Kapstadt: Buschfeuer vernichtet wertvolle Dokumente
20. April 2021Ein Bild der Verwüstung: rußverschmierte Wände, Fragmente von zerstörten Büchern auf dem Boden, überall liegt Asche; gleich in mehreren Gebäuden der Universität Kapstadt hat das Feuer gewütet. Ein Opfer der Flammen wurde auch die Jagger-Bibliothek, eine der bekanntesten und kostbarsten Bibliotheken nicht nur Südafrikas, sondern des gesamten afrikanischen Kontinents. Hausmeister Shurud Jacobs ist einer der ersten, der das Trümmerfeld nach dem verheerenden Brand betritt. "Ich arbeite seit vielen Jahren hier, und es ist einfach nur traurig, die Bibliothek so zu sehen", sagt er der DW sichtlich betroffen. "Es waren so viele alte Bücher dort gelagert. Alles ist weg, alle Bücher."
"Südafrikas Geschichte ist verbrannt"
Jacobs kann es nicht fassen, dass all die wertvollen Dokumente zur afrikanischen Geschichte, die hier lagerten, unwiederbringlich zerstört sein sollen. "Wir können die Bibliothek wieder aufbauen, aber die Geschichte bekommen wir nicht zurück. Das ist das Schlimmste: Die Geschichte ist einfach verbrannt."
Das Feuer kam vom Tafelberg, der hoch über der Stadt thront, dem Wahrzeichen Kapstadts. Bereits am Sonntag (18.04.2021) brannten mehrere Hektar Fläche lichterloh. Ursache war vermutlich ein von einem Obdachlosen entzündetes Lagerfeuer, das außer Kontrolle geriet. Starker Wind erschwerte die Löscharbeiten, zahlreiche Bewohner in den betroffenen Gebieten wurden evakuiert. Es dauerte nicht lange, bis die Flammen das Universitätsgelände am Fuße des Berges erreichten und in dicke Rauchschwaden hüllten. Tausende Studierende und die Lehrkräfte flüchteten aus ihren Unterkünften und brachten sich in Sicherheit. "Es war einfach furchtbar", erzählte der 20-jährige Student Kosmas Joannou der Nachrichtenagentur dpa. Der Himmel habe sich orange verfärbt: "Überall war Asche und alle haben laut geschrien."
Bestandsaufnahme noch nicht abgeschlossen
Nachdem die Feuerwehr den Brand aus der Luft mit Spezialhubschraubern gelöscht hatte, wurde schnell klar: Drei Gebäude der 1829 gegründeten Uni wurden schwer beschädigt, vor allem der Leseraum der Jagger Library. Etwa 85.000 Bücher und Zeitschriften, Manuskripte, Nachlässe und Drucke wurden hier verwahrt, ebenso wie Ton- und Bilddokumente aus neuerer Zeit - ein einzigartiger Fundus afrikanischer Geschichte. Viele Schriften sind wohl für immer verloren, allein der Schaden am historischen Büchereigebäude wird auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.
"Eine unerwartete Naturkatastrophe traf heute das Herz der UCT-Bibliothek", postete Verwaltungsdirektorin Ujala Satgoor nach am selben Tag bei Facebook. "Ich schreibe diese Zeilen mit schwerem Herzen und einem großen Gefühl von Verlust." Und weiter: "Einige von euch mussten hilflos vor Ort miterleben, wie unsere historische Bibliothek brannte, und ich kann mir vorstellen, wie tief der Schock saß." Aber Satgoor machte auch Mut: "Dies ist in der Tat ein trauriger Tag für die Universität! Aber obwohl dieser Verlust zutiefst zu spüren sein wird, werden wir diesen Sturm überstehen und aus der Asche aufsteigen."
Hilfsangebote aus aller Welt
In der Tat gab es nach dem ersten Schock auch gute Nachrichten: Zum einen waren vor einiger Zeit Brandschutztüren eingebaut worden, die sich automatisch schlossen, so dass nicht alle Materialien in den Archivräumen verbrannten, zum anderen waren zumindest einige der wertvollen Dokumente schon digital erfasst worden. "Ganz werden wir den Schaden aber erst überblicken können, wenn das Gebäude für betretbar erklärt worden ist", so Satgoor. Mittlerweile, auch das ein Hoffnungsschimmer, sind aus der ganzen Welt Hilfsangebote eingetroffen.
Auch im Netz reagierten User weltweit auf den Großbrand. So wie dieser Spanier, der den Verlust des historischen Archivs voller Kummer kommentiert:
Auf der Basis des digitalen Materials hofft man nun, die Sammlung afrikanischer Studien rekonstruieren zu können, erklärt Satgoor. Und auch das Material, das von dem Feuer und dem Löschwasser verschont worden sei, müsse man jetzt dringender denn je in digitale Form bringen, sagte die Verwaltungsdirektorin der Universitätsbibliothek gegenüber dem TV-Sender Newzroom Afrika. Sie betonte aber auch: "Nichts kann die Magie und die Schönheit eines echten Dokuments in der Hand eines Forschers ersetzen."
Die Hoffnung ist digital
Auch der Historiker und politische Analyst Somadoda Fikeni äußerte sich auf Newzroom Afrika bestürzt über die unwiederbringliche Zerstörung zahlreicher Schriften: "Der afrikanische Kontinent, der mehrfach unter Eroberungen zu leiden hatte, hat hart gekämpft, seine Geschichte zu rekonstruieren. Insofern bedeutet jedes verlorene Dokument, das Aufschluss zum historischen Erbe gibt, einen unvorstellbaren Verlust.
Für ihn ist das Großfeuer ein Anlass, in Sachen Archivierung von Grund auf umzudenken. "Was genau ist denn eine Spezialsammlung und wie kann das, was sie vermittelt, jemanden mit einem Smartphone in einem Dorf in Afrika, Asien und der ganzen Welt zugänglich gemacht werden?", fragte er beim Newzroom Afrika. Und gab auch gleich die Antwort: "Solange das Material in den Tiefen eines Kellers gebunkert wird, versehen mit dem Zusatz: 'Nicht anfassen', solange ist es sowohl der Gewalt des Wasser, des Feuers aber auch der Unwissenheit überlassen."