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Politik

HRW: Populismus gefährdet die Demokratie

Wolfgang Dick
12. Januar 2017

Im World Report 2017 kritisiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nicht nur Entwicklungen in Krisengebieten. Durch den Vormarsch der Rechtspopulisten seien auch westliche Demokratien gefährdet.

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Kenneth Roth Human Rights Watch
Bild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

"Wir haben durch die Zunahme von Rechtspopulisten im Westen der Welt ein sehr, sehr ernsthaftes Problem", sagte Kenneth Roth, der Exekutivdirektor von Human Rights Watch, am Donnerstag in New York. Einige Journalisten entgegneten ihm auf der Pressekonferenz, dies sei doch kein neues Phänomen. Demagogen und Diktatoren gebe es seit Jahrzehnten.

Roth schien auf eine solche Reaktion beinahe gewartet zu haben, machte eine kurze Pause und antwortete in ruhigem Ton: "Der Grund, warum wir den Schwerpunkt unseres Berichts in diesem Jahr so ausführlich auf die Rechtspopulisten lenken, ist, dass die Zunahme von Rechtspopulisten jetzt im Westen der Welt so rasant Fahrt aufnimmt!" 

Dann nannte Roth ein paar Gründe, warum das eine Entwicklung sei, die aus Sicht der Menschenrechtsorganisation "mit großer Wahrscheinlichkeit in die Tyrannei führt":

  • Der Westen, also Regierende in den USA und Europa, waren für Jahrzehnte die wichtigste Bastion und die wirkungsvollsten Fürsprecher für Menschenrechte und Demokratie.
  • Wenn jetzt immer mehr westliche Regierungsverantwortliche von rechten Demagogen Argumentationen und simple Lösungen übernehmen, oder gar durch Rechtspopulisten bei bevorstehenden Wahlen abgelöst werden, dann stirbt dieser Einsatz für die Menschenrechte!
  • Rechte Populisten kennen nur einfache Lösungen: Sie empfehlen, für den Kampf gegen Terror, Immigration und Arbeitslosigkeit aufgrund der Globalisierung verstärkt Menschenrechte einzuschränken oder auf sie komplett zu verzichten. Nach dem Motto: "Menschenrechte sind nur Hindernisse! Die können weg, dann geht es uns besser!"

Die Gefahr, die Roth für Human Rights Watch vorträgt, hört sich an wie ein Teufelskreis. Dieser scheint konkret schon eingetreten zu sein.

Trumps Wahlsieg - ein fatales Signal

Viktor Orban
"Handelt sein Jahren wie Trump" - Ungarns Premier OrbanBild: picture-alliance/dpa/D. Savic

Der Direktor von Human Rights Watch in Deutschland, Wenzel Michalski, berichtet im Interview mit der Deutschen Welle, warum der Wahlsieg von Donald Trump ein so gefährliches Signal für das Erstarken von Rechtspopulisten ist. "Jetzt schon berufen sich Leute wie Viktor Orban in Ungarn auf Trump." Der ungarische Premier handele schon seit Jahren wie der designierte US-Präsident.

Wenn Trump jetzt das machte, was er angekündigt hat, sähen sich Orban und andere durch die US-Wahl bestärkt: "Es ist jetzt zu befürchten, dass populistische Bewegungen und Parteien, die noch nicht an der Macht sind, in Europa auch an die Macht kommen durch Wahlen, denn nichts ist erfolgreicher als Erfolg".

Gefahren für Menschenrechte in Europa

Kombobild Marine Le Pen und Francois Fillon
Französische Präsidentschaftskandidaten Le Pen (links) und Fillon: "Signal, dass sich echoartig verbreiten würde"Bild: picture-alliance/abaca/E. Blondet/A. Abd Rabbo

Nach Einschätzung von Human Rights Watch könnte die Wahl in Frankreich besonderes gefährlich sein: Sollte im April - entgegen derzeitigen Umfragen - im zweiten Wahlgang tatsächlich Marine Le Pen gegen François Fillon gewinnen, dann sei das ein fatales Signal, dass sich echoartig in Europa verbreiten würde. In den Niederlanden sei der Rechtspopulist Geert Wilders weniger eine Gefahr, weil es dort eine Tradition von Koalitionen gebe, sagt Roth. Wilders würde dadurch eher in der zweiten Reihe verbleiben. In Deutschland allerdings komme es darauf an, welche Regierungskoalition es nach der Wahl im September gebe. Bei einem großen Erfolg der AfD würde auf jeden Fall die Position von Angela Merkel geschwächt.

Kanzlerin Merkel erntet großes Lob

Kenneth Roth in New York wie Wenzel Michalski in Berlin erläuterten, warum Human Rights Watch an einer Stärkung der Bundeskanzlerin ein großes Interesse hat. "Demokratie ist mehr als Bürokratie. Demokratie steht für Kultur und für hohe Werte! Diese Werte hat Angela Merkel stets repräsentiert und ist dafür eingetreten", betont Roth. 

Wenzel Michalski wird im DW-Interview noch konkreter: "Angela Merkel hat häufiger überall in der Welt Menschenrechtsverletzungen angeprangert, als das irgendein anderer Politiker in Europa gemacht hat, sogar häufiger und deutlicher als David Cameron oder Theresa May oder der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier." Wenn Merkel aus der Wahl im Herbst geschwächt hervorgehen würde, wäre dies eine deutliche Schwächung der Arbeit von Human Rights Watch, so Michalski.

Letzte Abwehrmöglichkeiten

Die derzeitige Entwicklung sei nicht wie von einem Virus von außen über den Westen hereingebrochen, stellte Kenneth Roth klar. Sie seien  - und da hörten die Journalisten aus aller Welt merklich auf  - durch die westlichen Regierungen selbst verschuldet. Das saß. "Viele westliche Regierungschefs scheinen gegenüber Rechtspopulisten resigniert zu haben. Das ist ein gefährlicher Fehler."

Wenzel Michalski
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch in DeutschlandBild: Privat

Der deutsche HRW-Direktor Michalski empfiehlt daher: "Den Regierenden, die jetzt wie die Kaninchen auf die böse Schlange der Populisten starren, und nicht wissen wie sie mit denen umgehen sollen, sei gesagt, dass sie künftig darauf verzichten müssen, hinter geheimen Türen etwas auszumauscheln. Die Intransparenz in der Politik muss verschwinden und die Jobs, die Politiker noch nebenher machen." Es sei nicht mit Sonntagsreden getan, sondern es benötige jetzt ein deutliches Gegengewicht, ein lauteres Signal gegenüber den Populisten und das könne nur Ehrlichkeit sein. Denn die menschenverachtenden Lösungsansätze, die Rechtspopulisten daherbringen, würden immer damit gerechtfertigt, dass sie die Wünsche der Mehrheit des Volkes repräsentieren würden. Verantwortliche Politiker in Europa müssten jetzt beweisen, dass sie das Volk ernst nehmen, dann würde sich schnell zeigen, dass Populisten nicht das Volk repräsentieren. An diesem Ziel wolle Human Rights Watch mitarbeiten und würde dazu weiterhin selbst mit Diktatoren sprechen.