Grün-Schwarz im Detail
2. Mai 2016Mit millionenschweren Investitionen, aber auch ehrgeizigen Sparplänen wollen Grüne und CDU die angestrebte erste grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg zum Erfolg machen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und CDU-Landeschef Thomas Strobl stellten in Stuttgart den Koalitionsvertrag vor, dem nun noch die jeweilige Parteibasis auf Parteitagen zustimmen muss.
Beide Seiten verwiesen auf schwierige Verhandlungen, zeigten sich aber zufrieden mit dem Vertrag. "Er ist besser als ich es zu Beginn erwartet habe. Es ist mehr als der kleinste gemeinsame Nenner", sagte Kretschmann in Stuttgart bei der Vorstellung der Grundlinien des einzigartigen Bündnisses. Es sei ein ehrliches, machbares Programm, das mit seinen Sparanteilen aber nicht allen gefallen könne. Der Ministerpräsident hob hervor, dass über ein bisher noch nie dagewesenes Bündnis verhandelt worden sei. Keiner der beiden Partner habe dies angestrebt, aber der Wähler habe anders entschieden.
"Wir haben uns nicht gesucht, aber wir haben uns gefunden, die Grünen und die Schwarzen", sagte der CDU-Verhandlungsführer Strobl. Er betonte das Streben nach Nachhaltigkeit als verbindendes Element der Koalitionäre. "Die Grundidee der Grünen ist ja nichts anderes als die Bewahrung der Schöpfung, ein ur-christdemokratisches Anliegen."
Grün-Schwarz will viel investieren, zugleich aber auch sparen. Der Rotstift soll bei den Personalkosten, sprich bei den Landesbeamten angesetzt werden. "Wie wir das im Einzelnen machen, muss man im Laufe der Haushaltsberatungen sehen", sagte Kretschmann. Im Landeshaushalt muss ab 2017 kräftig eingespart werden - in der Endstufe 2020 rund 1,8 Milliarden Euro.
1500 Polizisten zusätzlich
Investitionsschwerpunkt sind in den kommenden fünf Jahren Digitalisierung, Polizei und Bildung. Nach den Worten Strobls soll mit rund 320 Millionen Euro das schnelle Internet im ganzen Land ausgebaut werden. Junge Familien, die ihre Kinder im letzten Jahr vor der Grundschule in den Kindergarten schicken, sollen monatlich mit 75 Euro unterstützt werden. Mit 100 Millionen Euro soll die technische Ausrüstung der Polizei modernisiert werden. Beschlossen sind überdies 1500 zusätzliche Polizeistellen. Rund 500 Millionen Euro wollen die Koalitionäre für Straße, Schiene, Hochbau und Hochschulen ausgeben.
Der Landesvorsitzende der nun oppositionellen SPD, Nils Schmid, bezeichnete den 140 Seiten starken Vertrag dagegen als "Dokument des Stillstands". Seine Partei war bei den Wahlen auf den historischen Tiefstand von 12,7 Prozent gesackt und kam deshalb rechnerisch nicht mehr als Koalitonspartner für die Grünen infrage. Die Arbeitgeberverbände in Baden-Württemberg sehen in dem Koalitionsvertrag ein in weiten Teilen "tragfähiges Gerüst für eine erfolgreiche Landespolitik" für die kommenden fünf Jahre.
Bei der Landtagswahl am 13. März waren die Grünen erstmals stärkste Kraft geworden. Das neue grün-schwarze Regierungsbündnis soll von Kretschmann geführt werden. Die CDU wird jetzt - ausgerechnet in ihrem Stammland Baden-Württemberg - Juniorpartner unter den Grünen.
Der Landtag will Kretschmann am 12. Mai zum Regierungschef wählen. Die Grünen erhalten fünf Ministerien und die Regierungszentrale, die CDU - als "fast gleichstarker Partner" (Strobl) - ebenfalls fünf. An die Grünen gehen die Ressorts Finanzen, Umwelt, Soziales, Wissenschaft und Verkehr. Die CDU bekommt die Ministerien für Kultus, Wirtschaft, Inneres, Ländlichen Raum und Justiz. Die Namen der Minister wurden noch nicht benannt. Die Basis beider Parteien muss den Vertrag gegen Ende der Woche noch billigen.
Ein Regierungsbündnis aus Grünen und CDU unter Führung der Grünen als stärkerer Kraft wäre in Deutschland auf Landesebene eine Premiere. Bislang gab es lediglich schwarz-grüne Landesregierungen unter CDU-Führung. Dies ist derzeit etwa in Hessen der Fall.
stu/uh (afp, dpa)