Hilfe für Frauen in Not
6. März 2013Einen Standard-Weg ins Frauenhaus gibt es nicht. Vielleicht haben Nachbarn gehört, wie ein Mann seine Frau misshandelt, und die Polizei gerufen. Dann bringen die Wachmänner die Frau in eines der sicheren Häuser, deren Adressen geheim sind. Oder die Frau hat gerade einen Klinikaufenthalt hinter sich und kommt ins Frauenhaus, bevor ihr Mann sie ein weiteres Mal krankenhausreif schlägt. Oder ein Kindergarten stellt den Kontakt her, weil der Erzieherin auffällt, dass ein Kind völlig verstört oder sogar selbst verletzt ist. Auch über Schulen, Anwaltskanzleien und Arztpraxen finden Frauen in Not ins Frauenhaus.
Sicherheit und Beratung
"Die Wege sind sehr vielfältig", sagt Elsa Bleeck der DW. Die ruhige Frau mit den Falten um die Augen, die durch Lachen entstanden sein könnten, die der Betrachter aber auch als Zeichen von Erschöpfung interpretieren kann, arbeitet seit fast 25 Jahren bei "Frauen helfen Frauen". Der Verein betreibt in Bonn eine Beratungsstelle gegen häusliche Gewalt und ein Frauenhaus. Es hat 22 Betten und steht unscheinbar in einer Häuserzeile, an einem Ort, den nur Mitarbeiterinnen und Bewohnerinnen kennen. Für Frauen, die hier Zuflucht suchen, kann die Anonymität lebenswichtig sein. Einige sind gerade noch einem krankhaft eifersüchtigen Ehemann entkommen oder einem Vater, der ihren Lebensentwurf für unehrenhaft hält. Frauen können mit ihren Kindern einziehen und so lange bleiben wie nötig.
An die Beratungsstelle wenden sich Frauen, die nicht in einer akuten Bedrohungssituation sind. Körperliche Gewalt ist ein Thema, aber nicht das einzige. "Eine Frau muss ja nicht mit einem blauen Auge zu uns kommen", sagt Elsa Bleeck. "Es genügt, wenn der Mann sie gängelt oder einsperrt, sie an Sprachkursen hindert, oder sie immer kontrollieren möchte. Das ist auch eine Form von psychischer Gewalt."
Angebote mit niedriger Hemmschwelle
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder von der Christlich Demokratischen Union (CDU) hat eine neue Telefonhotline ins Leben gerufen, die am Mittwoch (06.03.2013) in Berlin frei geschaltet wurde. Nach Erlebnissen mit häuslicher oder sexueller Gewalt können Frauen sich unter der Nummer 030/611 03 00 an das Hilfstelefon wenden, das rund um die Uhr besetzt ist. "Damit schaffen wir ein niedrigschwelliges und kostenloses Hilfeangebot, das jederzeit und ortsunabhängig zu erreichen ist", sagte Schröder der Leipziger Volkszeitung. Interessierte können sich auf der website www.big-hotline.de noch weiter über das Angebot informieren.
Das Internetforum "gewaltlos.de" vom Sozialdienst katholischer Frauen ist ein Angebot mit einer noch niedrigeren Hemmschwelle, sagt Mitbegründerin Angelika Wiedenau vom Ortsverband in Köln der DW. Frauen und Mädchen, die Hilfe suchen, melden sich im Chatroom mit einem anonymen Spitznamen an und können mit Beraterinnen Kontakt aufnehmen. Für die meist jungen Frauen sei es schwierig, ihre Erfahrungen mit Gewalt oder Belästigung in Worte zu fassen. Dabei helfe das Chatroom-Format, so Fachbereichleiterin Wiedenau: "Es ist einfacher, sich Probleme von der Seele zu schreiben. Außerdem muss man nicht direkt antworten, sondern kann auch erstmal nachdenken." Im Idealfall bleibt es aber nicht beim virtuellen Kontakt. Das Ziel von "gewaltlos.de" ist, den Frauen einen Ansprechpartner im realen Leben zu vermitteln.
Vollständiger Schutz ist nicht möglich
Der menschliche Kontakt, die offene Tür eines sicheren Zuhauses: Das ist es auch, was ein Frauenhaus neben Angeboten wie Telefon-Hotlines und Chatrooms so wichtig macht, sagt Elsa Bleeck. Sie sitzt in der Beratungsstelle von "Frauen helfen Frauen" an einem runden Holztisch, hinter ihr in einer Ecke liegt ordentlich zusammen geräumtes Kinderspielzeug. "Eine telefonische Beratung kann niemals ein Haus ersetzen, wo man wirklich Sicherheit findet", sagt sie mit Überzeugung in der Stimme, "ein Haus, wo man mit seinen Kindern hin kann, wenn man gefährdet ist, wo man sich sicher fühlt, und wo man in Ruhe schlafen kann."
Aber der sichere Kosmos, den sich Frauen im Frauenhaus langsam wieder aufbauen, lässt sich nicht unendlich weit dehnen. Außerhalb der vier Wände ist das Glück zerbrechlich. Auf die Frage, was sie am meisten mitgenommen hat in ihren 25 Jahren Arbeitsleben, muss Elsa Bleeck nicht nachdenken: "Was einen nie loslässt, ist, wenn eine Frau es nicht überlebt." Ruhig und gleichmäßig, nur ein bisschen langsamer als vorher, erzählt sie mit ihrer angenehmen Stimme von dem Undenkbaren. "Seit ich hier arbeite, sind drei Frauen in der Zeit, in der sie bei uns waren, von ihren Männern umgebracht worden. Das ist nicht im Frauenhaus passiert, sondern draußen, aber es ist in der Zeit passiert, in der sie noch bei uns gewohnt haben. Und wir konnten sie nicht davor schützen."
Startpunkt für ein neues Leben
Das gilt es eben zu verhindern. Jetzt wird Bleeck wieder entschiedener. Sie möchte nicht die schlimmsten Fälle in den Vordergrund stellen, sondern die positiven Entwicklungen, die sie bei ihrer Arbeit beobachtet: "Wenn Kinder für ein paar Monate im Frauenhaus sind, merken sie: Sie müssen keine Angst mehr haben, sie müssen nicht mehr denken 'Kommt gleich jemand hier um die Ecke und macht Terror?'", sagt Bleeck. "Es ist wirklich eine Freude zu sehen, wie sie dann aufblühen und in einem anderen Zustand das Frauenhaus wieder verlassen."
Diese Verwandlung findet auch bei den erwachsenen Bewohnerinnen statt. "Hier leben Menschen, die Schlimmes erlebt haben, die aber merken, wenn diese schlimmen Erlebnisse nicht mehr da sind, kann sich das Leben auch ganz anders anfühlen." Elsa Bleeck lächelt. "Das ist schön, solche Wege begleiten zu dürfen."