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Die Konzeptkünstlerin Hanne Darboven

Stefan Dege11. September 2015

Hanne Darboven gilt als Deutschlands wichtigste Konzept-Künstlerin. Mehrfach nahm sie an der documenta teil. Mit ihren Schrift- und Zahlen-Bildern kommentierte sie die Zeitgeschichte. Zwei Ausstellungen feiern ihr Werk.

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Hanne-Darboven-Ausstellung Bundeskunsthalle Bonn (Foto Hermann Dornhege)
Bild: Hermann Dornhege

"Ich mache weder Malerei noch Skulptur – aber ich schreibe Räume voll", sagte die 2009 verstorbene Hanne Darboven (*1941) einmal. Das stimmte, war aber untertrieben: In unendlicher Fleißarbeit brachte sie endlose, scheinbar sinnlose Zahlenreihen zu Papier. Sie wurden ihr Markenzeichen. Und so verwundert kaum, dass Hanne Darboven noch heute als schwierige Künstlerin gilt, ihr Werk als spröde und unsinnlich. "Ein großes Missverständnis", wie Bonns Kuratorin Susanne Kleine meint und verlangt: "Wir brauchen ein neues Bild von Hanne Darboven, einen neuen Blick auf die Jahrhundert-Künstlerin!"

Diesen wollen die Kunsthallen in Bonn und München ermöglichen, mit der ersten Darboven-Retrospektive seit ihrem Tod. Die mehrfache documenta- und Biennale-Teilnehmerin gilt immerhin als eine der wichtigsten deutschen Künstlerinnen nach dem Zweiten Weltkrieg. Während in Bonn ab sofort 50 Werke zu sehen sind, die ihren Blick auf politische Ereignisse und die deutsche Geschichte zeigen, widmet sich die Schau in München ab dem 18. September Themen aus der Kunstgeschichte, Musik, Literatur und den Wissenschaften.

Hanne Darboven in der Bundeskunsthalle
Hanne Darboven (1941-2009)Bild: Hanne Darboven Stiftung, Hamburg/VG Bild-Kunst, Bonn, 2015,Hermann Dornhege

Bildschluchten in der Bundeskunsthalle

Einstweilen haben sich die haushohen Wände der Bundeskunsthalle in wahre Bildschluchten verwandelt. Manche sind vollständig bedeckt mit kleinen Blättern voller Schrift- und Zahlenreihen, Zeichnungen, Collagen, Noten, Postkarten und Fotos. Alles hat seine Ordnung. Muster scheinen auf, die mal auf Logik, mal auf mathematischen Formeln basieren.

Viele folgen einem seriellen Prinzip und schaffen schon durch ihre Masse eine eigene, monumentale Ästhetk. "Hanno Darboven war", wie Kuratorin Kleine betont, "eine akribische, ja manische Künstlerin." Um vier Uhr morgens setzte sie sich an den Schreibtisch. Exakt sieben Stunden später beendete sie ihr Tagewerk. Die asketische Frau entstammte der Hamburger Kaufmannsfamilie Darboven. Aber auch musikalische Werke, frühe Zeichnungen entlaubter Bäume und Holzmodelle gehören zum Lebenswerk von Hanne Darboven. Ihr Bezug zur Minimal-Art und Konzeptkunst, den sie während ihrer New Yorker Zeit von 1966 bis 1968 kennenlernte, ist unübersehbar.

In Bonn aber lässt sich vor allem die politische Hanne Darboven besichtigen - etwa in der aus 90 Teilen bestehenden "Ost-West-Demokratie": Die wandfüllende Installation besteht aus den Flaggen der USA, der Sowjetunion, der BRD und der DDR. Irgendwo dazwischen findet sich der handgeschriebene Satz: "Ich bin für eine Ost-West-Demokratie" – ein Statement der Künstlerin gegen den Kalten Krieg der 1980er Jahre.

Hanne Darboven Retrospektive in der Bundeskunsthalle Bonn. Foto: Stefan Dege
Kuratorin Susanne KleineBild: DW/S. Dege

In "Wende 80" nimmt Darboven ein Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" mit den Kanzlerkandidaten Helmut Schmidt und Franz-Joseph Strauß in die Mangel. Die Aussagen von Strauß sind geschwärzt. Als wachsame Beobachterin des politischen Geschehens wird Hanne Darboven zur Chronistin ihrer Zeit. Sie kommentiert Tagesereignisse. Sie schafft Hommagen an Dichter, Philosophen, Wissenschaftler, Politiker und Künstler. Sie betreibt zeithistorische Erinnerungsarbeit.

Maximalkunst statt Minimal-Art

Eher sinnlich wirkt "Kinder dieser Welt". Der bunte Werkkomplex aus Puppen, Kinderbüchern und allerlei Spielzeug empfängt die Ausstellungsbesucher, was der Darboven-Schau ein freundliches Gesicht gibt. Die Künstlerin selbst wehrte sich dagegen, der Minimal-Artt zugerechnet zu werden: Sie mache Maximalkunst, sagte sie von sich. Davon zeugen zum Beispiel 1400 Blätter, auf denen sie ein komplettes Jahrhundert in ein Zählsystem von Wochen und Tagen aufgegliedert hat. "Es hat eine ganze Woche gedauert, das aufzuhängen", so Rein Wolfs, Intendant der Bundeskunsthalle in Bonn. Die Schau ist noch bis zum 17. Januar 2017 zu sehen.