Gnabry, der einzige Lichtblick der Bayern
7. Februar 2019Ein trockener Abschluss ins lange Eck, ein kurzer Moment zum Jubeln und nur wenig später ist Serge Gnabry verschwunden in einer Traube von Mitspielern. Ein Bild mit Seltenheitswert in den vergangenen Wochen: Bis auf Torhüter Sven Ulreich kommt die gesamte Bayern-Mannschaft geschlossen am Strafraumeck zusammen – und bejubelt gemeinsam Gnabrys glänzend herausgespielten Treffer zum 2:1 (49.). Es ist sein zweites Tor an diesem Abend, schon zuvor hatte Gnabry die frühe Hertha-Führung kaltschnäuzig egalisiert (7.). Es sind seine Saisontore fünf und sechs.
"Er hat das richtig, richtig gut gemacht", lobte Bayern-Trainer Niko Kovac überschwänglich nach dem Spiel. "Wir wollten Druck über außen aufbauen und seine ganze Dynamik hat uns enorm geholfen." Dass nicht Gnabrys zwei Treffer schon zum Sieg gereicht haben, lag an der anfälligen Bayern-Defensive. Ein kollektiver Blackout gleich zu Beginn (3.) und ein Patzer von Abwehrchef Mats Hummels (67.) ließen die Hertha im ausverkauften Berliner Olympiastadion vom Pokal-Wunder träumen. Doch in der Verlängerung brachte schließlich Kingsley Coman (98.) die Entscheidung zum 3:2(1:1, 2:2, 3:2) und sicherte dem Rekordmeister den mühsam erkämpften knappen Viertelfinal-Einzug.
"Es ist immer eine harte Arbeit im Pokal", sagte Niklas Süle, der erneut den Vorzug vor Jerome Boateng in der Innenverteidigung bekommen hatte. Trainer Kovac hätte sich "gewünscht, dass wir nicht 120 Minuten brauchen, aber es war eben so." Hart war es in der Tat für die Bayern, die angeknockt und verwundbar wirkten nach der 1:3-Pleite gegen Bayer Leverkusen in der Bundesliga. Die von Kovac zusammengestellte Pokal-Elf strahlte nur selten tatsächliche Dominanz aus. Eine Ansammlung von talentierten Einzelspielern, aber wenig Struktur. Joshua Kimmich auf der Außenbahn, übermotiviert. Robert Lewandowski im Sturmzentrum, abgemeldet. James Rodriguez als Spielmacher, überfordert. Viel Ballbesitz, wenig Glanz - wie schon so häufig in dieser Saison.
Die Bayern spielten sich zudem nur wenig hochkarätige Torchancen heraus, und wenn es dann doch mal gefährlich wurde, war Serge Gnabry beteiligt. Der 23-Jährige war eifrig unterwegs, ballsicher und suchte immer den Weg zum Tor. Hertha-Trainer Pal Dardai hatte schon vor dem Spiel gewarnt, der größte Unterschied zwischen seinem Team und den Bayern seien Spieler wie Gnabry. "Er kann zwei, drei Gegner ausdribbeln und den Unterschied ausmachen." Er sollte Recht behalten, der Unterschied war an diesem Abend Gnabry.
Dabei war es Gnabrys erstes Spiel von Anfang an in der Rückrunde. Vielleicht sollte Kovac diese Option häufiger wählen. Als die Bayern im September in der Bundesliga-Hinrunde gegen Hertha BSC, ebenfalls im Berliner Olympiastadion, noch verloren hatten (0:2), stand Gnabry nicht in der Startformation. Mit Gnabry in der ersten Elf haben die Bayern überhaupt erst ein Spiel in dieser Saison verloren – gegen Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund. "Er hatte etwas Trainingsrückstand, war körperlich nicht in der Verfassung, die ich von ihm erwarte. Wir haben ihn Schritt für Schritt aufgebaut, und jetzt war der perfekte Zeitpunkt", meinte Trainer Kovac.
Dass er kurz vor Ende der regulären Spielzeit ausgewechselt wurde (89.) war eher den schwindenden Kräften, als dem Einfluss aufs Spiel geschuldet. "Er kam zu mir und war platt, deshalb habe ich ihn rausgenommen," sagte Kovac. Gnabry war bis zu diesem Zeitpunkt der beste Münchner auf dem Feld, wurde zudem auch zum Spieler des Spiels gewählt. Als einer der wenigen konnte sich der Flügelflitzer für die anstehenden wichtigen Wochen empfehlen. In der Champions League wartet der FC Liverpool, ein deutlich anderes Kaliber als Hertha BSC. An einem fitten Gnabry führt kein Weg vorbei. Er dürfte in Kovacs Anfangsformation gesetzt sein.