Grüne Kanzlerkandidatin antwortet Kritikern
3. Juli 2021Im Interview für die Zeitungen der Funke Mediengruppe und die französische Zeitung Ouest-France sagte die Grünen-Chefin, sie habe "sehr bewusst auf Fakten aus öffentlichen Quellen zurückgegriffen". "Das ist kein Fachbuch, daher gibt es keine Fußnoten." Zuvor hatte Baerbock gesagt, es handle sich nicht um ein "Sachbuch".
Bei Joschka Fischer abgeschrieben?
Auf die Frage, ob sie das Buch selbst geschrieben habe, antwortete sie: "Ja, aber wie es so schön heißt: Niemand schreibt ein Buch allein. Es sind nicht nur viele Ideen eingeflossen, ich habe dankenswerterweise auch Unterstützung bekommen." Grundlage seien Niederschriften langer Interviews mit ihr gewesen. Sie hatte zuvor erläutert, dass der Autor Michael Ebmeyer Gespräche mit ihr transkribiert und sie auf dieser Basis ihr Buch "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" verfasst habe.
Der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber konnte bislang an mehreren Stellen Ähnlichkeiten zwischen Formulierungen in Baerbocks Buch und anderen Veröffentlichungen nachweisen. Die "Bild"-Zeitung veröffentlichte auch Passagen aus dem Buch, die Aussagen von Grünen-Urgestein Joschka Fischer ähneln, die dieser in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" im vergangenen Dezember gemacht hatte. Darin geht es um Russland, die Gasleitung Nord Stream und um die Rolle Deutschlands in Europa und der Welt.
"Eine Politik für Privilegierte"
In einem Interview, das sie noch vor ihrem Sommerurlaub gab, greift die Grünen-Vorsitzende die Union scharf an: Diese habe in ihrem Wahlprogramm "eine Politik für Privilegierte" angekündigt. "Mit dem Vorschlag von Armin Laschet und Friedrich Merz macht die CDU eine Rolle rückwärts zur Politik der 90er Jahre und fällt hinter 16 Jahre Angela Merkel zurück. Das spaltet unsere Gesellschaft." Ihre Partei wolle hingegen für "klimagerechten Wohlstand" sorgen, sagte Baerbock.
Zu den Umfragen, die die Grünen derzeit bei um die 20 Prozent sehen, sagte Baerbock, ihre Partei stehe "weiterhin an starker zweiter Stelle". Es sei im Wahlkampf normal, dass Parteien im Wettstreit stünden und auch Medien kritisch berichteten. "Das ist absolut in Ordnung. Doch es gibt ganz offensichtlich auch Beharrungskräfte, die Veränderung verhindern und sachliche Debatten über die besten Ideen für unser Land überdecken wollen."
Wichtige Frage bleibt unbeantwortet
Der Frage, ob sie selbst angesichts der Scherereien daran gedacht habe, die Kanzlerkandidatur ihrem Co-Parteichef Robert Habeck zu überlassen, beantwortete Baerbock nicht. Sie verwies stattdessen darauf, dass die Grünen erwartet hätten, "dass es ein wirklich heftiger Wahlkampf werden wird".
Nach Baerbocks Nominierung zur Kanzlerkandidatin Mitte April hatten die Grünen zunächst einen Höhenflug erlebt und mit Umfragewerten von bis zu 28 Prozent zeitweise sogar die CDU/CSU überholt. Mit der Debatte um ungenaue Angaben in Baerbocks Lebenslauf und verspätet an den Bundestag gemeldete Sonderzahlungen sanken die Zustimmungswerte. Zuletzt waren Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrem Buch aufgekommen.
nob/ml (dpa, afp)