Deutsche Hilfe in Afghanistan
19. Juli 2010Vor allem fiel in den vergangenen Monaten kaum mehr auf, dass viele Helfer nach einer Pause inzwischen wieder in größerem Umfang in Afghanistan arbeiten. So wie die Organisation "Ärzte ohne Grenzen", die nach 24 Jahren Konsequenzen ziehen musste, nachdem fünf ihrer Mitarbeiter allein in einem Jahr erschossen wurden.
"Das war ein solcher Schock, dass wir Afghanistan verlassen haben", beschreibt der Vorstandsvorsitzende Tankred Stöbe die Entscheidung. Nachdem man aber gesehen habe, dass sich die medizinische Versorgung in dem Land nicht besserte, wurde mit allen Konfliktparteien gesprochen. Und beschlossen, zurückzukehren.
Hilfe braucht Anerkennung
Viele Hilfsorganisationen, die ihre Arbeit in Afghanistan fortsetzen, haben die Anzahl ihrer ausländischen westlichen Kräfte reduziert. Sie wollen Konflikte vermeiden. Das größte Hindernis seien nicht nur die kriegerischen Auseinandersetzungen, sondern die Anerkennung bei Bevölkerung und örtlichen Machthabern.
Tankred Stöbe erinnert sich an eine Konferenz in Kabul im Februar. Dort habe er einen Vertreter des Gesundheitssystems gefragt, wie westliche Hilfsorganisationen wahrgenommen werden. Die Antwort: Sie werden so lange toleriert und anerkannt, wie sie politisch unabhängig für alle Afghanen arbeiten.
Hilfe muss unabhängig sein
Immer wieder trauen sich Hilfsorganisationen auch in gefährliche Regionen. So sind deutsche Ärzte im gefährlichen Distrikt Helmand in einem von nur zwei Krankenhäusern engagiert. Entscheidend für ihren Erfolg ist, dass sie sich von den Interventionstruppen abgrenzen. Medizinische Hilfe muss unabhängig sein von militärischen Akteuren, sonst drohen Probleme, wird Tankred Stöbe konkret. "Patienten haben dann Angst und kommen nicht. Die Konsequenzen sind meist tödlich."
Nach wie vor gibt es viele Landstriche Afghanistans, in denen Hilfsorganisationen sich weitgehend unbehelligt bewegen können. So baute die Vereinigung "Shelter now" eine Zahnklinik in Herat, in der Zahnärzte sogar nach deutschem und europäischem Standard ausgebildet werden. Udo Stolte von der deutschen Sektion bedauert allerdings, dass Hilfe in manchen Gebieten - wie dem der Paschtunen – ungleich schwieriger sei. Es sei traurig, dass dort nur wenige Organisationen arbeiten.
Korruption gefährdet Hilfsangebote
Wie und wo auch immer die Hilfsorganisationen sich in Afghanistan verteilen - sie begegnen Korruption in den Amtsstuben. Die Verantwortlichen möchten häufig an den Hilfsangeboten beteiligt werden. Offen will darüber niemand sprechen, nicht einmal die Hilfsorganisationen. Sie befürchten Konsequenzen, wie sie Udo Stolte beschreibt. Die Regierung in Kabul untersuche die Organisationen gerade sehr gründlich, bereits rund 1000 seien in den vergangenen Monaten verboten worden.
Diese Kontrollen dienten nicht nur der Untersuchung auf Effizienz und Nachhaltigkeit von Hilfsprojekten. Sie bieten auch die Möglichkeit, auf "Kooperationswilligkeit" zu testen. Schmiergelder lehne man allerdings aus ethischen Gründen ab, versichert der Shelter-now-Mitarbeiter.
Das Wichtigste ist Weitermachen
Von den Verhältnissen in Afghanistan dürfe man sich nicht abschrecken lassen, meint Udo Stolte. So gäbe es auch Maßnahmen, die Korruption und Bestechung ausklammern. "Wir investieren viel Zeit in starke und vertrauensvolle Beziehungen zu den Menschen vor Ort."
Über die genaue Zahl der in Afghanistan engagierten Hilfskräfte gäbe es keine offiziellen Zahlen an zentraler Stelle. Aber in einem ist er sich mit anderen Helfern: Afghanistan steht auf der Kippe. "Uns bleibt keine Wahl. Wir müssen weiter machen, sonst fällt Afghanistan ins Chaos zurück."
Autor: Wolfgang Dick
Redaktion: Michael Borgers