Euro unter Druck
22. April 2010Im vergangenen Jahr belief sich das griechische Haushaltsdefizit auf 13,6 Prozent des Bruttosozialprodukts, und war damit fast einen Prozentpunkt höher als bislang gemeldet. Dies gab das europäische Statistikamt Eurostat am Donnerstag (22.04.2010) in Luxemburg bekannt. Bisher war die griechische Regierung offiziell von einem Defizit in Höhe von 12,7 Prozent ausgegangen.
Selbst die neue Zahl zum Defizit könnte nochmals um bis zu 0,5 Prozentpunkte nach oben revidiert werden: Die Statistiker äußerten erhebliche Zweifel "an der Qualität der Daten", weil es Unsicherheiten beim Überschuss der Sozialversicherung gebe. Es handelt sich um die erste Eurostat-Berechnung für die griechischen Zahlen 2009. Alle vorher genannten Werte beruhen auf den gemeldeten Vorab-Zahlen der Athener Regierung.
Sorgen um Zinssatz für griechische Staatsanleihen
Es wird immer wahrscheinlicher, dass Athen die von den Euro-Ländern in Aussicht gestellten Kredite von bis zu 30 Milliarden Euro in Anspruch nehmen muss. In diesem Jahr will Athen das Defizit um vier Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts senken. Dazu hat sie ein drastisches Sparprogramm aufgelegt, das unter anderem Gehalts- und Rentenkürzungen sowie Steuererhöhungen vorsieht.
Die neuen Daten überschatten eine zehntägige Verhandlungsrunde des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der EU mit der griechischen Regierung in Athen, die am Mittwoch begonnen hat. Das größte Problem für Athen und die EU-Staaten, die Griechenland unter die Arme greifen wollen, ist der Zinssatz, den Griechenland für Staatsanleihen zahlen muss. Am Mittwoch war dieser für zehnjährige Festanlagen bereits auf über acht Prozent geklettert.
Mit der Veröffentlichung der neuen Eurostat-Zahlen wuchs jedoch die Verunsicherung der Anleger weiter. Dadurch ist absehbar, dass der Zinssatz weiter steigen wird. Der Euro geriet unter Druck und rutschte auf 1,3360 Dollar. Der Dax drehte am Mittwoch ins Minus und fiel um 0,8 Prozent auf 6181 Zähler. Auch die Börsen in London und New York wurden von dem Abwärtstrend erfasst.
Abweichung der Defizitzahlen nicht ungewöhnlich
Die drastische Ausweitung des Risikoaufschlags auf griechische Bonds und die Defizitzahlen hätten die Märkte wachgerüttelt, erklärte Christian Schmidt, Analyst bei der Hessischen Landesbank, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Im Schlepptau wuchs auch die Skepsis gegenüber dem ebenfalls hoch verschuldeten Portugal. Die fünfjährigen portugiesischen Anleihen verteuerten sich auf ein Rekordniveau von 245,3 Basispunkten.
Die EU-Kommission spielte jedoch die Bedeutung der neuen Zahlen herunter. "Für uns ändert sich dadurch nichts", sagte ein Sprecher der Kommission gegenüber dpa. Entscheidend sei, dass Griechenland an seinen Sparzielen festhalte. Ein Eurostat-Sprecher erklärte, die Abweichung der gemeldeten Zahlen von der abschließenden Statistik sei nicht ungewöhnlich.
Die Eurostat-Zahlen weisen auch in anderen EU-Staaten eine unsichere Budgetsituation aus. Irland hat das höchste Staatsdefizit der 27 EU-Staaten mit 14,3 Prozent, anstelle der angenommenen 11,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. Allerdings hat Dublin sich ein striktes Sparprogramm verordnet. Finanzminister Brian Lenihan beteuerte, dass die höheren Zahlen nicht zu einer weiteren Verschuldung führen würden und dass Irland an seinem Sparkurs festhalten werde. Das Ziel sei, die Verschuldung bis 2014 auf unter drei Prozent zu drücken.
Die niedrigste Staatsverschuldung weist Schweden aus, mit einem Defizit von nur 0,5 Prozent. Die durchschnittliche Verschuldung der 16 Euro-Länder wuchs von 2008 bis 2009 von zwei auf 6,3 Prozent an. Die Schulden wuchsen in der gleichen Zeit von 69,4 auf 78,7 Prozent des Bruttosozialproduktes an. In allen 27 EU-Staaten lag das Defizit 2009 durchschnittlich bei 6,8 Prozent, während es noch 2008 bei 2,3 Prozent gelegen hatte. Die Verschuldung stieg von 61,6 auf 73,6 Prozent.
Autor: Fabian Schmidt (dpa, ap, rtr)
Redaktion: Nicole Scherschun