Guatemala wählt Präsidenten und Parlament neu
10. November 2003Zu den Opfern der Repressionen gehören auch Journalisten wie Hilda Mérida, die Korruption und Machtmissbrauch der Regierung aufdecken wollen: "Nachts geht man nicht mehr weg, und man ist ein wenig paranoid. Und es ist immer die Angst da, dass man auch ermordet werden kann." Sieben Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in Guatemala überschattet eine Welle von Gewalt den Vorabend der Präsidentschaftswahlen. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass die rechte Regierungspartei Republikanische Guatemaltekische Front (FRG) oder Anhänger ihres Präsidenschaftskandidaten Ríos Montt dafür verantwortlich sind.
Der ehemalige Militärdiktator Ríos Montt ist einer der elf Kandidaten für das Präsidentenamt in Guatemala. Vor knapp 30 Jahren hatte er schon einmal kandidiert – vergeblich. 1982 putschte er sich dann an die Macht. Seine anderthalbjährige Gewaltherrschaft gilt als die blutigste Zeit im 36 Jahre währenden Bürgerkrieg. Jetzt versucht der 77-Jährige erneut, auf den Präsidentenposten zu gelangen. Und dafür hat der Ex-Diktator gute Gründe: Er ist in Guatemala wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt und würde als Präsident seine politische Immunität behalten.
Die Linke ist weit abgeschlagen
Umfragen zufolge hat Montt keine guten Aussichten auf das Präsidentenamt. Nach den Ergebnissen der Befragungen liegt er mit 11 Prozent Zustimmung an dritter Stelle. Favorit ist der Konservative Oscar Berger von der Parteienkoalition Große Nationalallianz. Der frühere Bürgermeister von Guatemala-Stadt erreichte in den Umfragen 37 Prozent der Stimmen, gefolgt von Mitte-Links-Kandidat Alvaro Colom von der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE), der 12 Prozent der Befragten hinter sich hat. Doch die Umfragen gelten als unzuverlässig und haben die Landbevölkerung nicht berücksichtigt, die traditionell hinter Montt steht. Die Kandidaten der Links-Parteien scheinen indes schon jetzt aus dem Rennen zu sein. "Die Linke ist bei aller Schwäche auch noch in sich gespalten", sagt der Politologe Enrique Álvarez. Außerdem besitze sie weder finanzielle Mittel noch eine ausreichende Infrastruktur.
Zusammen mit dem Präsidenten werden am Wochenende auch der Vizepräsident, 158 Abgeordnete des Parlaments sowie die Bürgermeister und Stadträte in 331 Gemeinden gewählt. Knapp 12 Millionen Menschen leben im mittelamerikanischen Guatemala, mehr als die Hälfte von ihnen in bitterer Armut. Guatemala, das traditionell vom Kaffee- und Zuckerexport lebt, ist eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Hoffnung auf Wachstumsimpulse keimen durch das Freihandelsabkommen CSFTA auf, über das die USA mit Guatemala, Honduras, El Salvador, Nicaragua und Costa Rica verhandeln.
Pessimistischer Blick in die Zukunft
Sollte am Sonntag Ríos Montt wider die offiziellen Umfragewerte zum Präsidenten gewählt werden, blicken die Wirtschaftsverbände Guatemalas schon jetzt pessimistisch in die Zukunft. Sie rechnen mit Kapitalflucht und Verschlechterung des Investitionsklima unter dem international abgelehnten ehemaligen Diktator. "Die Kandidatur Montts ist ein Zeichen für die Schwäche des Rechtsstaates", beklagt Tom Koenigs, Leiter der UN-Mission in Guatemala, die über die Einhaltung des Friedensabkommens wacht. "In 20 Jahren ist es nicht gelungen, die Verbrechen des Bürgerkriegs aufzuarbeiten."