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Politik

Der Mann, der Angela Merkel stürzen könnte

Jefferson Chase ust
19. Juni 2018

Der CSU-Chef hat sich zum ärgsten Kontrahenten der Kanzlerin entwickelt. Bekommt er seinen Willen in der Asylfrage, könnte das ihr Ruin sein. Ein Blick in Seehofers Vergangenheit zeigt: Es ist eine Kollision mit Ansage.

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Deutschland Koalitionsgespräche 2017 | Angela Merkel & Horst Seehofer
Bild: Imago/Ipon

Die Unterschiede zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer reichen weit in ihre frühe Kindheit zurück. Während die Kanzlerin, Tochter eines protestantischen Pfarrers und einer Lehrerin, kurz nach ihrer Geburt 1954 von Hamburg in die DDR zog, wurde Seehofer 1949 in eine konservative katholische Familie, der Vater Lastwagenfahrer und Bauarbeiter, in Bayern geboren.

Und während Merkel, die studierte und promovierte Physikerin, erst mit Mitte 30 während des Falls des sozialistischen Ostblocks politisch aktiv wurde, trat Seehofer, als Beamter in der Verwaltung tätig, Anfang 20 der Jugendorganisation der konservativen Christlich-Sozialen Union (CSU) bei.

Früh der Partei verbunden

Merkel war eine politische Newcomerin, die in der Wendezeit ihren Aufstieg in der Christlich-Demokratischen Union (CDU) auch einer Reihe unerwarteter Umstände zu verdanken hatte. Seehofer kämpfte sich in der CSU nach oben durch: Als einfacher Abgeordneter erhielt er 1980 sein erstes Bundestagsmandat, diente unter Helmut Kohl über sechs Jahre lang als Gesundheitsminister und wurde 1998 stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union aus CDU und CSU.

Aufschub der Regierungskrise

Geduldig wartete Seehofer, dass der damalige CSU-Vorsitzende, der bayerische Langzeit-Ministerpräsident Edmund Stoiber, den Weg zu höheren Posten frei machen würde. Währenddessen war er ab 2005 Agrarminister in Merkels erstem Kabinett.

Ein privater Skandal brachte ihn 2007 jedoch um die Aussicht auf die Führungsposition in seiner Partei. Aber Seehofer bewies, dass er bittere Pillen schlucken kann, wenn sein politisches Überleben davon abhängt. Er blieb Parteivize - trotz seiner zunächst gescheiterten Ambitionen auf den Vorsitz - und zeigte so ein Durchhaltevermögen, das sich wenig später bezahlt machte. Das schlechte Abschneiden der CSU bei der bayerischen Landtagswahl im Folgejahr bot ihm eine zweite Chance: Seehofer wurde sowohl zum CSU-Vorsitzenden als auch zum Ministerpräsidenten Bayerns gewählt.

Stur und beharrlich

Für einen ehemaligen Gesundheitsminister kann man es unter "Ironie des Schicksals" verbuchen, dass eine 2002 diagnostizierte Herzmuskelentzündung eine Zäsur darstellte. Seehofers Herzfunktion war auf ein Viertel des Normalen reduziert. Mancherorts heißt es, dass diese Konfrontation mit dem Tod Seehofer überzeugt habe, nie wieder Kompromisse bei seinen politischen Kernprinzipien zu machen.

Dass er seine Überzeugungen auch gegen Widerstände durchboxen kann, hatte er schon zuvor während seiner Zeit als Gesundheitsminister unter Helmut Kohl bewiesen: Nach einem Skandal um HIV-infizierte Blutkonserven krempelte Seehofer das Ministerium um. Außerdem drückte er - auch gegen Proteste - notwendige Reformen und massive Kürzungen im Gesundheitssystem durch.

Pragmatiker - oder doch Opportunist?

Zwar scheint Seehofer zuweilen hart in der Sache zu sein, doch ist er politisch gesehen durchaus pragmatisch. Auch seine Entscheidung zu Jahresbeginn, als Innenminister nach Berlin in Merkels Regierung zurückzukehren, ist in diesem Licht zu sehen. Nach den für die CSU enttäuschenden Resultaten bei der bayerischen Landtagswahl 2013 und der Bundestagswahl 2017 geriet Seehofer verstärkt unter Druck von jüngeren Rivalen in der Partei, hauptsächlich Alexander Dobrindt und Markus Söder. Um seine Haut zu retten, stimmte Seehofer zu, das Ministerpräsidentenamt an Söder abzugeben, behielt aber den Parteivorsitz der CSU.

Deutschland Wahlkampf 2017 CDU & CSU in Bayern | Horst Seehofer & Angela Merkel
Seehofer und Merkel bei einem gemeinsamen Wahlkampftermin im Mai 2017 vor der BundestagswahlBild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Aber Seehofer kehrte Anfang des Jahres nicht nach Berlin zurück, nur um am politischen Vermächtnis der vierfachen Kanzlerin mitzuwirken - einer Frau, die er augenscheinlich häufiger als Gegnerin betrachtete denn als Verbündete. Schon von Beginn an versuchte Seehofer, seinem Ministerium einen eigenen Stempel aufzudrücken. Er änderte die offizielle Bezeichnung, indem er das konservativ und traditionalistisch besetzte Wort "Heimat" einflechtete.

Beim Thema Migration immer anderer Ansicht 

Schon deutlich bevor seine neue Position überhaupt zur Debatte stand, stellte sich Seehofer beim Thema Flüchtlinge gegen Merkel. Im September 2015 kritisierte er Merkels Entscheidung, Flüchtlinge aus Ungarn nach Deutschland einreisen zu lassen. "Das war ein Fehler, der uns noch lange beschäftigen wird", sagte Seehofer, damals noch Ministerpräsident, dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". "Ich sehe keine Möglichkeit, den Korken wieder auf die Flasche zu bekommen." Immer wieder griff er die Kanzlerin offen an. Bald forderte er, dass die Einreise von Flüchtlingen künftig bei 200.000 Schutzsuchenden pro Jahr gestoppt werden müsse. "Obergrenze" nannte das die CSU. Knapp 900.000 Flüchtlinge waren im Jahr 2015 ins Land gekommen, seitdem aber sind die Zahlen stark rückläufig. 2017 lag die Zahl der Asylsuchenden bei knapp 190.000.

Heimatminister Horst Seehofer

Am vergangenen Freitag wehrte sich Seehofer in der "Süddeutschen Zeitung" gegen Kritik aus der CDU an seinem aktuellen Vorgehen in der Migrationsdebatte. Nicht seine Partei, sondern die CDU habe "mit der Flüchtlingsentscheidung 2015 die Spaltung Europas herbeigeführt".

"Den Korken wieder in die Flasche zu bekommen" ist wohl das, was Seehofer gerade erreichen will, indem er darauf besteht, dass Deutschland bestimmte Migranten an der Grenze zurückweisen soll - ein Schritt, den die Kanzlerin bislang kategorisch ablehnt und von dem einige glauben, er würde gegen EU-Recht verstoßen.

Wie weit wird Seehofer gehen?

Was in seinem 63 Punkte umfassenden "Masterplan Migration" steht, ist bislang nicht öffentlich. Seehofer will aber alle Menschen an der Grenze zurückweisen, die bereits in einem anderen EU-Land als Flüchtling registriert sind, die keine Papiere haben oder die bereits als Asylbewerber abgelehnt wurden.

Ohne Zweifel spiegelt Seehofers Beharren auf diesem Punkt seine eigene Auffassung genauso wider wie die Entschlossenheit von Söder, Dobrindt und anderen bayerischen Konservativen. Aber wie weit ist Seehofer bereit für diese Sache zu gehen? Würde er wirklich daran mitwirken, die Regierung zu stürzen? Wegen der Zurückweisung einer begrenzten Zahl von Menschen?

Seehofers bisherige Biografie zeigt: Zuzutrauen wäre es ihm.

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