goEast-Festival: Filmkunst aus Mittel- und Osteuropa
Das Festival für den mittel- und osteuropäischen Film in Wiesbaden präsentiert ein breites Spektrum an Filmen aus Kino-Nationen, die sonst nicht im Fokus stehen. Es überzeugten vor allem Beiträge aus Polen und Russland.
Pussy Riot auf Polnisch
Ein Fanal gegen von Politik und Kirche verordnete Moral ist der polnische Film "Sirenengesang" von Agnieszka Smoczyńska. Die Regisseurin hat ein wüstes Musical-Horror-Drama um zwei singende Meerjungfrauen inszeniert. Die beiden erinnern in ihrer anarchistischen Wut an die russischen Polit-Aktivisten von Pussy Riot. "Sirenengesang" ist ein Plädoyer für gesellschaftliche Freiheit und Liberalität.
Filmnation Russland
GoEast wirft jedes Jahr einen Blick auf das Kino Mittel- und Osteuropas. Russland ist dabei nur ein Land unter vielen. Mit Alexandr Kotts "Insait" steuerte Russland 2016 einen der stärksten Beiträge im 16 Filme umfassenden Wettbewerb bei - Am Ende bekam "Insait" den Hauptpreis des Festivals: ein intensiv erzählter Film über einen jungen Mann, der erblindet und sich die Welt neu erschließen muss.
Sehnsuchtsziel Russland
Der Film "Fremde Arbeit" wurde von dem in Moskau geborenen Denis Shabaev gedreht und schildert, wie Menschen aus den ehemaligen Republiken nach Russland strömen, um dort Arbeit zu finden. "Fremde Arbeit" gewann zum Abschluss des Festival den Preis des Auswärtigen Amtes für kulturelle Vielfalt: Er setzte sich auf anspruchsvolle Art und Weise mit einer multukulturellen Gesellschaft auseinander.
Eindrücke aus Kasachstan
Auch Kasachstan gehörte einst zum Riesenreich Sowjetunion. Seit 1991 ist das Land unabhängig. Regisseurin Zhanna Issabayeva zeigt in ihrem Beitrag "Bopem", welche Schäden die jahrzehntelange Misswirtschaft in ihrer Heimat besonders an der Umwelt angerichtet hat. "Bopem" spielt am versandeten Aralsee, der durch eine riesige ökonomische und ökologische Katastrophe gezeichnet ist.
Deutsch-georgische Co-Produktionen
Gleich zwei Wettbewerbsbeiträge entstanden in Co-Produktion zwischen Georgien und Deutschland. Die Dokumentionen "Wenn die Welt leicht wird" (unser Bild) und "Im Licht des Sonnenuntergangs" zeigen Ausschnitte aus dem Alltagsleben der Menschen in Georgien: junge Skater in Tiflis, Journalisten in der georgischen Provinz. Es sind - für deutsche Zuschauer - faszinierende Bilder aus einer fremden Welt.
Baltische Filmproduktion
Die Regisseure der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, die 1991 ebenfalls ihre Unabhängigkeit wiedererlangten, haben in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Filme gedreht. In Wiesbaden stellte der estnische Regisseur Vladimir Loginov seinen Dokumentarfilm "Der Ameisenhügel" vor, der vom isolierten Leben der russischen Minderheit in der estnischen Hauptstadt Tallinn erzählt.
Morgenröte in Lettland
Von großer visueller Brillanz ist der Film "Morgenröte" der lettischen Regisseurin Laila Pakalnina. Sie zeigt, wie das Land in den 50er Jahren in den Sog der sowjetischen Politik gerät. Den Menschen werden die Prinzipien von Sozialismus und Planwirtschaft übergestülpt. Diejenigen, die nicht mitziehen, werden an den Rand gedrängt. "Morgenröte" bietet phantastische Bildtableaus in Schwarz-Weiß.
Blickpunkt Ukraine
Auf besonderes Interesse stoßen derzeit Filme aus der Ukraine. Roman Bondarchuk zeigt in "Ukrainian Sheriffs", wie zwei Polizisten in der Provinz im Süden des Landes für Ordnung sorgen. Auch das eine Dokumentation, die ganz nah an die Menschen herangeht, die von Nöten und Sorgen, aber auch von Hoffnung und Zuversicht in dem krisengeschüttelten Land erzählt.
Jüdisches Leben in der Ukraine
Die Ukrainerin Eva Neymann blickt dagegen zurück in die Geschichte ihres Landes. "Lied der Lieder" ist eine märchenhafte Erinnerung an das Leben der jüdischen Bevölkerung. In einem Schtetl (einer Siedlung) um die Jahrhundertwende wird von den Träumen und der Liebe eines jungen Mannes erzählt. "Lied der Lieder" ist ein Film über eine untergegangenen Kultur - die der osteuropäischen Juden.
Neue Filmnationen
Wie in den ehemaligen Sowjetrepubliken haben sich auch in den Staaten, die nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens entstanden, eigenständige Filmkulturen entwickelt. Aus "Bosnien & Herzegowina" kam "Der Warteraum": Regisseur Igor Drljaca wurde in Sarajevo geboren und lebt seit 1993 in Kanada. "Warteraum" schildert Episoden aus dem Leben eines erfolglosen Schauspielers im Exil.
Rückblick einer Schauspielerin
Auch in dem slowakischen Film "Eva Nová" geht es um das Leben einer Schauspielerin, die früheren, besseren Zeiten nachtrauert. Marko Skop stellt in seinem eindringlichen Frauenporträt Fragen nach den wirklich wichtigen Dingen im Leben. Hauptdarstellerin Emilia Vasaryova bekamm für ihre schauspielerische Leistung eine lobende Erwähnung der Jury zugesprochen.
Große Tradition: Filme aus der Tschechischen Republik
Filmemacher wie Miloš Forman oder Jiří Menzel erfanden in den 1960er Jahren die tschechoslowakische Nouvelle Vague, sorgten mit ihren innovativen Filmen für Aufsehen und gewannen Oscars. Petr Václavs "Wir sind nie allein" knüpft an diese Tradition an: ein Film über die tschechische Provinz wie auch über Europa, eine böse Komödie mit schwarzem Humor, aber auch ein zutiefst menschlicher Film.
Neue rumänische Welle
Eine ganz besondere Kinotradition hat sich in den vergangenen Jahren in Rumänien entwickelt. Aus dem von Wirtschaftskrisen gebeutelten Land kommen viele herausragende Filme, die weltweit auf Festivals gefeiert werden. Marian Crișan erzählt in "Orizont" - wie so viele seiner rumänischen Regiekollegen - von einem Land zwischen Aufbruch und Korruption, zwischen archaischen Strukturen und der Moderne.