Schröder und Russland - der Bruch ist zwingend
28. Februar 2022Die russische Invasion der Ukraine hat so manchen Akteur zu einem Umdenken bewogen: Der FC Schalke 04 löst seinen gerade erst verlängerten Sponsoringvertrag mit Gazprom und der internationale Sport wird wie der Eurovision Song Contest künftig ohne Russland stattfinden. Nur einer hält felsenfest zu Russland und dem Diktator im Kreml: Gerhard Schröder.
Der Altkanzler ist für die deutschen Sozialdemokraten eine schwere Hypothek, eine nicht mehr zu tragende Last geworden. Mit seinem Diktum, bei Wladimir Putin handele es sich um einen "lupenreinen Demokraten" hat er sich schon seinerzeit lächerlich gemacht. Dass er nun aber nicht einmal angesichts der russischen Invasion in der Ukraine klar Position bezieht und Putin verurteilt, ist eines ehemaligen Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland unwürdig und letztlich eine Schande.
Weder Gespür noch ethisches Bewusstsein
Es ist daher völlig richtig, dass der neu gewählte SPD-Chef Lars Klingbeil Schröder auffordert, alle Geschäftskontakte mit Russland einzustellen. Schröder ist unter anderem Aufsichtsrat bei Gazprom und sogar Aufsichtsratsvorsitzender beim staatlichen Ölkonzern Rosneft, der vom Putin-Vertrauten Igor Setschin geführt wird. Es ist allerdings bezeichnend, dass man Schröder überhaupt zu diesem Schritt auffordern muss. Der ehemalige Bundeskanzler hat weder das Gespür noch das ethische Bewusstsein für sein Handeln.
Sollte er sich weiter widersetzen, sich nicht von Putin distanzieren und weiter von Russland bezahlen lassen, sollten ihm als Konsequenz das Büro und die Mitarbeiter, die die deutschen Steuerzahlenden finanzieren, entzogen werden. Entsprechende Vorstöße kamen bereits vereinzelt, richtig angegangen wurde das aber noch nicht.
Während mit Olaf Scholz zum ersten Mal seit Gerhard Schröders verlorener Kanzlerschaft im Jahr 2005 wieder ein Sozialdemokrat die Geschäfte der Bundespolitik führt, kann es nicht sein, dass sein Vorgänger die Bemühungen für Frieden und Stabilität in Europa öffentlich konterkariert.
Erinnerungen an Helmut Kohl werden wach
Die Situation erinnert an den Zustand der CDU im Zuge des Spendenskandals. Helmut Kohl hatte illegal Spenden für seine Partei angenommen und unter Verweis auf ein von ihm gegebenes "Ehrenwort" die Namen der Spender nicht genannt. Der Altkanzler legte auf Druck des Präsidiums den Ehrenvorsitz seiner Partei nieder und auch sonst wurde er zu einem Paria, der mit seinem Verhalten vieles von seinem Ansehen verlor, das er als "Kanzler der Einheit" und "großer Europäer" erworben hatte.
Die Union sollte sich daher lieber bedeckt halten, sollte sie versucht sein, Gerhard Schröders unappetitliches Verhalten für Oppositionsspiele zu verwenden. Wie seinerzeit in den Reihen der Christdemokraten sind heute bei den Sozialdemokraten viele entsetzt über ihren Altkanzler.
Der angeblich bestechliche Bundespräsident
Und eine weitere Parallele drängt sich auf: Christian Wulff. Dem Bundespräsidenten wurde seinerzeit nach unglaublichem medialen Druck der Prozess wegen Vorteilsnahme im Amt und Bestechlichkeit gemacht. Nach seinem Rücktritt wurde sogar gefordert, ihm kein Büro und keine Mitarbeiter zu zubilligen, wie es Bundespräsidenten sonst auf Lebenszeit zusteht. Das Gericht bescheinigte der von einem geschenkten Bobby Car in der Spiele-Ecke von Schloss Bellevue aufgeheizten Öffentlichkeit jedoch, dass an den ganzen Vorwürfen nichts dran war. Die Republik indessen hatte längst ihren jüngsten Bundespräsident verloren, der in Sachen Integration und pluraler Gesellschaft sicher noch hätte viele gute und wichtige Impulse hätte setzen können.
Dem Ansehen der Bundesrepublik hat dieser Prozess geschadet - und nicht die Person Christian Wulff. Im Fall Gerhard Schröder liegt der Fall umgekehrt: Der Altbundeskanzler schadet dem Ansehen Deutschlands. Dieser Zustand darf angesichts der Situation, in der sich der gesamte europäische Kontinent befindet, nicht anhalten. Ob Wladimir Putin etwas gegen Schröder in der Hand hat, ob der Altkanzler einfach "nur” ein störrischer, rechthaberischer, unbelehrbarer, alter Mann ist, spielt keine Rolle. Die demokratischen Parteien im Parlament sollten ihm gemeinsam die Privilegen entziehen, mittels derer er nach außen immer noch als Repräsentant der deutschen Demokratie in Erscheinung tritt.
Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs, Research Associate am Internet Institut der Universität Oxford und Honorarprofessor für Ethik und Theologie an der Leuphana Universität. Der promovierte Linguist und Theologe arbeitet zu Narrativen der Identität, der Zukunft der Demokratie und den Grundlagen einer säkularen Gesellschaft. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die freie Welt bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und der Universität von Cambridge inne. Von 2009 bis 2015 gab er als Chefredakteur das von ihm gegründete Magazin "The European" heraus.