Hobby-Detektive mit Handy
20. Februar 2004
"Bankraub, Polizei sucht zwei ca. 30jährige Männer, Jeans, schwarze Jacken, flüchtig mit gelbem 5er BMW, Dortmunder Kennzeichen. Hinweise 110." So oder so ähnlich lauten die Fahndungs-Kurznachrichten der Polizei, die in Sekundenschnelle hundertfach auf den Handys erscheinen. Wer will, erhält zielgerichtet Fahndungsaufrufe oder Vermisstenmeldungen per SMS - und wenn vorhanden, auch gleich ein Foto des oder der Gesuchten. Viele Augen sehen eben mehr als wenige.
Busfahrer als Fahnder
Die Polizei setzt vor allem auf die freiwillige Mitarbeit von Bürgern, die berufsbedingt viel auf Straßen und Plätzen unterwegs sind: "Das können Busfahrer; Taxifahrer, Fahrschullehrer oder auch Förster und Jäger sein, wenn man sich zum Beispiel Fälle vorstellt, bei denen ein Kind von einem Spielplatz am Wald verschwindet," erklärt Birgit Vetter vom Bundeskriminalamt. Die Beschreibung einer vermissten Person, eines flüchtigen Bankräubers oder eines geflohenen Häftlings bekommen nur die im Zuge der Fahndung ausgewählten Berufsgruppen auf ihr Handy. So würde man zum Beispiel nach einem Bankraub in der Innenstadt Busfahrer oder Taxifahrer heranziehen. Da mache es keinen Sinn, einen Förster mit einzubeziehen, sagt Birgit Vetter.
Erfolgreich erprobt
Die Sofortfahndung per SMS wurde bereits bundesweit von elf Polizeidienststellen getestet. Das Projekt sei positiv verlaufen, sagt Birgit Vetter: "Da wurde auf der einen Seite die Technik erprobt und auf der anderen Seite gab es auch einen Fahndungserfolg. Nach einem Hinweis von einem Fahrlehrer wurde eine hilflose Person gefunden."
Trotzdem ist Vorsicht geboten, damit das Projekt nicht an einem ganzen Heer von Möchtegern-Hilfssheriffs und übereifrigen Hobby-Fahndern scheitert. Wer Fahndungsmitteilungen auf sein Handy bekommen will, muss mindestens 16 Jahre alt sein und sich zunächst beim Bundeskriminalamt registrieren lassen.
Handy statt Fahndungsplakat
Die Betreiber der öffentlichen Verkehrsmittel stehen der SMS-Fahndung aufgeschlossen gegenüber. Auch vorher schon wurden die Bus- und Bahnfahrer an Fahndungen beteiligt; allerdings über Funk. Nun geht die Polizei eben mit der Zeit, so Ingo Priegnitz von der Berliner S-Bahn: "Ich denke, dass die SMS-Fahndung nichts anderes ist, als das klassische Fahndungsplakat auf die neue Technik zu transferieren. Internet, E-Mails, SMS: all das nutzen wir im Alltag mittlerweile für alle möglichen Dinge völlig selbstverständlich und da stellt sich die Frage, warum nicht auch für die Fahndung."
Im internationalen Vergleich stellt die Fahndung per SMS-Technik ein Novum dar. Verschiedene Länder haben schon ihr Interesse an der Technik angemeldet. In Deutschland allerdings werden jetzt die Stimmen gegen die SMS-Fahndung lauter: Bayern, Baden-Würtemberg und Rheinlandpfalz haben sich gegen die neue Handy-Fahndung ausgesprochen. Die Verfolgung von Straftätern sei Länder- und nicht Bundessache, so die Begründung. Mit der SMS-Fahndung weite das Bundeskriminalamt seine Zuständigkeiten ohne eine gesetzliche Grundlage zu Lasten der Länder aus.