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Homophobe Kritik an männlichem Gymnasten

Jennifer Pahlke
29. Juli 2021

Das Video eines Gymnasten sorgt in Russland für Furore und stellt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen im Sport in Frage. Doch dieses Mal geht es nicht um Frauen, sondern um männliche rhythmische Sportgymnasten.

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Sportgymnast Cristofer Benitez
Bild: privat

Der spanische rhythmische Sportgymnast Cristofer Benitez ist zum viel diskutierten Thema in Russland geworden. Tatjana Nawka, 2006 in Turin Olympiasiegerin im Eistanz, veröffentlichte am 21. Juli ein Video des Sportlers auf ihrem Instagram-Account. Doch statt Bewunderung und lobender Worte trat Nawka eine Lawine kontroverser Aussagen los und kritisierte besonders heftig, dass Männer diesen Sport überhaupt ausüben.

Tatjana Nawka: "Ich habe einen Kulturschock!"

"Ich habe einen Kulturschock! Ich dachte immer, rhythmische Sportgymnastik sei ein wunderschöner, attraktiver und weiblicher Sport, und dann das hier. Ich bin wirklich froh, dass es so etwas in unserem Land nicht gibt und hoffentlich auch nie geben wird. Und meine Kinder werden das nie sehen und denken, es sei die Norm. Wer wächst schon in einer westlichen Gesellschaft mit solchen Tendenzen auf?!"

Ihr Video-Post sammelte über 1.2 Millionen Aufrufe und über 23.000 Kommentare bei Instagram - wesentlich mehr als andere Posts auf Nawkas Seite. Unterstützung bekam die Eistänzerin unter anderem von ihrem Ex-Trainer und Ex-Ehemann Aleksander Schulin und dem Duma-Abgeordneten Vitali Milonow.

Nicht nur Support von russischer Seite

Aber auch Kritik gab es massig, besonders aus den Reihen bekannter Sportler und Trainer, darunter auch Nawkas Kollegin im Eislaufen, Gabriella Papadakis aus Frankreich. So schrieben viele, dass Frauen auch für ihr Recht als Sportlerin kämpfen mussten und in vielen Disziplinen antreten, die ursprünglich als Männersport angesehen wurden.

Eiskunstläuferin Tatiana Navka
Ex-Eistänzerin Tatiana Navka hat kein Verständnis für Männer in der SportgmynastikBild: picture-alliance/AP Photo/A. Zemlianichenko

Auch Gana Maksimowa, Trainerin des russischen Mix-Synchronschwimmen-Paares, übte Kritik. Sie fragte Nawka herausfordernd, ob jemand ihre Kinder dazu zwingen würde, sich so einen "Kulturschock" anzuschauen. Viele offizielle Institutionen in Spanien - wie das Ministerium für Kultur und Sport, die spanische Gymnastik Föderation und der oberste Sportrat - distanzierten sich ebenfalls von den Aussagen und verteidigten Benitez. Sie betonten, dass Spanien Pionier in Sachen einer offenen und inklusiven Gesellschaft sei, einschließlich im Sport.

Unverständnis bei Cristofer Benitez

So viel Aufruhr blieb auch von Cristofer Benitez selbst nicht unbemerkt. In Spanien ist er ein sehr bekannter Gymnast, der bereits an den ersten nationalen Meisterschaften für männliche rhythmische Gymnastik im Jahr 2009 teilgenommen hat. Schon damals hat er die Hoffnung geäußert, dass die männliche Variante des Sports der weiblichen gleichgesetzt würde. Nach Nawkas Kommentar ist er sich sicher, dass es zumindest in Russland nicht der Fall sein wird.

"Am Anfang dachte ich, es sei einfach wieder einer von vielen Hate-Kommentaren, also nichts besonderes", sagt er der Deutschen Welle. In seiner sportlichen Laufbahn hat er schon häufiger mit gehässigen Kommentaren, Drohungen, Beleidigungen und Beschimpfungen zu kämpfen. Immerhin habe sie nicht ihn persönlich kritisiert, sondern allgemein Männer, die diesen Sport ausüben würden. Überrascht sei er jedoch gewesen, solche Kritik aus dem Mund einer ehemaligen Sportlerin zu hören.

Auch von einem zweiten Post zu diesem Thema, eine Reaktion auf die Kritiker, ließ Nawka sich nicht abbringen. Nur zwei Tage später, am 23. Juli, zeigte sich das Motiv ihrer Posts - Homophobie getarnt als Schutz für Kinder und Minderjährige.

Nawka schiebt Schutz der Kinder vor

"Ich denke nicht, dass ein Mann einen Rock tragen sollte. Ein Mann sollte ein Mann bleiben. Ich glaube, mein Kind sollte in einer gesunden Gesellschaft aufwachsen, in der es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern geben sollte." Die sexuelle Orientierung sei für jeden eine Privatangelegenheit, so Nawka. Niemand habe das Recht, sich einzumischen. "Aber wenn das alles Propaganda ist, wo Kinder im Fernsehen und im öffentlichen Raum dies sehen können, dann bin ich strikt dagegen." Nicht ohne Grund sei es in Russland strafbar, bei Minderjährigen für sexuelle Minderheiten zu werben.

Screenshot Instagram
"Ich denke nicht, dass ein Mann einen Rock tragen sollte", schreibt Tatiana NavkaBild: Instagram

"Sie hat mein Kostüm kritisiert und besonders den Fakt, dass ich einen Rock trage. Aber das gehörte zu der Figur, die ich verkörpert habe, es gehörte zur Show", erklärt Benitez, warum der zweite Post ihn stärker traf. Und auch, dass sie dieses Video ihren Kindern nicht zeigen wolle, da es ihrer Meinung nach nicht normal sei, beunruhigt ihn. "Heutzutage sollte es keine Unterscheidungen mehr im Sport geben. Alle Sportarten müssen für beide Geschlechter gleich sein!"

Verbot von Propaganda für Homosexualität in Russland

Russlands Präsident Wladimir Putin setzte das Gesetz, welches die "Propaganda für Homosexualität" gegenüber Minderjährigen verbietet, 2013 mit seiner Unterschrift landesweit in Kraft. Seitdem wird in Russland jeder bestraft, der sich in Anwesenheit Minderjähriger positiv über Homosexualität äußert. Bei Verstößen drohen Geldbußen und sogar bis zu 90 Tage Haft. Ausländer können zusätzlich noch ausgewiesen werden.

Nawka ist ebenfalls keine Unbekannte in der russischen Politiklandschaft. Seit 2015 ist sie die Ehefrau von Dmitri Peskow - Leiter der Russischen Präsidialverwaltung und Pressesprecher Wladimir Putins. Somit kann eine politische Motivation nicht komplett ausgeschlossen werden, gerade so kurz vor den anstehenden Duma-Wahlen im Herbst 2021.

Hasskommentare, Homophobie und Fake-News

Die Behauptung, dass es in Russland keine rhythmische Sportgymnastik für Männer gebe, ist falsch. Im Jahr 2005 gewann der Russe Aleksander Buklow bei der Weltmeisterschaft in männlicher rhythmischer Sportgymnastik, an der zwölf Länder teilnahmen. Und erst Anfang dieses Jahres fand in Russland die erste Junioren-Meisterschaft in männlicher rhythmischer Sportgymnastik statt.

Cristofer Benitez, rhythmischer Sportgymnast | Privatbild
Der 31-jährige Cristofer Benitez stammt aus Tenerifa und ist eine Größe in der Sportgymnastik-SzeneBild: privat

Trotzdem wird die Sportart eher als Frauensportart angesehen. Besonders verstärkt wird diese Meinung dadurch, dass rhythmische Sportgymnastik zwar seit 1984 bei den Olympischen Spielen vertreten ist, aber - genau wie beim Synchronschwimmen - nur Wettbewerbe für Frauen stattfinden. Dabei existiert das männliche Pendant dazu schon seit den 1940er Jahren. Geburtsort war Japan. Heute existiert neben Japan ein weiteres Land, welches die männliche rhythmische Sportgymnastik besonders stark fördert: Spanien.

Auch wenn Tatiana Nawkas Posts in Spanien und Russland für viel Aufsehen gesorgt haben, so beteuert Cristofer Benitez, dass ihm Nawkas Meinungsäußerung "in das eine Ohr reingeht und aus dem anderen wieder rauskommt". Man solle sie nicht so ernst nehmen, denn immerhin sei sie die Frau von Putins Pressesprecher - da könne man nicht viel anderes erwarten.

Jennifer Pahlke, Autorin
Jennifer Pahlke Korrespondentin