1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nach dem Putsch in Guinea-Bissau ist die Lage unklar

Helena De Gouveia13. April 2012

Erst Mali, jetzt auch Guinea-Bissau. Schon das zweite Mal innerhalb weniger Wochen putschen Militärs ein westafrikanisches Land. Die Lage in dem Küstenstaat: chaotisch.

https://p.dw.com/p/14dmT
Soldaten im Militär-Hauptquartier in Bissau (Foto: dpa)
Militärputsch in Guinea-BissauBild: picture-alliance/dpa

Die Geschichte wiederholt sich in Guinea-Bissau. In der Nacht zum Freitag (13.04.2012) stürmten Soldaten den nationalen Rundfunksender und attackierten die Residenz von Premierminister Carlos Gomes Júnior. Der wollte eigentlich in zweieinhalb Wochen in die Stichwahl um das Präsidentenamt ziehen, galt sogar als Favorit. Doch jetzt herrscht in seinem Land Ausnahmezustand. Vom Regierungschef - keine Spur.

Regierungsspitze festgenommen

Ein Sprecher der Regierungspartei PAIGC versicherte zwar "Cadogo" sei wohlauf und an "einem sicherem Ort". Die Ehefrau des Premiers, Salomé Gomes, sagte jedoch, ihr Mann sei von aufständischen Militärs festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Auch der Interims-Präsident Raimundo Pereira soll von Soldaten festgenommen worden sein. "Offiziell gibt es keine Informationen über den Verbleib der beiden", berichtet Fernando Peixeiro, Journalist der portugiesischen Nachrichtenagentur LUSA in Guinea-Bissau. "Aber verschiedene Quellen berichten, dass der Interims-Präsident Raimundo Pereira in der Festung von Amura gefangen ist. Von Premierminister Carlos Gomes Júnior weiß man nicht, wo er ist. Er sei aber in Sicherheit."

Premierminister und Präsidentschaftkandida Carlos Gomes Junior (Foto: AP/dapd)
Gestürzter Premier: Carlos Gomes JúniorBild: dapd

Chaotische Zustände in Bissau

Kurz nach Sendeausfall des staatlichen Rundfunks am frühen Donnerstagabend donnerten Schüsse durch die Hauptstadt. Das Haus des Ministerpräsidenten wurde mit Panzerabwehrraketen beschossen. Die Militärs brachten die Zentrale der Regierungspartei PAIGC unter ihre Kontrolle und bezogen an strategisch wichtigen Punkten der Hauptstadt Stellung. Sie seien von Botschaft zu Botschaft marschiert, um zu verhindern, dass Politiker dort Zuflucht suchen könnten, berichteten Augenzeugen. "Viele Menschen sind geflüchtet, viele versuchten, vom Zentrum wegzukommen", sagt Peixeiro. "Zwischen 20 und 21 Uhr hörte man Maschinengewehrschüsse und Mörserfeuer. Das Gebiet, in dem der Premierminister und der Interims-Präsident wohnten, wurde abgeschottet". Am Freitag war die Lage in Bissau zwar ruhig, aber die Machtsituation noch ungeklärt.

Menschenmenge auf Straße in der Hauptstadt Bissau (Foto: epa)
Chaos auf den Straßen von BissauBild: picture-alliance/dpa

Putsch statt Wahlen

Für den 29. April war eine Stichwahl um das Präsidentenamt geplant. In der ersten Runde im März hatten weder Carlos Gomes Júnior noch der zweitplatzierte Kumba Yalá die erforderliche Mehrheit erhalten, um die Nachfolge des im Januar verstorbenen Präsidenten, Malam Bacai Sanhá, zu übernehmen. Nach der Wahl veröffentlichte der ehemalige Präsident Kumba Yalá zusammen mit vier weiteren Präsidentschaftsbewerbern eine Erklärung, in der er Betrugsfälle durch Mehrfachabstimmungen, "geheime Wählerlisten", fiktive Wahllokale und gefälschte Wahlbenachrichtigungen anprangerte. "Es gibt Beweise. Auch wenn es nur ein Wahlbezirk ist – das besagt schon, dass es ein Betrug ist und dass die Wahlen nicht legal oder legitim sein können", sagte Yalá. Beobachter der Afrikanischen Union, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS und der portugiesischsprachigen Staatengemeinschaft CPLP hatten die Wahl jedoch einstimmig als frei und fair eingestuft. Noch am Donnerstag, kurz vor dem Militärcoup, war Yalá mit den Worten zitiert worden: "Es wird keinen Wahlkampf geben, das garantiere ich".  Dieser Satz wird von Beobachtern so interpretiert, dass Yalá möglicherweise zu den Drahtzuiehern des Coups gehörte.

Fragiles Land

Seit der Einführung der Mehrparteien-Demokratie in den 90er Jahren konnte kein einziges Staatsoberhaupt Guinea-Bissaus die fünfjährige Amtszeit zu Ende bringen. Seit Jahren leidet das Land an Staatsstreichen, Putschversuchen und politisch motivierten Morden. 2009 wurde der damalige Präsident "Nino" Vieira von Uniformierten ermordet, nachdem kurz zuvor der Generalstabschef Tagme Na Waie bei einem Bombenanschlag getötet worden war. Die Täter sind bis heute nicht gefasst.

Wie instabil Guinea-Bissau ist, hatte zuletzt auch der Mord am ehemaligen Chef des militärischen Sicherheitsdienstes, Samba Djaló, in der Nacht nach den Wahlen am 18. März gezeigt. Um das Militär stärker zu kontrollieren und zu reformieren, hatte Carlos Gomes Júnior eine Armee-Mission aus Angola ins Land geholt. International genießt er hohes Ansehen. Sein Land jedoch gilt weiter als eines der instabilsten in Afrika und als Drehscheibe für den Drogenhandel zwischen Südamerika und Europa.

Präsidentschaftskandidat Kumba Yala (Foto: Reuters)
Kritisierte Wahlbetrug: Präsidentschaftskandidat Kumba YaláBild: Reuters

Die Beziehungen zwischen Premier Carlos Gomes Júnior und Armeechef António Indjai seien "schon immer schrecklich" gewesen, erklärt Paulo Gorjão, Guinea-Bissau Spezialist beim Portuguese Institute of International Relations and Security (IPRIS). „Auch beim Staatsstreich 2010, der Ex-Militärchef Zamora Induta zu Fall brachte, hatte dieser Carlos Gomes Júnior schon mit Mord gedroht." Nach dem Putsch von Freitag herrscht in Guinea-Bissau ein Machtvakuum.