Hilfsorganisationen brauchen lokale Partner
15. November 2013Allein aus Deutschland sind inzwischen fast fünfzig Hilfsorganisationen in dem Katastrophengebiet im Südosten der Philippinen im Einsatz. Die meisten von ihnen haben eigenes Personal in die Region geschickt, um die Hilfe vor Ort zu organisieren und Kontakt zu einheimischen Partnerorganisationen aufzunehmen. Diese wissen in der Regel am besten, welche Bedürfnisse die Menschen haben. "Für uns ist es ganz entscheidend, auf das lokale Wissen zurückzugreifen, um effizient helfen zu können", betont Rainer Brockhaus vom Bündnis Entwicklung hilft im Gespräch mit der Deutschen Welle. Dieser Zusammenschluss aus sieben Hilfsorganisationen entstand nach dem Tsunami im Jahr 2004, um den Einsatz in den Katastrophengebieten besser koordinieren zu können. "Die Organisationen innerhalb des Bündnisses haben unterschiedliche inhaltliche und geographische Schwerpunkte", so Brockhaus, "dadurch gibt es keine Konkurrenz untereinander und wir können Doppelarbeit verhindern." Dieses Ziel verfolgt auch die Aktion Deutschland hilft, zu der sich bereits 2001 zehn große Hilfsorganisationen zusammengeschlossen haben.
Hilfe kann auch Konflikte schüren
Doch nicht nur deutsche NGOs schicken Hilfsgüter, Ärzteteams, Wasseraufbereitungsanlagen, Medikamente, technisches Personal und nicht zuletzt auch ihre Pressesprecher in das Katastrophengebiet. Thomas Gebauer, Geschäftsführer von medico international, schätzt, dass bis zu 2000 Hilfsorganisationen aus aller Welt vor Ort im Einsatz sind, "die alle versuchen, ihren eigenen Anteil umzusetzen." Die UNO versuche zwar, die Arbeit der ausländischen Helfer in Bereichen wie der Gesundheitsversorgung oder dem Wiederaufbau von Häusern zu koordinieren. "Aber das gelingt nur begrenzt", räumt Gebauer ein und warnt: "Das schafft Probleme, mit denen die betroffenen Regionen und die Menschen nicht zurechtkommen können und führt zu einer Katastrophe in einem noch weiteren Sinne."
Internationale Hilfe für die Menschen in den vom Taifun verwüsteten Regionen sei dringend notwendig. Daran lässt Gebauer im Interview mit der DW keinen Zweifel. "Aber wenn die Hilfe die konkreten Bedürfnisse der Menschen vor Ort nicht berücksichtigt, dann kann es dazu führen, dass bestimmte Regionen ganz viel und andere nichts bekommen. Das sind Erfahrungen, die wir bei dem Tsunami 2004 und bei anderen Katastrophen schon gemacht haben." Das schaffe Ungerechtigkeiten, die zu Konflikten führen könnten, "die möglicherweise auch bewaffnet ausgeführt werden."
Die Rolle der Medien
Der Kontakt zu den Medien ist in dieser Situation besonders wichtig für die Hilfsorganisationen: zum einen als Informationsquelle, sagt Rainer Brockhaus vom Bündnis Entwicklung hilft, und zum anderen um die Spendenbereitschaft der Bevölkerung anzukurbeln: "Wir können unsere Arbeit nur tun, wenn die deutsche Bevölkerung uns unterstützt."
Weinende, verzweifelte Menschen, die um ihre Angehörigen trauern, die alles verloren haben und buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, verstörte, traumatisierte Kinder: Diese Bilder dominieren oft die Berichterstattung aus den Katastrophengebieten. "Sie zeigen die Menschen meistens als Opfer, aber nicht als Handelnde, die jetzt selbst aktiv werden und versuchen, mit den Widrigkeiten und den Folgen der Katastrophen zurechtzukommen", ärgert sich Thomas Gebauer von medico international. "Die Welt ist dann aufgeteilt in Hilfsempfänger, die Elend erfahren und Not leiden, und denen man als Geber zur Seite steht." Dabei sind die philippinischen Partner und Helfer von besonderer Bedeutung, um die Hilfe jetzt schnell und effizient zu organisieren. Sie sind vor Ort vernetzt, sie kennen die geographischen Gegebenheiten und haben Kontakt zu den Behörden.
Langfristige Lösungen sind nötig
Ob ein Naturereignis wie ein Taifun zur Katastrophe wird, hängt auch davon ab, wie gut ein Land oder eine Region darauf vorbereitet ist. Auf diesen Zusammenhang weist der diesjährige Weltrisikobericht hin, den das Bündnis Entwicklung Hilft zusammen mit der Universität der Vereinten Nationen herausgegeben hat. Dass internationale Hilfe für die Menschen auf den Philippinen jetzt dringend nötig ist, wird niemand bestreiten. "Aber die große soziale Ungleichheit ist das eigentliche Problem, und das tritt im Moment in den Hintergrund", sagt Thomas Gebauer. "Diese Art von Hilfe trägt auch immer dazu bei, die realen Ungleichheiten zu verschleiern".
Ähnlich wie nach dem Tsunami 2004, dem Erdbeben in Haiti vor drei Jahren und den Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr, rechnen die deutschen Hilfsorganisationen mit einer großen Spendenbereitschaft der Bevölkerung. "Wir werden das Geld so schnell wie möglich einsetzen, sofern wir es sinnvoll verwenden können", verspricht Rainer Brockhaus. Einen Zeitrahmen von zwei Jahren hält er für realistisch.