Drohten die USA Berlin im Fall Snowden?
21. März 2015Auf der von ihm mitgegründeten Onlineplattform "The Intercept" hat der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald ein Gespräch wiedergegeben, das er mit Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) geführt haben will. Demnach habe Gabriel auf Greenwalds Frage, warum Deutschland dem Whistleblower Snowden Asyl verwehrt habe, erläutert, dies läge an einer Drohung der US-Regierung.
Die Amerikaner hätten "aggressiv gedroht", Deutschland nicht mehr an den Erkenntnissen der Geheimdienste teilhaben zu lassen, schreibt Greenwald auf seiner Internet-Seite. Das hätte bedeutet, die deutsche Bevölkerung den Gefahren möglicher Anschläge auszusetzen, habe Gabriel dem US-Journalisten erklärt.
Gabriel lobte Greenwalds Arbeit
Der Politiker und der Enthüllungsjournalist waren sich am vergangenen Sonntag im saarländischen Homburg begegnet. Greenwald hatte dort den Siebenpfeiffer-Preis entgegengenommen, den er zusammen mit der Dokumentarfilmerin Laura Poitras für deren Einsatz für demokratische Grundwerte erhalten hatte. Die beiden Journalisten haben für den Film "Citizenfour" Informationen des damaligen Mitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden, über die massenhafte Ausspähung der Bevölkerung durch Geheimdienste aufbereitet und veröffentlicht.
Gabriel hatte die Laudatio für die Preisträger gehalten und deren Arbeit gewürdigt. Er hatte zudem betont, Deutschland müsse Snowden im Falle einer Einreise nach geltendem Recht an die USA ausliefern. Greenwald ließ diese Argumentation nicht gelten: Asyl sei ein weltweites Menschenrecht, kritisierte er in seiner Ansprache. Länder wie Deutschland, die besonders von den Enthüllungen Snowdens profitiert hätten, überließen es jetzt Russland, wo Snowden derzeit lebt, und südamerikanischen Staaten, das umzusetzen.
Wer sagt die Wahrheit?
Dass der Vizekanzler in einem anschließenden persönlichen Gespräch mit Greenwald über eine Drohung seitens der USA gesprochen habe, dementierte das Ministerium nicht. Auf Anfrage teilte es mit: "Sigmar Gabriel hat bei der öffentlichen Veranstaltung am 15. März 2015 auf die Rechtslage hingewiesen: Es gibt keine juristische Grundlage dafür, Edward Snowden in Deutschland Asyl zu gewähren."
Die US-Regierung dementierte unter anderem gegenüber dem Washingtoner Medium "The Hill" Greenwalds Darstellung. "Unsere Geheimdienst-Beziehung mit Deutschland hat Menschenleben gerettet", zitiert die Zeitung einen US-Vertreter. Auch künftig wolle man sich gemeinsam mit den Deutschen den Terroristen entgegenstellen.
Dank Snowdens Dokumenten war unter anderem herausgekommen, in welchem Ausmaß amerikanische und britische Geheimdienste die deutschen Bürger überwachten. Selbst das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten US-Geheimdienste abgehört.
nem/hf (dpa, The Intercept, FAZ, Der Spiegel)