Grüne Filmproduktion: Beim Drehen das Klima schonen
12. Februar 2022Die Filmindustrieleistet sich einen enormen Umweltverbrauch: Filmteams fliegen zu Drehorten, am Set rattern Dieselgeneratoren. Autos und LKW verbrauchen Sprit. Bis zu 5000 Plastikbecherlanden nicht selten bei einer Filmproduktion im Abfall.
Das alles soll ein Ende haben, wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Freitag am Rande der Berlinale versprach: Man habe sich mit dem "Arbeitskreis Green Shooting", den Filmförderungen der Länder und der Filmförderungsanstalt (FFA) in Berlin darauf verständigt, einheitliche ökologische Mindeststandards für die deutsche Film-, TV- und Video-on-Demand-Wirtschaft (VoD) zu schaffen. "Die Klimakrise ist eine der Überlebensfragen unserer Zeit", sagte Roth, die auch für die Film- und Medienbranche zuständig ist, "der können wir nur gemeinsam entgegentreten."
Politik und Filmwirtschaft rücken also erkennbar zusammen. Doch bis dahin war es ein weiter Weg. Klimawandel, Unwetterkatastrophen und nicht zuletzt die Fridays-for-Future-Bewegung haben den Klimaschutz in den Köpfen auch vieler Film- und Fernsehschaffender verankert. Schon seit 2012 vergibt die Filmförderung Schleswig-Holstein den "Grünen Drehpass" für umweltfreundlich produzierte Filme und Serien, etwa den Hamburger Tatort "Die goldene Zeit" (2019), in dem auf Autofahren komplett verzichtet wird, oder die Serie "Babylon Berlin".
Erste ökologische Mindeststandards
Seit Anfang dieses Jahres werden in Deutschland die ökologischen Mindeststandards des "Arbeitskreises Green Shooting" umgesetzt, von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern ebenso wie von Streamingdiensten wie Netflix. Dabei verpflichten sich die Firmen, Nachhaltigkeitsberater, sogenannte "Green Consultants" einzusetzen.
Bevor die erste Klappe fällt, kalkuliert der Berater den absehbaren CO2-Verbrauch des Filmes, also den ökologischen Fußabdruck der Produktion. Der Umstieg auf Ökostrom soll die CO2-Emissionen schließlich ebenso senken wie der Verzicht auf Dieselgeneratoren, Kurzstreckenflüge und Einweggeschirr. Auch die Verwendung aufladbarer Batterien und umweltfreundlicher Fahrzeuge oder die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel soll dazu beitragen
Vom nächsten Jahr an sollen diese ökologischen Mindeststandards des Arbeitskreises auch deutschlandweit und einheitlich gelten, und damit auch für die Filmförderungen von Bund und Ländern. "Das ist ein Riesenerfolg", freute sich Kulturstaatsministerin Roth. Alle von Bund und Ländern geförderten Produktionen könnten damit das bereits eingeführte Siegel "Green Motion" des Arbeitskreises erhalten.
"Wir haben alle zu lange gedacht, dass Film- und TV-Produktionen große Bilder, aber nur kleine Emissionen und Ressourcenverbräuche bedeuten", betonte der Sprecher des Arbeitskreises Green Shooting, Carl Bergengruen. Doch Untersuchungen belegten das Gegenteil.
Treibende Kraft hinter dem Umdenken in der Filmbranche war und ist die Filmschaffenden-Initiative "Changemakers.film", die mit Hilfe von Wissenschaftlern die ökologischen Mindeststandards entwickelt hat. Seither haben sich mehr als 600 Akteure aus der Branche der freiwilligen Selbstverpflichtung angeschlossen. Die Schauspielerin Pheline Roggan ist eine der Initiatorinnen. "Wir müssen schnell umsteuern, wenn wir die Klimaziele noch erreichen wollen", sagte Roggan der Deutschen Welle. "Es ist so einfach, Dinge zu ändern."
Schädlicher Fördertourismus
Und was hält Filmemacher vom nachhaltigen Produzieren ab? Da wäre etwa der Fördertourismus als Folge des regionalen Standortwettbewerbs. Er sorgt dafür, dass viele Produktionen von Nord nach Süd und von Ost nach West pendeln, weil Fördergelder nur dann fließen, wenn in dem Bundesland gedreht wird, wo die geldgebenden Filmförderanstalt ihren Sitz hat. Filmförderung in Deutschland ist bisher Ländersache. Jedes Bundesland hat seine eigenen Förderkriterien. Nicht selten werden Drehbücher dafür angepasst.
Noch schwerer wiegt, dass nachhaltiges Produzieren seinen Preis hat: Zwischen einem und vier Prozent zusätzlich kostet es, "grün" zu produzieren. Darauf wies die amtierende ARD-Vorsitzende und RBB-Intendantin Patricia Schlesinger in einer Gesprächsrunde mit der Kulturstaatsministerin am Rande der Berlinale hin. Die Chefin des öffentlich-rechtlichen Senders gab zu bedenken: "Green Shooting ist teurer, das muss erst mal einer bezahlen!" Auch vor zu viel Euphorie warnte Schlesinger: "Mindeststandards allein reichen nicht aus, um die Klimakrise zu bewältigen".
Gewaltige Einsparpotentiale durch Green Shooting sieht hingegen der Regisseur Philip Gassmann, ein Experte für umweltfreundliche Produktionstechniken. Seine Firma Greenfilmtools hat nach seinen Angaben bis heute mehr als 300 Green Consultants ausgebildet. Diese könnten bereits beim Drehbuchschreiben beraten, bei der umweltgerechten Ausstattung ebenso wie beim Transport. "Die Planung ist das Entscheidende".
Ein solcher Green Consultant ist Tobias Wolf. Bei der Produktionsgesellschaft Bavaria Fiction kümmert er sich um CO2-Einsparungen am Set. "Die Offenheit für Green Shooting ist keine Generationenfrage", sagt er im DW-Gespräch. "Wir müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen, um dem Klimawandel entgegen zu treten."
Tatort-Star Maria Furtwängler sagte in der Berliner Gesprächsrunde mit Staatsministerin Roth, angesichts des menschengemachten Klimawandels sei jeder Filmschaffende gefragt: "Zu wie viel Veränderung bin ich bereit? Verzichte ich auf meinen Flug, schreibe ich meinen Namen auf einen Plastikbecher und trage ihn beim Dreh mit mir rum?"