Obama in der Kritik
15. April 2009Für die schätzungsweise 600 Gefangenen in Bagram bringt Obamas Amtsantritt keine neue Hoffnung. Denn der US-Präsident hält an dem Militärgefängnis nördlich von Kabul fest, über das nur wenige Informationen nach außen dringen. Außer dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz darf niemand das streng abgeschottete Lager betreten, öffentliche Fotos existieren nicht. Weder Juristen oder Menschenrechtsaktivisten haben das Militärgefängnis je gesehen. Für sie ist Bagram ein "schwarzes Loch".
Berichte über Folter
Außer ehemaligen Gefangenen weiß niemand, was sich in Bagram genau abspielt. Sie berichten von Folter und Misshandlungen. "Gefangene wurden an Ketten an den Händen aufgehängt, ihnen wurde der Schlaf entzogen und sie wurden in kleinen Zellen in unmöglichen Zuständen zusammengesperrt", fasst Ferdinand Muggenthaler von Amnesty International die Schilderungen von Gefangenen zusammen. Bekannt geworden seien auch zwei Todesfälle im Jahr 2002, für die US-amerikanische Soldaten verurteilt wurden, "wenn auch zu lächerlichen Strafen", so Muggenthaler.
Inhaftiert ohne Urteil
Anders als in Guantanamo können die Gefangenen in Bagram ihre Haft bislang juristisch nicht anfechten. Das verstößt nach Ansicht von Menschenrechtsorganisationen gegen internationales Recht. "Die Gefangenen in Bagram müssen Zugang zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren bekommen, sie müssen in den USA gegen ihre Inhaftierung klagen können", fordert Muggenthaler. "Sie dürfen nur festgehalten werden, wenn sie in einem ordentlichen Gerichtsverfahren verurteilt wurden."
Das Militärgefängnis befinde sich im afghanischen Kriegsgebiet, verteidigt die US-Regierung ihre Politik, und dort gelte das US-Recht nicht. Das Kriegsrecht erlaube es, die Männer unbegrenzt festzuhalten - oder zumindest bis zum Ende des Kriegs in Afghanistan.
US-Bundesrichter gibt Gefangenen Recht
Erstmals gibt es jetzt einen Hoffnungsschimmer für die Gefangenen: Ein US-Bundesgericht urteilte Anfang April, dass drei Gefangene ihre Haft in Bagram vor einem US-Gericht anfechten dürfen. Menschenrechtsorganisationen bewerten das Urteil als großen Fortschritt und als Ohrfeige für die US-Regierung.
Dieses Urteil kommt aber vermutlich nicht allen Gefangenen zugute, denn die drei Männer sind keine Afghanen und wurden auch nicht in Afghanistan festgenommen - das verbessert ihre rechtliche Lage gegenüber den anderen afghanischen Häftlingen. Amnesty International verlangt von US-Präsident Obama, dass er die Praxis der sogenannten Renditions beendet - der Überstellung von Terrorverdächtigen, die in irgendeinem Land der Welt von der CIA festgenommen werden, zum Beispiel nach Bagram.
Bagram wird ausgebaut
Obamas Beschluss, das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba zu schließen, hat ihm viel Beifall eingebracht. Dass er auch Bagram schließen wird, halten Menschenrechtsaktivisten für äußerst unwahrscheinlich. Ganz im Gegenteil, sagt die US-Anwältin Pardiss Kebriaei, zu deren Mandanten auch Guantanamo-Häftlinge gehören. Sie verweist auf Berichte, nach denen das Lager ausgebaut wird, um deutlich mehr Gefangene aufzunehmen. Für Kebriaei passt das zu den Plänen der US-Regierung, ihre Truppen in Afghanistan aufzustocken: "Es liegt nahe, dass die Zahl der Verhaftungen steigen und dass dieses Militärgefängnis für die USA wichtig bleiben wird."
Bagram als Ersatz für Guantanamo?
In der deutschen Öffentlichkeit ist wenig über Bagram zu hören. Vor allem Menschenrechtsorganisationen greifen das Thema auf, während die Politiker sich zurückhalten. Auch jene, die die Zustände in Guantanamo bei jeder Gelegenheit anprangern, sagen gar nichts oder wenig zu Bagram.
Mit ihrer Forderung nach einer Schließung des Lagers steht die sozialdemokratische Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul relativ allein da. Afghanistan-Kenner Winfried Nachtwei von den Grünen kritisiert die "rechtsstaatlich unhaltbaren Zustände" in Bagram. Obama müsse den Gefangenen das Recht auf Haftprüfung zugestehen und eine öffentliche Kontrolle des Lagers ermöglichen.
Bagram als Ersatz für Guantanamo? Menschenrechtsorganisationen halten das für möglich. Die Politik hofft derzeit noch darauf, dass Barack Obama sich auch in dieser Frage klar vom Kurs seines Vorgängers George W. Bush abwenden wird.
Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Kay-Alexander Scholz