Greenpeace Türkei: Illegale Pestizide gefunden
23. Januar 2020Tomaten, Gurken und Paprika sind in der Türkei zunehmend mit illegalen und teils stark gesundheitsschädlichen Giftstoffen belastet. Das ist das Ergebnis der jüngsten Greenpeace Mittelmeer-Studie: "Pestizide: Die Gefahr auf unserem Esstisch".
Der türkische Ernährungswissenschaftler Dr. Bülent Şık hat den Bericht mit erstellt. Für die Studie wurden jeweils 30 Sorten Tomaten, grüner Paprika und Gurken, jeweils zehn Exemplare aus dem Supermarkt und zehn vom Wochenmarkt, in den Zeiträumen August, Oktober und November 2019 unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler untersuchten das Gemüse auf die verwendeten Pestizide hin, in ihren Auswirkungen auf den Verbraucher, auf die Landwirte und auf die Natur.
Laut dem Greenpeace-Bericht wurden bei den im August untersuchten Tomaten, grünen Paprika und Gurken insgesamt 56 Pestizide festgestellt. Bei den außerhalb der Saison angebauten untersuchten Exemplaren lagen die Zahlen noch höher. Im Oktober lag sie bei 96, im November bei 139.
Der Bericht stützt sich zudem auf Informationen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), Ernährung- und Landwirtschaftsorgan der Vereinten Nationen (FAO), United States Environmental Protection Agency (USEPA) und das Pestizid Aktionsnetzwerk (PAN).
Lebensbedrohliche Pestizide
Die Greenpeace-Studie ergab, dass 15,6 Prozent der untersuchten Lebensmittel verbotene Pestizide erhielten, darunter das Schädlingsbekämpfungsmittel Carbendazim. In den EU-Ländern ist der Gebrauch des Pestizids Carbendazim in der Landwirtschaft seit 2015 verboten. Und auch in der Türkei darf das Pflanzenschutzmittel seit 2018 nicht mehr eingesetzt werden. Es beeinflusst nachweislich die Fruchtbarkeit sowie das Nerven- und Hormonsystem, kann die Entstehung von Lebertumoren fördern und eine toxische Wirkung auf ungeborene Babys im Mutterleib haben.
Das türkische Landwirtschaftsministerium hat sich bislang zu dem Greenpeace-Bericht noch nicht geäußert. Doch es ist möglich, dass das Problem weit über die Türkei hinausgeht.
"Wir wissen nicht, ob belastetes Gemüse aus derselben Ernte wie die, die wir untersucht haben, aus der Türkei auch in andere Länder exportiert wurde", erklärt Bülent Şık. "Das können nur die betroffenen Länder selbst herausfinden, indem sie die entsprechende Lebensmittel untersuchen." Die Türkei exportiere rund zehn Prozent ihrer Obst- und Gemüseproduktion, 90 Prozent würden im Land selbst verkauft, erklärt Şık.
Nach Angaben der Assoziation der Exporteure des Mittelmeers (AKIB) hat die Türkei im Jahr 2019 insgesamt 532.200 Tonnen Tomaten, 112.600 Tonnen Paprika und 55.100 Tonnen Gurken exportiert. Insgesamt exportierte sie über vier Millionen Tonnen Obst und Gemüse, davon 136.300 Tonnen alleine nach Deutschland.
Gravierendes Gesundheitsrisiko für Landwirte
Die Forscher stellten zudem fest, dass bei 42 Prozent der untersuchten Lebensmittel die toxische Wirkung der verwendeten Pestizide lange Zeit nicht abgebaut wird und in die Luft und die Erde übergehen. Das größte Gesundheitsrisiko tragen daher die Landwirte und Feldarbeiter, wie Bülent Şık betont.
"Die Landwirte, die ihr Obst und Gemüse mit den Pestiziden behandeln, kommen selbst mehrmals täglich mit den Giftstoffen in Berührung. Bei Frauen kann das zu Brust- und Eierstockkrebs führen oder sich negativ auf einen Embryo im Mutterleib auswirken. Bei Männern können die Giftstoffe zu Prostatakrebs führen und so negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit haben.
Doppelt so hoher Pestizidgebrauch wie Holland
Dem Greenpeace-Bericht zufolge ist der Gebrauch von Pestiziden in der Türkei in den Jahren 1979 bis 2018 um das Siebenfache gestiegen. Derzeit liegt er bei insgesamt 59.000 Tonnen. Während in Europa mit 13 Kilo pro Hektar die meisten Pestizide in Holland eingesetzt werden, liegt der Einsatz von Pestiziden in der türkischen Stadt Antalya bei 26 Kilo pro Hektar und ist damit doppelt so hoch.
In Europa werden knapp 1000 unterschiedliche Mittel als Pestizide verwendet. 2016 hatte Greenpeace die "Schwarze Liste der gefährlichsten Pestizide in Europa" veröffentlicht. Darin erklärte Greenpeace, dass auch solche Mittel schädlich sind, die in der EU bislang als harmlos für Mensch und Natur galten,. Für den Bericht untersuchten Wissenschaftler 520 zugelassene Pestizide und ihre Wirkungen auf Gesundheit und Natur. Sie fügten 209 der untersuchten Pestizide der schwarzen Liste hinzu.
Kein Widerspruch zu EU-Richtlinien
Der eigens für die Türkei erstellte Bericht "Pestizide: Die Gefahr auf unserem Esstisch" wurde mit der "Schwarze Liste der gefährlichsten Pestizide in Europa" verglichen und ergab, dass bei 90 Prozent der untersuchten Tomaten, bei 67 Prozent der Gurken und bei 73 Prozent der grünen Paprika jeweils mindestens eines der verwendeten Pestizide in der Schwarzen Liste von Greenpeace vorkommt. Da das aber nicht im Widerspruch zu den Richtlinien der EU steht, können diese Produkte problemlos in Europa verkauft werden.