Haager Gericht: Gefahr des Völkermords im Gazastreifen
26. Januar 2024Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat Israel aufgefordert, einen Völkermord im Gazastreifen zu verhindern, sieht von einer Forderung nach Ende der Kampfhandlungen aber ab. Taten, die auf einen Völkermord hinausliefen, müssten geahndet werden, erklärten die Richter in ihrer Entscheidung zu möglichen Sofortmaßnahmen im Gaza-Krieg. Zugleich müsse Israel sicherstellen, dass sich die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessere.
Nur teilweise Antrag Südafrikas entsprochen
Das Recht der Palästinenser, vor einem Völkermord geschützt zu werden, sei anzuerkennen, erklärte das Gericht. Insofern sei die Klage Südafrikas gegen Israel plausibel. Alle Parteien in dem Konflikt unterlägen dem internationalen Recht. Über die Lage im Gazastreifen äußerten sich die insgesamt 17 Richterinnen und Richter besorgt.
Das höchste UN-Gericht entsprach damit nur teilweise einem Eilantrag Südafrikas, das eine sofortige Einstellung der militärischen Handlungen gefordert hatte. Es ist eine erste Entscheidung in dem Völkermord-Verfahren. Südafrika hatte Ende Dezember Klage gegen Israel eingereicht. Das Gericht entschied damit noch nicht endgültig über den Hauptvorwurf des Völkermordes. Solch ein Verfahren kann sich über Jahre hinziehen.
Netanjahu: Israel kämpft "gerechten Krieg"
Israel, die USA und Deutschland halten die Klage für unbegründet. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu nannte es eine "Schande", dass sich der Gerichtshof überhaupt mit der Völkermord-Klage befasse. Israel kämpfe einen "gerechten Krieg" und werde seine Bevölkerung weiterhin beschützen, hieß es in einer Erklärung zu dem Haager Urteil. Dabei werde sein Land das internationale Recht einhalten. Der Krieg werde bis zum "absoluten Sieg" fortgesetzt, bis alle Geiseln befreit seien und vom Gazastreifen keine Gefahr mehr für Israel ausgehe, betonte Netanjahu.
Südafrika: "Entscheidender Sieg für internationales Recht"
Die Regierung Südafrikas hingegen sprach nach dem Gerichtsspruch von einem "entscheidenden Sieg für das internationale Recht". Die Einlassungen des Haager Gerichts seien "ein wichtiger Meilenstein in der Suche nach Gerechtigkeit für das palästinensische Volk", erklärte das Ministerium für Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit in Johannesburg. Es sei nun zu hoffen, dass Israel sich an das Urteil halte und es nicht wie öffentlich angekündigt ignorieren werde.
IGH-Urteile bindend, aber nicht durchsetzbar
Die Urteile des IGH sind für alle Parteien bindend, das Gericht hat jedoch keinen Mechanismus, um sie durchzusetzen. So hatte das Gericht etwa auch Russland aufgefordert, seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte bereits im Vorfeld erklärt: "Niemand wird uns aufhalten - nicht Den Haag, nicht die Achse des Bösen und auch sonst niemand".
Seit dem Großangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober, bei dem nach israelischen Angaben 1140 Menschen getötet und rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden, greift Israel massiv im Gazastreifen an. Nach nicht unabhängig überprüfbaren Hamas-Angaben wurden dort bisher über 26.000 Menschen getötet. Die Hamas wird von Israel, den USA, der EU, von Deutschland und noch anderen Staaten als Terrororganisation eingestuft.
sti/uh (afp, ap, dpa, rtr)