Grimms Märchen ohne Worte
"Grimms Märchen ohne Worte" heißt die erste Buchveröffentlichung des Illustrators Frank Flöthmann. Darin entrümpelt er das Märchenland der Gebrüder Grimm und zeigt nur das Wesentliche - und braucht dafür nur vier Farben.
Rotkäppchen und der Wolf
Seit 200 Jahren lesen Eltern auf der ganzen Welt ihren Kindern die Märchen der Brüder Grimm vor. Doch was passiert, wenn man auf den Text verzichtet? Das zeigt der Illustrator Frank Flöthmann in seinem Buch "Grimms Märchen ohne Worte". Rotkäppchen macht dabei den Anfang und ist eine leicht erkennbare Protagonistin, weil sie ein rotes Käppchen trägt. Doch hinter dem Baum lauert schon der böse Wolf.
Doch das rote Käppchen schützt nicht
Eigentlich soll Rotkäppchen die kranke Großmutter besuchen und ihr einen Korb mit Leckereien bringen. Der Wolf hat sie aber dazu überredet, noch einen Blumenstrauß zu pflücken. In der Zwischenzeit nutzt er die Gelegenheit, um die Großmutter zu fressen und sich verkleidet in ihr Bett zu legen. Als Rotkäppchen kommt, wundert sie sich über die großen Hände. Zu spät: Sie landet im Wolfsschlund.
Mut zum Ausschmücken und Ergänzen
Doch der Jägersmann, den das penetrante Schnarchen aus dem Haus der Großmutter sehr verwundert, kann den bösen Wolf stellen und beide Damen aus dem Bauch befreien. Wie das genau aussieht, hat sich Flöthmann sehr hübsch zurechtgereimt: Ein Tritt und der Wolf spuckt seine Opfer aus, als wäre er ein verfressener Karpfen. Das Ende zeigen wir hier nicht: Der Böse muss kellnern, die Guten schlemmen!
Wie Hänsel und Gretel sich im Wald verliefen
Ein trauriger Vater, eine garstige Mutter und zwei gewitzte Kinder: eindeutig "Hänsel und Gretel". Sie sind die Kinder eines armen Holzfällers, den seine Frau überredet, die beiden im Wald auszusetzen. Anfangs legt Hänsel weiße Steine aus - so finden sie zurück. Aber beim zweiten Mal kann er nur Brot streuen. Diese Spur wird von Vögeln aufgefressen und so verirren sich Hänsel und Gretel.
Beherzter Tritt im richtigen Moment
So landen die beiden in den Fängen einer bösen Hexe. Wichtig bei Flöthmann: Immer den weißen Pfeilen folgen, hier also im Uhrzeigersinn. Die Hexe prüft, ob Hänsel schon fett genug ist, um ihn zu essen. Er überlistet die Alte und streckt statt seines Fingers ein Knöchelchen raus. Als die Hexe nach dem Feuer schaut, verpasst Gretel ihr einen kräftigen Tritt - und alles wird gut. Bewährtes Prinzip!
Feine Unterschiede auch beim Aschenputtel
Auch bei Aschenputtel gibt's Gut und Böse. Während die Stiefschwestern schlafen, muss Aschenputtel schuften: Man beachte, dass sie dafür gleich vier Hände hat! Und wie in allen Märchen bei Flöthmann machen die Augen den feinen Unterschied: Zunächst bedarf es noch keiner Tränen, um zu zeigen, wie unglücklich sie ist. Geweint wird erst nach getaner Arbeit: in der Asche neben dem Herd.
Hier kommt die Hilfe aus der Luft
Immer neuen Schikanen sieht sich Aschenputtel ausgesetzt. Während bei "Hänsel und Gretel" Vögel keine große Hilfe waren, können die Tauben hier ganze Arbeit leisten und Aschenputtel beim Sortieren der Linsen zur Hand gehen: "die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen!" Trotz der Signalfarbe Rot dürfen wir aufatmen und Aschenputtel endlich mal fröhlich sehen.
Gold ist der Schuh nicht, aber hoch!
Trotz aller Widrigkeiten schafft es Aschenputtel auf das Schloss. Alle Jungfrauen des Landes sind dort zu einem Fest geladen, damit der Prinz eine Gemahlin wählen kann. Er verliebt sich in die schöne Unbekannte - Aschenputtel - doch sie entwischt ihm zweimal. Beim dritten Mal verliert sie einen Schuh. So lässt der Verliebte nach der Frau suchen, der dieser Schuh passt: Sie soll seine Braut werden.
Pfeile im Bilderwald finden
Am Ende wird Aschenputtel zur Braut. "Grimm's Märchen ohne Worte" ist ein Bilderwald. Wer es gewohnt ist, Texte zu lesen, dem fällt es eher schwer, sich zurechtzufinden. Und nur wer die Märchen der Brüder Grimm kennt, versteht Flöthmanns Bildergeschichten auch. Aber nichtsdestotrotz: ein gelungener Versuch der Entrümpelung (Frank Flöthmann c/o Claudia Schönhals: www.schoenhals.de).