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We love music

9. Mai 2011

Düsseldorf ist Gastgeber des diesjährigen Eurovison Song Contest. Düsseldorf hat die geeeignete Arena und als Musikstadt Tradition. Das entdeckte eine Britin, die dafür eine eigene Stadtführung "komponierte".

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Symbolbild: Hände ragen in die Luft und strecken sich nach einem ESC-Ticket (Foto: DW)
Hipp - die Musikmetropole DüsseldorfBild: Eurovision, Robert Kneschke – Fotolia.com, DW

Es war pure Neugier, die Caroline West auf die Idee brachte. Die Britin, die seit sechs Jahren in Düsseldorf lebt, mag die Stadt so sehr, dass sie sich täglich aufs Neue auf Spurensuche begibt, um Menschen und ihre Geschichten zu entdecken. Die frühere Designerin fand so heraus, dass renommierte Musiker in der Vergangenheit und heute in der Metropole am Rhein gelebt und gewirkt haben. Aus ihren entdeckten Spuren heraus, entwickelte sie eine eigene Stadtführung, die auf den musischen Spuren Düsseldorfs entlang führt.

Auf den Spuren historischer Töne und Taktstöcke

Der Stadtrundgang beginnt in der Altstadt, wo sich 260 Kneipen auf einem einzigen Quadratkilometer aneinanderreihen und wo in diesen Tagen überall Fahnen wehen, die auf den Eurovison Song Contest hinweisen. Auf allen Plätzen erklingt Musik aus Lautsprechern oder sie wird "unplugged", live auf Instrumentern von Kleinkünstlern produziert. Jan Wellem würde das wohl gefallen, der stolz, als gegossene Figur, hoch zu Ross, von seinem Denkmal auf dem nach ihm benannten Platz auf das Fußvolk schaut.

Der Kanadier Tim D.Morand (li.) und die Britin Caroline West, Stadtführer in Düsseldorf (Foto: DW)
Musikliebhaber Tim D. Morand und Caroline WestBild: DW

Caroline West heißt die Musikfreunde auf Englisch willkommen, Tim D. Morand, Düsseldorfer mit kanadischem Pass, fragt singend zur Einstimmung "Ja, sind wir im Wald hier, wo blebt unser Altbier?" um sofort das Karnevalslied "von der längsten Theke der Welt", wie die Altstadt genannt wird, fortzusetzen. Danach erklärt er auf Deutsch, dass hier schon im 16. Jahrhundert opernähnliche Gesangsstücke zur Aufführung kamen.

"Jan Wellem", der der frühere Kurfürst, der eigentlich Johann Wilhelm hieß, drückte der Stadt im 18. Jahrhundert seinen Stempel auf. Der Adlige und seine Frau Maria Anna Josepha waren bestrebt, die Kunst und Musik in der Stadt zu fördern und zu etablieren.

Skizze vom Jan Wellem-Platz, gefertigt von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Anschauungsmaterial während einer Stadtführung (Foto: DW)
Kunstwerk Mendelssohn-BartholdysBild: DW

Auch Felix Mendelssohn-Bartholdy war beeindruckt von Jan Wellem. Das zeigt eine Skizze, auf der der Komponist den Platz und das Denkmal mit dem Mäzen Jan Wellem porträtierte, zwei Tage nach dem er hier als städtischer Musikdirektor seine Arbeit aufgenommen hatte - am 27. September 1833.

Die dauerhafte Verbindung von Kunst und Musik

In der Lamberti-Kirche probten Felix Mendelssohn-Bartholdy und sein Nachfolger als Musikdirektor, Robert Schumann. "Die Akustik ist wunderbar", nennt Tim D. Morand den Grund.

Das zeitgenössische Porträt zeigt den deutschen Komponisten Robert Schumann (1810-1856) und seine Ehefrau, die deutsche Komponistin und Pianistin Clara Schumann (1819-1896) (Foto: dpa)
Robert und Clara Schumann waren DüsseldorferBild: PA/dpa

Schumann war ein Musikbesessener. In nur drei Monaten komponierte er seine 3. Sinfonie in Es-Dur, die sogenannte Rheinische Sinfonie. Seine Stücke sind noch heute populär, seine Werke gehören zum Repertoire eines jeden Musikschülers. Schumann erlebte eine intensive Zeit am Rhein. Sie war geprägt von Leid und voller Liebe zur Konzertpianistin Clara Schumann. Allerdings gab es da auch noch einen Dritten im Bunde, der junge Kollege Johannes Brahms, der zeitweise bei den Schumanns in der Bilker Straße zur Untermiete wohnte, auch er liebte Clara - ob platonisch oder nicht, ist bis heute nicht bekannt.

Schumann und sein Selbstmordversuch am Rosenmontag

Schumann litt an Syphillis und hatte manische Depressionen. Anfang Februar 1854 stand er mitten in der Nacht auf und verlangte nach Licht, weil er glaubte, von Franz Schubert ein Musikthema erhalten zu haben. Der österreichische Komponist war aber schon 26 Jahre zuvor verstorben.

Am 27. Februar 1854 stand Schumann auf, ging nur in seinem Nachtgewand gekleidet, in der Kälte hinunter zum Rhein, nahm dort seinen Ehering vom Finger, warf ihn in den Fluss und stürzte sich anschließend in die Fluten. Doch Schumann wurde gerettet und in seinem jämmerlichen Zustand nach Hause gebracht, vorbei an den Karnevalisten, die in den Straßen feierten.

Konzerthalle statt Planetarium

Die Tonhalle in Düsseldorf (Foto: BY)
Die Düsseldorfer TonhalleBild: BY Hans-Jürgen Wiese

Am Rhein steht heute ein imposanter Konzertsaal, in der internationale Künstler wie Sting auftreten. Schwangere lauschen dort, mit ihren Babys im Bauch, liegend bei "Ultraschall-Konzerten" klassischer Musik. Die Tonhalle ist von weitem gut zu erkennen an den ziegelroten Mauersteinen und dem grünen Kuppeldach. Sie wurde 1926 gebaut, im Rahmen der Gesundheits- und Sozialfürsorge-Messe. "Heute würde man dazu Life-Style-Messe sagen", erklärt Tim D.Morand. Die Halle war als Planetarium konzipiert, als damals weltgrößte Sternenwarte. Später entwickelten Spezialisten und Toningenieure ein ausgeklügeltes System mit geometrischen Figuren, das sie in die runde Kuppel einbauten, die den Schall perfekt reflektieren.

Hohe Kunst auf kleinem Raum

Gleich hinter der Tonhalle wird auf höchstem Niveau geprobt, in der Robert-Schumann-Hochschule, an der international gefragte Professoren lehren und die Musikschüler aus der ganzen Welt anlockt. Einen Katzensprung weiter können die Studenten am Abend abrocken. Das "Stone" im Ratinger Hof, war ursprünglich Tanztee-Lokal, dann der "Hotspot" der 70er und 80er Jahre und ist auch heute noch eine Kult-Disko. Der Legende nach soll sich Campino, der Gründer der Pop-Band "Die Toten Hosen" hier einmal Geld geliehen haben, nachdem er sein eigenes in Bier investiert hatte und die nächtliche Busfahrt nach Haus nicht mehr bezahlen konnte.

Das "Stone" im Ratinger Hof, Kult-Disko in der Düsseldorfer Alstadt (Foto: DW)
Musik-"Institution" - das "Stone"Bild: DW

Schräg gegenüber des "Stone" ging die Party früher weiter, in Deutschlands erster Diskothek "Creamcheese", benannt nach Frank Zappas Song "Suzy Creamcheese. Mit ihrer 20 Meter langen Theke, 24 laufenden Fernsehern und der von dem Bildhauer Günther Uecker gestalteten Lokal war das Creamcheese bei der Eröffnung 1967 die aufsehenerregendeste Kneipe Deutschlands.

Hier trafen sich regelmäßig Künstler wie Joseph Beuys, der 1986 in Düsseldorf starb. Der Südkoreaner Nam June Paik, später Professor für Video- und Medienkunst an der Kunstakademie, richtete im "Creamcheese" eine Videoinstallation ein.

Auf den Spuren von Kraftwerk

An der Kunstakademie studierte und lehrte auch Gerhard Richter, der in der britischen Tageszeitung "The Guardian" als der erfolgreichste lebende Maler der Gegenwart bezeichnet wird. Zu Richters Schülern zählte Emil Schult, der das Plattencover für das Album "Autobahn" der Düsseldorfer Gruppe Kraftwerk entwarf.

Die Düsseldorfer Elektro-Popband Kraftwerk hat sich seit der Gründung 1970 auf elektronische Stücke spezialisiert, die zahlreiche Musikstile beeinflusste."Warum wurde Kraftwerk eigentlich so erfolgreich?", fragt Tim D.Morand, um sich und seinen Gästen die Antwort zu geben. "Damals in den 60er Jahren stellten die Bandgründer Ralf Hütter und Florian Schneider fest, dass sie in einer Jugend ohne jegliche kulturelle Identität aufgewachsen waren."

In den zum Teil bewusst monotonen Arrangements geht es der Gruppe um moderne Technik und die Beziehung zum Menschen. Der Klassiker, die Platte "Autobahn" war damals 22 Wochen in den US-Charts notiert.

Zwei Geheimtipps und Einblicke hinter die Kulissen

Hitverdächtig sind ebenfalls die Aufführungen der Deutschen Oper am Rhein erklärt Tim D. Morand im Flüsterton, wenn gerade die Künstler proben oder die Bühne für eine Aufführung gestaltet wird. Hier befindet sich die Wirkungsstätte von Martin Schläpfer, der als Leiter des Ballett-Ensembles, zum Choreografen des Jahres gewählt wurde.

Tim D. Morand, Stadtführer, vor dem "Salon des Amateurs" in der Kunsthalle Düsseldorf (Foto:DW)
gut getarnt: "Salon des Amateurs"Bild: DW

Zum Schluss führen Caroline West und Tim D. Morand ihre Gruppen vom Opernhaus noch geradewegs über die Straße zur Kunsthalle, wo die Führung endet. Dort weisen sie auf einen Nebeneingang und das unscheinbare Schild "Salon des amateurs". "Wenn es neue Musik gibt, die nach Düsseldorf kommt, dann muss man da rein", raten die beiden Führer. In dem Künstlertreff kann man mit etwas Glück jungen Talenten lauschen, die Piano mit den Ellenbogen oder Füßen spielen. Und wer Jazz mag, der kommt bei der Jazz Rally, dem größten Festival dieses Musikstils im Juni auf seine Kosten.

Autorin: Karin Jäger
Redaktion: Arne Lichtenberg