Goldene Zeiten für Autodesigner
11. November 2016Bei den Autodesignern herrscht Aufbruchstimmung. "Wir arbeiten an vogelwilden Konzepten", sagt Volkswagen-Kreativchef Michael Mauer. Der schöne Kühlergrill und der große Motorblock dahinter sind im autonom fahrenden Elektroauto genauso überflüssig wie Fahrersitz, Lenkrad und Pedale. "Wir können das Auto vollkommen umräumen", erklärt der Autodesign-Professor Lutz Fügener von der Hochschule Pforzheim. Alles über dem Bodenblech wird zur Spielwiese. "Für uns gibt es erst mal keine Grenzen", sagt Mauer. "Für uns Designer beginnt jetzt das goldene Zeitalter."
Im Moment allerdings müssen die Ingenieure und Designer zunächst einmal viel zusätzliche Technik einbauen: Kameras und Sensoren für die Fahrerassistenzsysteme, beim Hybrid gleich zwei Motoren plus Akku. "Im Moment werden die Autos immer voller", stöhnt Renault-Designchef Laurens van den Acker beim "Handelsblatt"-Autogipfel in München. "Wir haben noch einen weiten Weg, bis wir mehr Platz haben."
Blick in die Zukunft
Die Designer schauen aber bereits 20 Jahre voraus - und sind begeistert. Im Innenraum und bei den Funktionen sagt Volvo-Designchef Thomas Ingenlath "eine Revolution" voraus. Ein paar Leitplanken bleiben aber. "Trotz aller Möglichkeiten - Ästhetik und Schönheit wird immer eine Rolle spielen", sagt Mauer. "Das attraktivere Produkt wird sich immer besser verkaufen." Und der Autobesitzer werde die Markenidentität weiter erleben wollen. Für BMW gehöre der nierenförmige Kühlergrill, für Volvo der Diagonalbalken mit dem Kreis zur Identität der Marke, sagen die Designer - sie gäben den jeweiligen Modellen ein unverwechselbares Gesicht.
Aber die Autos werden sich künftig innen und außen viel stärker unterscheiden. Schon heute erlauben LED- und OLED-Scheinwerfer ganz neue Möglichkeiten. Bald können Innenraum und Software für jeden Autokäufer maßgeschneidert werden - auch "vogelwild". Eines Tages werde man sich vielleicht nur noch eine Plattform kaufen und seine eigene Autohülle über Nacht in der Garage ausdrucken, meint Mauer.
Hochwertiges gefragt
Heute geizen Luxusautos nicht mit Chrom und Leder. BMW-Chefdesigner Adrian van Hooydonk will Premium-Qualität nachhaltig jedoch auch mit neuen Materialien herstellen - inklusive recycelten. "Wenn etwas begehrlich ist, stellt sich die Frage nicht. Dann will ich es einfach haben", sagt er. "Der Anspruch ist nur, dass es hochwertig ist."
Muss ein Elektroauto anders aussehen als ein Benziner oder Diesel? Da gebe es zwei Denkschulen, erläutert Fügener: "Das Tesla-Design sagt: Keine Angst, das ist ein ganz normales Auto. Die Botschaft von BMW ist: Hier ist etwas Neues, das Elektroauto funktioniert anders, deshalb sehen der i3 und i8 auch anders aus."
Das Auto demonstriere zudem immer einen Lebensstil. "Ich will zeigen, dass ich an die Umwelt denke", sagt Volvo-Designer Ingenlath. VW und Renault suchen eher einen Mittelweg. "Man sollte die Kunden nicht Überfordern", betont Mauer. Aber "wenn die Technik neu ist, wollen das viele Leute auch zeigen". Van den Acker sagt, für viele Käufer sei der E-Motor noch ungewöhnlich. Da sei es wichtig, "dass ein Auto aussieht wie ein Auto". Später werde sich das ändern. "Dann muss es einfach gut aussehen."
Innovatives Image
Jeder Hersteller wolle sich als innovative Marke etablieren, aber auch nicht zu weit vorspringen, sagt Fügener: Man darf nicht vergessen: Der durchschnittliche Neuwagenkäufer ist 53 Jahre alt." Und ein Auto gehört zu den teuersten Anschaffungen eines Privathaushalts und sollte ein paar Jahre lang Freude machen. "Kein Autohersteller wird ein Design riskieren, das seine heute im Laden stehenden Autos altmodisch aussehen lässt."
So setzen die Designer im Moment eher noch auf eine Art Zukunfts-Make-up. Blau hat sich als Ökofarbe in der Autoindustrie etabliert. "Nur auf Messen gibt es ganz durchgedrehte Zukunftsvisionen", sagt der Design-Professor. "Da weiß jeder Kunde: Dieses komische Raumschiff hat heute noch nichts mit mir zu tun."