Es war einmal im Flüchtlingsheim
27. Oktober 2016Fast ein Jahr hat der Kinderbuchautor Thomas Mac Pfeifer damit verbracht, Flüchtlingskinder in Deutschland zu interviewen und die Geschichten aus ihren Heimatländern aufzuschreiben. Ein Buch für Flüchtlinge - aber nicht nur. Jeder kann aus den Geschichten etwas lernen und erfahren, sagt der Autor. Und wünscht sich, dass das Buch auch andere Menschen erreicht. Im Interview mit der Deutschen Welle erzählt Thomas Mac Pfeifer,wie er auf die Idee kam und was das Buch für ihn bedeutet.
Herr Pfeifer, wie würden Sie Ihr Buch in eigenen Worten beschreiben?
Das ist das erste Vorlesebuch für Kinder, die aus Krisen- und Kriegsgebieten zu uns gekommen sind. Darin sind Erzählungen enthalten aus dem Irak, aus Afghanistan, aus Syrien und aus Afrika. Die Geschichten in dem Buch sind also jeweils in der Heimatsprache der Flüchtlingskinder verfasst und dann noch auf Deutsch und auf Englisch übersetzt. Ich habe diese Geschichten bewusst für die Kinder gesucht und gefunden. So lernen die Flüchtlinge auch nebenbei ein bisschen Deutsch und Englisch dazu. Ich hoffe, dass es bei der Lektüre Freude verbreiten wird.
Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben?
Ich habe mir vorgestellt, wie es den Kindern geht, wenn sie bei uns sind. Die liegen nachts in ihrem Bett, machen die Augen zu und sehen vielleicht die furchtbaren Bilder von Krieg und Zerstörung wieder. Also habe ich zuerst die Eröffnungsgeschichte geschrieben. Da liegen zwei geflüchtete Kinder im Bett und können nicht schlafen. Sie stehen auf und schauen gemeinsam aus dem Fenster und suchen sich einen Stern aus, den hellsten aller Sterne. Der wird ihr Freund, und den nennen sie dann "Lu-La-Lu-La-Lu". Dann gehen sie zurück ins Bett, machen die Augen zu und haben dabei das Gefühl, dass ein Stern Ihnen beim Schlafen zuguckt. So kam es zu dem Titel "Ein Stern, der in dein Fenster schaut."
Wie lange haben sie an "Ein Stern, der in dein Fenster schaut" gearbeitet?
Es hat schon so ein dreiviertel Jahr gedauert. Ich habe mir ein genaues zeitliches Limit gesetzt. Ich wollte zehn Geschichten aufschreiben, die mussten erst einmal gefunden werden. Es war viel Arbeit, passende Geschichten aufzutun. Vieles musste genauer überprüft werden, Übersetzungen mussten angepasst werden. Es gab auch Sprachhürden zu überwinden: Eines Tages kam eine E-Mail auf Arabisch, die der Computer irgendwie vermurkst hatte. Die war nämlich nicht wie sonst auf Arabisch von rechts nach links, sondern von links nach rechts geschrieben. Nur kann damit kein Araber etwas anfangen. Aber zum Schluss kamen doch genug Erzählungen zusammen. Aus Syrien und Afghanistan sind sogar mehrere dabei.
Ging Ihnen eine dieser Erzählungen besonders nahe?
Ja, da ist eine Geschichte aus dem Irak, erzählt von einem 13jährigen Mädchen. Sie heißt "Das Geheimnis des Jungen, der nur ein Auge hatte." Das war wohl eine Erzählung, die die Mutter dem Mädchen früher an der Bettkannte erzählte. Ich habe daran mit dem Mädchen und einer Übersetzerin zusammengearbeitet. Es ist eine traurige Geschichte, die mir schon sehr zu Herzen ging. Aber wie dieses Mädchen diese Geschichte mit strahlenden Augen erzählte! Das war etwas ganz Besonderes.
Die Gute-Nacht Geschichten in dem Buch richten sich an Flüchtlingskinder, aber was können deutsche Kinder und vor allem auch Erwachsene von den Erzählungen lernen?
Deutsche Kinder können die Geschichten durch die Übersetzung auch auf Deutsch lesen. Und meine Kinderbücher sind definitiv nicht ausschließlich an Kinder gerichtet. Das ist jetzt mittlerweile mein zehntes Kinderbuch. Ich habe dem mittlerweile verstorbenen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mal zwei meiner Bücher geschickt, damit er sie seinen Enkeln vorlesen konnte. Und er schrieb mir handschriftlich zurück: "Ihre Kinderbücher sind so schön. Die sind auch für Erwachsene schön." Das war schon ein großes Kompliment.
Hoffen Sie, dass Ihr Buch Menschen beeinflussen kann?
Es gibt viel Interesse an dem Buch. Es sind einige Lesungen in Flüchtlingsunterkünften geplant, das heißt, die Geschichten kommen auch wirklich dort an, wo sie hingehören. Wir haben auch ein Hörbuch in den Originalsprachen geplant, was sicher auch sehr interessant werden dürfte.
"Ein Stern, der in dein Fenster schaut" von Thomas Mac Pfeiffer ist im MEDU-Verlag erschienen. Thomas Mac Pfeifer arbeitet als Autor und Journalist in Berlin und Bad Kissingen. Das Buch widmet der Autor geflüchteten Kindern aus aller Welt. Zuletzt sind von Mac Pfeifer unter anderem die Titel "Ein bunter Hund geht durch die Stadt" und "Die kürzeste Weihnachtsgeschichte der Welt" erschienen – in 42 Sprachen.