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Gesellschaft

Hassrede trifft online vor allem Frauen

Anne Höhn
13. November 2018

Frauen und Mädchen, die online ihre Meinung sagen, sind die häufigsten Opfer von Hassrede und Mobbing im Netz. Eine Studie der EU legt offen, dass das vor allem eine Folge hat: Selbstzensur.

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Symbolbild Hate Speech
Vor allem Frauen sind online von Hassrede betroffenBild: DW/P. Böll

"Noch mehr dummes Gelaber für die Mülltonne!", "Deine Meinung braucht kein Mensch!": Ein fieser Kommentar unter einem Facebook-Eintrag, eine verletzende oder anzügliche Nachricht via Messenger oder einfach aggressive Gegenrede: Damit müssen sich die meisten Internetuser irgendwann einmal auseinandersetzen. Eine Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) hat jetzt allerdings festgestellt, dass junge Frauen und Mädchen überproportional oft belästigende oder aggressive Kommentare erfahren. Diejenigen, die am meisten unter Cybermobbing leiden, sind Mädchen.

Frauen zensieren sich selbst

"Ich habe zu große Angst meine Meinung online zu äußern", gab beispielsweise eine schwedische 15-Jährige auf die Frage nach ihrem Verhalten im digitalen Raum an. "Ich behalte meine Meinung für mich, weil ich weiß, dass es da draußen immer jemanden gibt, dem nicht passt, was ich poste." Eine gleichaltrige Teilnehmerin sagte: "Als Mädchen erntest du Hass, wenn du deine Meinung sagst oder über irgendetwas, das mit Sex zu tun hat." Neun Prozent der jungen Frauen gaben an, online bereits Opfer von Belästigung geworden zu sein. Dem gegenüber stehen sechs Prozent der jungen Männer, die befragt wurden. Weil junge Frauen anzügliche oder aggressive Kommentare ernten, haben viele keine Lust mehr, online an politischen Debatten teilzunehmen und ihre Meinung öffentlich auszudrücken. Jede zweite junge Frau hält sich den EIGE-Ergebnissen zufolge nach solchen Erfahrungen aus Diskussionen in sozialen Netzwerken heraus. Eine Erkenntnis der Studie lautet, dass dadurch das Bild vom politischen Engagement und der politischen Bildung junger Menschen verzerrt wird. Frauen und Mädchen wissen nicht weniger über die politischen Vorgänge Bescheid und sind auch nicht weniger interessiert. Das Verstummen dieser Gruppe bewirkt aber, dass junge Frauen noch weniger gehört werden als ohnehin schon. Und das, obwohl beide Geschlechter gleich intensiv online unterwegs sind: Neun von zehn Männern und Frauen zwischen 15 und 24 nutzen das Internet täglich. Sie sind laut Studie nicht nur die größte Konsumentengruppe von Online-Nachrichten, sondern auch die technisch versierteste europäische Generation.

Wenn junge Frauen sich nicht einmischten, entginge der ganzen Gesellschaft etwas, schreibt EIGE-Direktorin Virginija Langbakk in einem Artikel zur Studie. Das weibliche Potential, sich in die Politik einzubringen und Diskurse mit zu formen, ginge dann verloren. Und wie sollten junge Frauen motiviert werden, später in der Politik zu arbeiten, wenn sie schon im Netz bei einer politischen Debatte angefeindet werden?

Die Studie zur Geschlechtergerechtigkeit im digitalen Raum hat der EU-Ratsvorsitz in Auftrag gegeben, den aktuell Österreich innehat. Für die Ergebnisse, die unter dem Titel 'Gender equality and digitalisation in the European Union' veröffentlicht wurden, haben Forscher in zehn europäischen Ländern Experteninterviews geführt und vor allem mit Testgruppen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren diskutiert. Zusätzlich haben die Autoren die Onlineaktivität von 15 bis 24-Jährigen ausgewertet und beurteilt, wie diese sich im Internet sozial und politisch engagieren. Ein besonderes Augenmerk haben sie dabei auf die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Usern gelegt.

Soziale Netzwerke reproduzieren Geschlechter-Klischees

Das Problem taucht nicht nur bei politischen Debatten im Internet auf, sondern bei fast jeder Form von Austausch. Laut EIGE verstärken vor allem soziale Netzwerke problematische Geschlechterklischees. Von jungen Frauen werde erwartet, traditionelle Schönheitsstandards zu erfüllen, romantische Beziehungen zu führen und ein reges Sozialleben zu haben. Sie werden hingegen abgestraft, wenn sie "zu viel" von sich preisgeben, ihre eigene Meinung äußern oder über das eigene sexuelle Begehren sprechen. Mädchen müssen sich also ständig in einem guten Licht präsentieren, da sie ansonsten verurteilt und angegangen werden.

Junge Männer haben andere Probleme online: Sie sind regelmäßig Medieninhalten ausgesetzt, die Frauen zum Objekt machen und aggressives Verhalten tolerieren. Die EIGE-Testgruppe hat gezeigt, dass junge Männer, die online nicht dem Ideal von "Männlichkeit" entsprechen, von ihren Freunden gemobbt und unter Druck gesetzt werden. Etwa wenn es darum geht, Nacktbilder der eigenen Freundin in einer Jungs-Gruppe zu teilen. Auch, wenn das den Betroffenen oft unangenehm ist, wehren sie sich nicht. "Ich denke, Männer haben größere Schwierigkeiten über das zu sprechen, was ihnen online passiert. Selbst, wenn wir schlechte Erfahrungen machen, sprechen wir nicht darüber", wird ein schwedischer Junge in der Studie zitiert.

Dabei sollte das Internet doch prädestiniert dafür sein, ein gerechtes, weil für alle zugängliches Forum zu bieten. Dazu müsste allerdings die Achtsamkeit für die geschlechterspezifische Verhaltensweise online steigen. Das EIGE rät auch dazu, Gewalt im Internet als eine Form geschlechterspezifischer Gewalt einzustufen, da sie häufiger Frauen betrifft als Männer und gezielt die Partizipation von jungen Frauen in digitalen Räumen verhindert. Nur so könne verhindert werden, dass junge Frauen sich online zurückziehen und ihr Engagement verloren geht.