Hongkong erlässt Vermummungsverbot
4. Oktober 2019Die Hongkonger Regierung hat ein Notstandsgesetz aktiviert und damit ein Vermummungsverbot bei Protesten in der chinesischen Sonderverwaltungsregion erlassen. Das teilte Regierungschefin Carrie Lam in einer Pressekonferenz mit.
Die Demonstranten tragen Masken und vielfach auch dicht schließende Brillen, um sich vor Tränengas und Pfefferspray zu schützen. Außerdem wollen sie verhindern, dass die Polizei sie identifiziert - beispielsweise mit einer Software für Gesichtserkennung.
Wie das Vermummungsverbot in der Praxis durchgesetzt wird oder welche Strafen geplant sind, ist bisher unklar. Es ist außerdem fraglich, was mit Journalisten passiert, die über Demonstrationen berichten und sich auch mit Gesichtsmasken gegen Tränengas schützen.
Uraltes Gesetz aus der Kolonialzeit
Das Gesetz "für Notfälle und bei öffentlicher Gefahr" wurde 1922 von den britischen Kolonialherren erlassen und erst zweimal angewandt: Um im gleichen Jahr einen Streik von Seeleuten niederzuschlagen, der den Hafen lahmgelegt hatte, sowie 1967 bei Unruhen und Protesten prokommunistischer Kräfte gegen die britische Kolonialherrschaft.
Das Gesetz ermöglicht der Regierungschefin verschiedene weitere Notstandsmaßnahmen, "die als notwendig im öffentlichen Interesse betrachtet werden". Ausdrücklich genannt werden unter anderem Zensur, leichtere Festnahmen und Haftstrafen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme und die Unterbrechung von Kommunikationsnetzwerken. Über eine solche Notstandsermächtigung wird bereits seit Wochen spekuliert.
Die seit fünf Monaten anhaltenden Demonstrationen waren am Dienstag zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik eskaliert. Erstmals wurde ein Demonstrant, ein 18-Jähriger Schüler, angeschossen. Rund hundert Menschen wurden verletzt, 269 wurden festgenommen - soviel wie nie zuvor an einem Tag. Seit Ausbruch der Proteste sind damit rund 2000 Menschen festgenommen worden.
Wieder Demonstrant angeschossen
Das Vermummungsverbot löste am Freitag erneut Proteste und Chaos aus. Tausende Menschen gingen auf die Straße. Protestteilnehmer bauten Straßenblockaden, warfen Brandsätze und demolierten U-Bahn-Stationen oder Geschäfte mit Beziehungen zur Volksrepublik China. Laut Medienberichten wurde erneut ein junger Mann angeschossen und verletzt.
jv/sti/gri (dpa, rtr)