Härtere Gesetze für Integration
27. Oktober 2010Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat sich zu drastischen Bildern verleiten lassen: "Eine so starke Ausprägung von Parallelgesellschaften und eine so große Konzentration von Migranten mit mäßigem Integrationswillen" wie in Berlin finde man in kaum einer anderen deutschen Großstadt, beklagte er in der Zeitung "Tagesspiegel". Zudem sei dort die "Illusion" einer multikulturellen Gesellschaft bei Rot-Grün und den Linken besonders massiv verbreitet. Der sonst eher als zurückhaltend geltende Minister von der CDU stellt sich mit an die Spitze der neuen Ausrichtung der schwarz-gelben Regierung gegenüber Ausländern und Zuwanderern.
Harte Zeiten für so genannte "Integrationsverweigerer"
"Integrationsverweigerer", "Integrationsunwillige" - der Bundesinnenminister hatte zehn bis 15 Prozent der Zuwanderer in Deutschland dieser Gruppe zugeordnet. Die Beschreibung dieser "Verweigerer": Sie schotten sich ab, schwänzen Integrationskurse und ein Teil lehnt offenbar auch den deutschen Staat ab. 30 Prozent, so die Schätzungen seiner Behörde, absolvieren nicht den Deutschkurs oder brechen ihn vorzeitig ab.
Die Zahlen schienen also klar, nun will man in Berlin die Konsequenzen ziehen, vor allem nach den monatelangen quälenden Debatten bis hinein ins eigene Regierungslager. Das Kabinett brachte am Mittwoch (27.10.2010) die entsprechenden Gesetzentwürfe auf den Weg, begleitet von anhaltender Kritik der Opposition.
Kontrollen und Sanktionen
Um die Teilnahme an Integrationskursen zu gewährleisten, sollen deren Träger sich künftig besser mit den Behörden austauschen: mit den Ausländer-, Sozial- und Einbürgerungsbehörden. Das soll sicherstellen, dass Migranten, die zu einem solchen Unterricht verpflichtet sind, diesen auch wirklich besuchen. Außerdem könnte bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis überprüft werden, ob der Antragsteller seiner Pflicht zur Teilnahme an einem Integrationskurs nachgekommen ist. Verweigert er die Teilnahme, soll die Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung in Zukunft abgelehnt werden können. Auch beim Bezug von Hartz-IV-Leistungen drohen dann Kürzungen.
Die Änderungen zum Aufenthaltsrecht bedeuten laut Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aber keine schärferen Sanktionen. Ein neuer Tatbestand werde nicht geschaffen, die bereits bestehenden Sanktionsmöglichkeiten sollten nur in vollem Umfang auch genutzt werden, so die FDP-Politikerin.
Gelockert werden die Aufenthaltsbestimmungen für Asylbewerber und geduldete Ausländer. Sie sollen mehr Bewegungsfreiheit erhalten, um ihnen die Aufnahme einer Arbeit, eines Studiums oder den Schulbesuch zu erleichtern. Bisher ist ihre räumliche Bewegungsfreiheit in der Regel auf einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt beschränkt.
Rückkehrrecht für Opfer von Zwangsheirat
Wie angekündigt widmete sich das Kabinett auch dem Schutz ausländischer Frauen und Jugendlicher gegen Zwangsheirat und dem heiklen Thema Scheinehen. Zwangsverheiratungen galten bisher als "qualifizierte Nötigung". Nach den Vorhaben der Koalition soll die Verheiratung junger Migrantinnen gegen ihren Willen nun ein eigener Straftatbestand werden. Es drohen sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsentzug. Auch der Versuch soll strafbar sein.
Die Aufnahme ins Strafgesetzbuch ist für die liberale Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine "Klarstellung", daher auch ein "Fortschritt". Sie räumte allerdings ein, dass damit wohl "keine größere Abschreckung" verbunden sei. Auch die Strafverfolgung sei schwierig, da die Polizei auf Hinweise aus dem Umfeld des Opfers angewiesen bleibe, und in diesem Umfeld werde eine Zwangsheirat nicht als Unrecht bewertet. Zentrales Element - so Leutheusser-Schnarrenberger - bleibe die Einführung eines Rückkehrrechts für Frauen, die im Ausland in eine Ehe gezwungen worden seien.
Andere Koalitionspolitiker sprachen von einem deutlichen Signal, dass Zwangsverheiratung "kein Kavaliersdelikt" sei. Den Eltern müsse die "kriminelle Dimension" klar vor Augen geführt werden.
Zur Bekämpfung so genannter Scheinehen hat sich die Regierung zudem darauf verständigt, dass eine Ehe mindestens drei Jahre bestehen muss, bevor sie einem Ehepartner aus dem Ausland zu einem eigenen "Aufenthaltstitel" verhilft. Bislang lag die Grenze bei zwei Jahren. In Härtefällen sollen Betroffene dieses Recht auch schon schneller erhalten, zum Beispiel bei häuslicher Gewalt, so der Entwurf der christlich-liberalen Koalition.
Autor: Siegfried Scheithauer (afp,dapd,dpa,epd)
Redaktion: Reinhard Kleber