Hegel und seine Philosophie des Weltgeistes
27. August 2020Mit ernstem Gesicht und stechendem Blick, die Mundwinkel leicht herunter gezogen – so zeigen überlieferte Bilder den Denker, der zum berühmtesten seiner Zeit werden sollte. Am 27. August 2020 vor 250 Jahren kam Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Stuttgart zur Welt. Er wird als ältestes von drei Kindern in Stuttgart geboren und wächst in einem pietistischen Elternhaus auf.
Wilhelm ist der Klassenprimus mit einer Vorliebe für Mathe und Latein. Zum Studium der Philosophie und Evangelischen Theologie schicken ihn die Eltern nach Tübingen, er soll Geistlicher werden. Im Tübinger Stift teilt er mit Friedrich Hölderlin (1770-1843) und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775-1845) ein Zimmer. Morgens um vier wecken sich die jungen Männer zum gemeinsamen Disput. Wer verschläft, muss zur Strafe seine Weinration abgeben.
Bewunderer der Französischen Revolution
Hegels Stiftsjahre fallen zusammen mit den Jahren der Französischen Revolution. Er bejubelt die politischen Umbrüche, ohne dabei ein kämpferischer Revoluzzer zu sein.
Nach seinem Studium plagen den jungen Hegel Geldsorgen. Er unterrichtet als Hauslehrer und schreibt journalistische Texte, bis er 1805 endlich Professor wird. Nebenbei arbeitet er an seinen Schriften. Seine wissenschaftliche Karriere startet verspätet, und er heiratet erst spät. Vielleicht liegt das daran, dass Hegel nicht unbedingt durch sein Äußeres besticht: Seine Mundwinkel sind fast immer nach unten gezogen, sein Blick ist von durchbohrender Strenge, und seine Rhetorik in schwäbischer Mundart soll miserabel gewesen sein.
Hegels Schrift gilt als schwer zugänglich. Auch deshalb wird seine Theorie bis heute äußerst unterschiedlich interpretiert. Einig ist man sich aber darin, dass Hegel der erste Philosoph war, der die Dimension der Veränderung, des "Werdens", in seiner ganzen Tragweite erkannt und bearbeitet hat.
Hegel geht davon aus, dass einfach alles auf der Welt in ständiger Bewegung ist: das Leben jedes einzelnen, die Natur, die Geschichte, die Gesellschaft. Dabei unterliegt jede Epoche einem bestimmten "Zeitgeist": Eine historische Epoche reiht sich nicht willkürlich an die nächste, sondern folgt einem logischen Bewegungsprinzip.
Die Welt in ständiger Veränderung
Hegel verwendet dafür als Metapher das Wachsen einer Pflanze: Auch hier gehorchen die Reifephasen einem inneren Prinzip. Für Hegel folgt die Geschichte einer vorgegebenen Logik, in der es immer wieder zu historischen Widersprüchen und Umwälzungen kommt. Es sind Dialektische Veränderungsprozesse, die die Menschheit und damit die Geschichte jedes Mal ein Stück weiterbringen, davon war Hegel überzeugt.
Seine Theorie des Werdens wandte Hegel auch auf Gott an, was ihm vor allem in der katholischen Kirche wenig Sympathie einbrachte. Denn Hegel war der Auffassung, dass Gott als Entität nicht immer schon a priori einfach da gewesen sei, sondern erst im Laufe der Weltgeschichte zu dem wurde, was er nun ist: ein "Weltgeist", der die Summe aller Epochen in sich vereint. Als Hegel dann auch noch sagte, dass er die katholische Lehre von der Transsubstantiation (Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi in der heiligen Messe/Anm.d.R.) für Humbug halte, musste er sich dafür offiziell entschuldigen und seine Äußerungen zurücknehmen.
Von eher linksgerichteten Denkern wurde Hegels Philosophie später als Ausgangspunkt für den Dialektischen Materialismus gesehen. Er übte maßgeblichen Einfluss auf Karl Marx und Friedrich Engels aus, die Hegels Geistphilosophie zu einer Theorie des Klassenkampfes weiterentwickelten. Für Hegel selbst war mit dem aufgeklärten Absolutismus seiner Zeit das krönende Ende der Veränderungen erreicht - er sah ein Höchstmaß an Freiheit im preußischen Staat verwirklicht.
Am 14. November 1831 starb Hegel in Berlin, wahrscheinlich an einem chronischen Magenleiden. In Erinnerung bleibt vor allem sein "Weltgeist".