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70 Jahre Konferenz von Jalta

Daria Bryantseva4. Februar 2015

Vor 70 Jahren haben Roosevelt, Churchill und Stalin in Jalta Europa geteilt. Heute knüpft Putin an Stalins Machtpolitik an, sagt der Kölner Historiker Jost Dülffer. Das sei eine sehr gefährliche Situation.

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Roosevelt, Churchill und Stalin auf der Konferenz von Jalta 1945 (Foto: gemeinfrei)
Bild: gemeinfrei

Am 4. Februar 1945 trafen sich die drei Staatschefs der allierten Mächte im Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland: Franklin D. Roosevelt (USA, im Bild Mitte), Winston Churchill (Großbritannien, li.) und Josef Stalin (UdSSR, re.). Sie konferierten im damals sowjetischen Badeort Jalta auf der Halbinsel Krim. Bei dem Treffen der "Großen Drei" ging es um die Aufteilung Deutschlands nach der Kapitulation und um die Gestaltung einer neuen Nachkriegsordnung in Europa. Über die Forderungen nach einer bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, nach Entnazifizierung und Entmilitarisierung waren die damaligen Großmächte von vornherein einig. Doch einige andere Fragen erwiesen sich als unlösbar - zu groß waren die Differenzen.

Die Halbinsel Krim, auf der Jalta liegt, sorgt auch aktuell für Störungen in der europäischen Friedensordnung. Im Interview mit der DW spricht der deutsche Historiker Jost Dülffer über die Bedeutung der Jalta-Konferenz, auf der 1945 über den Frieden diskutiert und Europa faktisch geteilt wurde.

DW: In Jalta konnten sich die "Großen Drei" einigermaßen einigen - der Frieden in Europa wurde zunächst gesichert. Doch schon wenige Monate später sah sich die Welt mit einem neuen Krieg konfrontiert - mit dem sogenannten "Kalten Krieg". Was ist damals schief gelaufen?

Professor Dr. Dülffer (Foto: Privat/DW)
Der Kölner Historiker Jost DülfferBild: privat

Jost Dülffer: Die Anti-Hitler-Koalition von Russen, Amerikanern und Briten hatte auch im Krieg nicht spannungsfrei gearbeitet. Aber in Jalta konnten sich die Alliierten noch einigen, was allen Seiten einen Ansatzpunkt für eine gemeinsame Nachkriegspolitik in Aussicht stellte. Doch zu einer konkreten Anwendung in der Diplomatie ist es nicht gekommen, dazu trugen die sich verschärfenden Spannungen bei. Man dividierte sich über bestimmte Fragen auseinander. Das war zunächst die polnische Frage: Die Sowjetunion ignorierte die polnische Exilregierung in London und setzte eine eigene Satellitenregierung ein. Die Frage war: Sollte man die anerkennen, bloß weil die Sowjetunion Polen von den Nazis befreit hatte?

Da war auch die Frage der Reparationen: Die USA weigerten sich auch schon in Jalta, die sowjetischen Forderungen nach Reparationen von Deutschland voll zu unterstützen, weil man sicher war, in ein zerstörtes Land zu kommen, das seinerseits zunächst Hilfe brauchte. Die Amerikaner waren darüber hinaus nicht bereit, das Geheimnis der Atombombe und der zivilen Nutzung der Kernenergie zu teilen. Das schuf Spannungen. Die Gemeinsamkeiten waren bis 1946/1947 aufgebraucht.

Spekulieren wir mal: Was würde man anders machen, wenn man wüsste, was wenige Jahre nach der Konferenz passiert?

Die Sowjetunion hat Osteuropa von deutscher Herrschaft befreit und wollte dann ihre eigenen Machtinteressen dort wahrnehmen. Gerade weil man das nicht anerkannte, kam es zur Konfrontation und zum Kalten Krieg. Die Schuld liegt auf beiden Seiten, weil die Westmächte zu wenig Verständnis für die Sowjetunion, auch für die Leiden der Sowjetunion hatten. Am Kalten Krieg waren die Sowjetunion, die Amerikaner und die Britten gleichermaßen beteiligt.

War schon in Jalta klar, dass man die Spaltung der Welt nicht vermeiden kann?

Jalta war eine von vielen Konferenzen, wo es um die Nachkriegsordnung ging und wo man sich diesbezüglich einigen wollte. Schon ein gutes halbes Jahr später gab es nur noch Außenminister-Konferenzen, in denen die Spaltung Europas sichtbar wurde. In Jalta war die noch nicht so manifest. Da gab es noch Chancen. Es kam aber zu einer Auseinandersetzung der Ideologien - des Kommunismus und des Kapitalismus. Jede Seite baute ihre Machtsphäre auf ihre Art und Weise aus - die Sowjetunion eher im militärischen Sinne, die Westmächte eher im wirtschaftlichen Sinne.

Konferenzteilnehmer in Jalta 1945 (Foto: gemeinfrei)
Die Alliierten bei den Beratungen über die Teilung Europas in JaltaBild: Imago/Leemage

Einige Historiker sehen Jalta als den Ort, wo der Westen Polen und andere Länder Osteuropas verraten hat. Sehen Sie das ähnlich?

Die Dinge kamen, wie sie kamen, zum Teil wegen einer einseitigen Handlung der Sowjetunion, zum Teil aber auch als Kompromisse. Die Westmächte konnten keinen Krieg mit der Sowjetunion anfangen in dem Moment, als Hitler-Deutschland noch nicht geschlagen war.

Wenn man es grob skizzieren würde, was hat Jalta der Welt gebracht? Was kann man heute, 70 Jahre danach, als positiv und was als negativ bezeichnen?

Zwei Monate nach Jalta wurde die UNO gegründet. Man hat über die Vereinen Nationen in Jalta eigentlich eher wenig gesprochen, aber man hat sich darauf geeinigt, dass die fünf Großmächte ein Vetorecht haben. Das war nötig im damaligen Staatensystem, aber diese Regel hindert die UNO bis heute daran, wirkungsvoller zu werden. Als positiv kann man ansehen, dass man sich auf einen Weg in den Frieden machte – noch während des Krieges.

Die heutige Situation in Europa hat seit einigen Jahren wieder Ähnlichkeit mit der damaligen Zeit. Putin knüpft in der Politik und in der Art des Auftretens an Stalins Machtpolitik an. Und das ist eine sehr gefährliche Situation. Wir haben geglaubt, dass nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes 1989/90 diese Teilung in unterschiedliche Machtsphären in Europa überwunden war. Wir müssen heute sehen, dass das heutige Russland, sehr viel kleiner als damals die Sowjetunion, jetzt genau auf die gleiche Schiene setzt, und das ist sehr bedenklich. Wir dachten, wir hätten es überwunden, wir haben es aber nicht geschafft.

Das Interview führte Daria Bryantseva.

Jost Dülffer ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Köln. Er ist Autor des Buches "Jalta, 4. Februar 1945. Der Zweite Weltkrieg und die Entstehung der bipolaren Welt".