Grünen reicht Angebot bei Kohle nicht
14. November 2017In der Schlussphase der Jamaika-Sondierung zeichnet sich noch keine Einigung beim Kernthema Klimaschutz ab - ein Kompromissangebot von Union und FDP geht den Grünen nicht weit genug. Die Unterhändler der vier beratenden Parteien streiten weiter darüber, wie viele Kohlekraftwerk-Blöcke abgeschaltet werden müssen, um die deutschen Klimaziele zu erreichen.
CDU, CSU und FDP hatten angeboten, die Stromgewinnung aus Kohle bis 2020 um drei bis fünf Gigawatt zu reduzieren - die Grünen wollen acht bis zehn Gigawatt, also etwa doppelt so viel. "Das, was da auf dem Tisch liegt, das reicht den Grünen nicht aus", sagte Grünen-Parteichefin Simone Peter.
Grünen-Chef Cem Özdemir bekräftigte die Forderung nach mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel. Deutschland müsse seine Klimaschutzziele erfüllen; dazu sei ein "geordneter Ausstieg" aus der Kohleverstromung unvermeidbar.
Hintergrund des Kohlestreits ist, dass sich alle potentiellen Jamaika-Partner zwar zu den Klimaschutzzielen für 2050, 2030 und auch 2020 bekennen. Die Grünen machen aber eine deutlich größere Lücke beim Kohlendioxid aus, das zusätzlich vermieden werden muss, um die nationalen Klimaziele zu erreichen. Deutschland will bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Die Abschaltung alter Kohlemeiler soll dafür etwa die Hälfte beitragen. Dieses Klimaziel ist laut Fachleuten aber kaum mehr erreichbar.
Kleine Fortschritte
Eine Einigung gab es beim Thema Digitalisierung. Alle Parteien wollen nach Angaben von FDP-Verhandlungsführer Manuel Hölferlin in Zukunft ausschließlich den Ausbau von Glasfaserleitungen fördern. Bis 2025 soll so eine flächendeckende Abdeckung mit einer Internet-Bandbreite von einem Gigabit pro Sekunde erreicht werden. Die Teilnehmer verständigten sich demnach auch darauf, "ein modernes zukunftsweisendes Datenrecht zu etablieren", das sowohl die digitalen Bürgerrechte gewährleiste als auch Geschäftsmodelle der Zukunft ermögliche.
Einem Zeitungsbericht zufolge haben sich die Parteien auch beim Thema Ganztagsbetreuung geeinigt. Demnach soll es einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschülern geben. Uneinig seien sich die Unterhändler aber noch bei der Umsetzung, berichtet die "Rheinische Post" unter Berufung auf das Familien-Papier der Unterhändler.
Unionsfraktionschef Volker Kauder äußerte sich optimistisch. "Die Chancen für Jamaika sind gestiegen. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingt und wir am Freitag ein positives Sondierungsergebnis haben werden", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Alle am Verhandlungstisch wüssten, "dass eine Neuwahl zu keinem wesentlich anderen Ergebnis führen, aber vor allem das Vertrauen in Politik weiter beschädigen würde".
Uneinigkeit beim Thema Migration und Flüchtlinge
Beim Streitpunkt Flüchtlinge sieht Kauder aber "keinen Spielraum": "Für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus sehe ich keine Möglichkeit, den Familiennachzug wieder zuzulassen. Das sind nämlich noch einmal 300.000 Personen, die solche Anträge stellen könnten." Für diese Flüchtlinge ist der Familiennachzug bislang bis kommenden März ausgesetzt - die Grünen wollen ihn wieder ermöglichen.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber bewertete den Stand der Sondierungen ähnlich positiv wie sein Parteikollege. Man merke "deutliche Fortschritte, es gebe Kompromissbereitschaft auf allen Seiten", sagte Tauber in einem von der CDU veröffentlichten Video.
Schwieriger Endspurt
An diesem Dienstag wollen die Chefunterhändler versuchen, Kompromisse zu den verbliebenen Themenblöcken zu finden. Dabei soll es unter anderem um die Komplexe Arbeit und Rente, Außen- und Verteidigungspolitik sowie die Migrations- und Asylpolitik gehen. Die Streitpunkte sollen dann auf Chefebene in der Nacht von Donnerstag auf Freitag endgültig gelöst werden. Im Falle einer Verständigung entscheiden die Parteigremien in den darauffolgenden Tagen über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte in einem Video über die kommenden Sondierungs-Tage: "Das kann man sich vielleicht so ein bisschen vorstellen wie bei der Papst-Wahl. Nur dass es deutlich mehr Frauen mit am Tisch gibt."
rk/jj (afp, dpa, rtr)