeitschrift Frontiers in Microbiomes veröffentlichte Studie aus den USA zeigt, dass etwa auf unseren Duschköpfen eine vielfältige Virengemeinschaft lebt.

Und nicht nur dort: Die Oberflächen in unseren Badezimmern sind mit einem Biofilm überzogen, im dem es vor Lebewesen nur so wimmelt. Allein auf Zahnbürstenborsten und Duschköpfen in Europa und den USA fand das Forschungsteam mehr als 600 unterschiedliche Virusarten.

In unseren Badezimmern tummeln sich jede Menge Organismen

"Es ist absolut unglaublich, wie viele Viren wir gefunden haben", sagt Erica Hartmann von der Northwestern University, die als Mikrobiologin die Studie geleitet hat. Ihr Team habe viele Viren gefunden, über die nur sehr wenig bekannt sei, und andere, die man noch nie zu zuvor gesehen habe. "Es ist erstaunlich, wie viel ungenutzte biologische Vielfalt um uns herum vorhanden ist - direkt vor unserer Nase".

Laut Hartmanns Forschungsgruppe verbringen in den USA die meisten Menschen zwei Drittel ihres Lebens in Häusern oder Wohnungen. Das Wissen darüber, welche Organismen diesen Raum ebenfalls besiedeln, sei daher sehr wertvoll, sagen die Forscherinnen und Forscher.

Computer-Illustration einer Bakteriophage
Illustration einer Bakteriophage - dieses kleine Virus zerstört BakterienBild: Colourbox

Für die Studie nutzte das Team Daten aus einer früheren Untersuchung. Für diese waren Proben von Duschköpfen und Zahnbürsten in US-Haushalten genommen worden. Die Forschenden stellten fest, dass die Zusammensetzung der Mikroben je nach Ort sehr unterschiedlich war. Die Vielfalt der gefundenen Mikroben war so groß, dass keine mikrobielle "Duschkopfgemeinschaft" einer anderen glich. Das Gleiche galt für die mikrobiellen Gemeinschaften, die auf Zahnbürsten siedelten.

Warum Viren auf der Zahnbürste eine gute Nachricht sind

Viele Viren benötigen einen lebenden Wirt, um sich zu vermehren, und richten bei diesem oft Schäden an. So werden verschiedene Krankheiten bei Menschen oder Tieren von Viren ausgelöst. Doch nicht alle Viren brauchen einen Wirt, wie auch die Studie zeigt. Manche Arten bewohnen ganz unterschiedliche Umgebungen in komplexen Gemeinschaften. Und nicht alle Viren sind schädlich - im Gegenteil, sie könnten der Wissenschaft nützliche Dienste erweisen.

Die Viren, die Hartmann und ihr Team identifizieren konnten, sind sogenannte Bakteriophagen, oder auch kurz Phagen . Sie stellen keine Gefahr für den Menschen dar, vielmehr infizieren sie Bakterien.

Angesichts zunehmender Antibiotikaresistenzen besteht die Hoffnung, dass die von der Forschungsgruppe identifizierten Bakteriophagen neue Wege für die Behandlung bakterieller Infektionen eröffnen.

Die Bakteriophagen könnten auch für Reinigungsprodukte genutzt werden. Denn: "Je mehr man Bakterien mit Desinfektionsmitteln angreift, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Resistenzen entwickeln oder schwieriger zu behandeln sind", erläutert Hartmann. "Wir sollten sie einfach alle akzeptieren. Mikroben sind überall, und die große Mehrheit von ihnen macht uns nicht krank."

Gefährliche Antibiotika?

Bakterien oder Viren im Bad - ein großer Unterschied

Vor allem in wässrigen Umgebungen wimmelt es nur so vor Leben. Nicht umsonst hält die Wissenschaft bei der Suche nach Leben auf anderen Planeten vor allem nach Wasser Ausschau. Und so können gerade die Oberflächen im Badezimmer neben Viren auch Bakterien und Pilze beherbergen, wie andere Forschungen zeigen.

Auch Hartmanns Gruppe hatte sich vor ihrer jüngsten Studie bereits mit dem Thema beschäftigt. So untersuchte sie, ob sich Bakterien über Aerosole aus der Toilettenspülung auf Zahnbürsten niederlassen. Ihre Untersuchung unter dem Titel "Operation Pottymouth" - also "Operation Tröpfchenmund" - ergab, dass die meisten Bakterien auf Zahnbürsten aus dem Mund des jeweiligen Nutzenden stammten - Bakterien also, die wir ohnehin bei uns haben. 

2018 zeigte das sogenannte "Showerhead Microbiome Project", dass es vor allem in den USA eine Häufung von bakteriellen Lungenentzündungen in solchen Regionen gibt, in denen bestimmte Mykobakterien in Duschköpfen nachgewiesen werden konnten.

Da trifft es sich gut, dass laut Hartmanns jüngster Forschung die Bakteriophagen, die in Badezimmern anzufinden sind, in der Regel genau solche schädliche Mykobakterien bekämpfen.

"Wir können uns vorstellen, mit diesen Phagen Krankheitserreger aus dem Sanitärsystem zu entfernen", so Hartmann. Darüber hinaus gehe es darum, alle Funktionen dieser Viren zu erforschen und herausfinden, wo man sie nutzen könne, erklärt die Mikrobiologin.

Redaktion: Rob Mudge

Adaption aus dem Englischen: Jeannette Cwienk

Primärquelle:

Stefanie Huttelmair, Weitao Shuai, Jack T. Sumner, Erica M. Hartmann (2024). Phage communities in household-related biofilms correlate with bacterial hosts. Frontiers in Microbiomes. https://doi.org/10.3389/frmbi.2024.1396560

Zusätzliche Quellen:

Matthew J. Gebert et al (2018). Ecological Analyses of Mycobacteria in Showerhead Biofilms and Their Relevance to Human Health. mBio. https://doi.org/10.1128/mbio.01614-18

Ryan A. Blaustein et al (2021). Toothbrush microbiomes feature a meeting ground for human oral and environmental microbiota. Microbiome. http://dx.doi.org/10.1186/s40168-020-00983-x