Architektur
Für manche Schüler war es die Hölle. Wie in einer Kaserne wurden sie interniert und traktiert - mit Griechisch, Hebräisch, Mathematik und Prügelstrafen. Einer von ihnen, der Autor Hermann Hesse, hat dieses harte Leben in der Klosterschule von Maulbronn vor 100 Jahren dokumentiert - in seiner Erzählung "Unterm Rad". Was der Literatur-Nobelpreisträger von 1946 nicht ahnen konnte: Der Ort seiner Leidenszeit ist zur Pilgerstätte für Touristen aus aller Welt geworden. Seit 1993 ist das Kloster Maulbronn Weltkulturerbe der UNESCO.
Magnet ohne Massenansturm
Nach der Auszeichnung verdoppelte sich die jährliche Besucherzahl im Kloster schlagartig. Die 6400-Einwohner-Stadt Maulbronn legt allerdings Wert darauf, kein Ziel für den Massentourismus zu sein. Hier ist der kulturinteressierte Gast willkommen, der sich Zeit nimmt für eine Besichtigung.
Jedes Jahr steckt das Land Baden-Württemberg Millionen Euro in die Bestandssicherung der am vollständigsten erhaltenen Klosteranlage nördlich der Alpen. Vor einigen Jahren wurden die jahrelangen Renovierungsarbeiten am Dach und am Chor der Klosterkirche beendet.
Eine Dauerbaustelle war das Zisterzienser-Kloster schon immer. Seit der Gründung im Jahre 1147 wurde die Anlage über Jahrhunderte hinweg in den Baustilen der jeweiligen Zeit erweitert, umgebaut und renoviert. Es entstand ein Dorf im Dorf: mit Ringmauer, Türmen, Jagdschloss, Mühle, Speisemeisterei, Fruchtkasten, Marstall, Vogtei, Herrenhaus, Küferei, Klosterspital, Gesindehaus, Schmiede, Scheune und weiteren Nebengebäuden.
Ereignisreiche Geschichte
Die Mönche sind schon seit über einem halben Jahrtausend fort. 1504 geriet das Kloster unter württembergische Herrschaft. Herzog Ulrich ließ eine Kanonenkugel gegen die Kirche feuern, um die Mönche zu vertreiben. Durch die Einführung der Reformation wurde die Kirche evangelisch. 1556 richtete Herzog Christoph im Kloster eine Schule ein. Dieses evangelische Seminar gibt es immer noch. Jugendliche können dort einen Realschulabschluss machen.
Hölle mit Paradies
Für Hesse war die Schule eine Hölle - mit einem Paradies mittendrin. Vor über 100 Jahren hat er es beschrieben, bis heute ist es so: "Wer das Kloster besuchen will, tritt durch ein malerisches, die hohe Mauer öffnendes Tor auf einen weiten und stillen Platz. Ein Brunnen läuft dort, und es stehen alte ernste Bäume da und zu beiden Seiten alte steinerne und feste Häuser und im Hintergrunde die Stirnseite der Hauptkirche mit einer spätromanischen Vorhalle, Paradies genannt." (pg/wa)