Politik und Medien: Partner, Fremde, Feinde
27. Oktober 2020"Lügenpresse","Fake News" und "Mainstream-Medien": Seit Jahren werden Journalisten zunehmend mit solchen Worten beschimpft. Das Verhältnis zwischen Bevölkerung, Medien und Politik scheint immer angespannter - nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA. Wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten schaute das Global Media Forum der Deutschen Welle deshalb gemeinsam mit zwei prominenten Journalistinnen aus beiden Ländern auf die Rolle, die Medien heutzutage bei den Wahlen einnehmen.
Moderiert wurde die Veranstaltung von der DW-Journalistin Sarah Kelly.
Machterhalt um jeden Preis
Die US-amerikanische Journalistin und Pulitzer-Preisträgerin Anne Applebaum zeigte sich in der Veranstaltung besorgt um den Zustand der Demokratie allgemein: Auf der ganzen Welt könne man den Aufstieg politischer Parteien beobachten, die einen Machtverlust im Rahmen einer Wahl nicht mehr akzeptieren würden.
Sie sähen sich, oder präsentierten sich zumindest, als die wahren Vertreter des Volkes, im Gegensatz zum politischen Gegner, der beispielsweise nur für "die Elite" oder "die Ausländer" eintreten würde. "Eines der wichtigsten Dinge, die sie tun: Sie versuchen, die Medien zu untergraben", so die US-Journalistin, die lange Zeit für die "Washington Post" arbeitete und an zahlreichen renommierten Hochschulen - darunter Yale, Harvard und Columbia - lehrte. Man diskreditiere Medien, indem man ihre Berichte pauschal als "Fake News" bezeichne. Dadurch könnten die Medien die Politiker nicht mehr zur Rechenschaft ziehen.
All diese Taktiken hätten das gleiche Ziel: Den politischen Wettbewerb und die Debatten auszuschalten. Die sozialen Medien hätten die Lage noch verschärft, weil eine noch gezieltere Ansprache der Anhänger möglich sei, warnte Applebaum. Statt eines Slogans gebe es nun in Wahlkampagnen Hunderte - immer auf die jeweiligen Wähler-Gruppen und ihre Bedürfnisse zugeschnitten.
Facebook lässt die Stimmung hochkochen
Zudem würden die Algorithmen sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter dazu führen, dass die Nutzer sich immer emotionalere, wütendere und polarisierende Texte und Videos anschauen würden. "Algorithmen bevorzugen keine ausgewogenen Beiträge - was sich stark ausbreitet, sind die strittigen Beiträge", sagte Applebaum in der DW-Veranstaltung. Dieser Trend sei sehr schädlich für die demokratischen Debatten.
Applebaum schlägt deshalb vor, die Algorithmen zu reglementieren: "Wir brauchen Ombudsmänner für die Algorithmen. Und mehr Einblicke in ihre Funktionsweise, wenn wir unser demokratisches politisches System behalten wollen." Zudem müssten sich Social-Media-Nutzer ihrer Verantwortung stärker bewusst werden: "Jeder Twitter-Nutzer ist jetzt praktisch ein Journalist und Herausgeber." Es sei Pflicht eines jeden Bürgers zu verstehen, welche Nachrichten zu bevorzugen seien, was ernst gemeint oder was als Satire aufgefasst werden müsse.
Medien als Forum der Meinungen
Jede Demokratie brauche eine Art öffentliches Forum mit allgemein anerkannten Regeln, um Themen miteinander zu diskutieren, sagte Applebaum weiter. Dies sei schon immer Aufgabe der Medien gewesen, vor allem der öffentlich-rechtlichen. In Ländern wie den USA, wo öffentlich finanzierte Medien eine bedeutend kleinere Rolle spielen, müsse man sich dabei auf die privaten Medien verlassen. Doch die hätten sich mit dem Aufkommen der sozialen Medien und dem neuen Werbemarkt stark verändert.
Während sie früher eine möglichst große Gruppe von Menschen ansprachen, um möglichst viele Werbekunden zu erreichen, sei ihre Zielgruppe jetzt deutlich spezifischer geworden. "Und so wurden sie zur Zeitung für die Rechten, die Linken oder die Reichen", erklärte Applebaum. Die öffentliche Sphäre werde so immer weiter zersplittert. "In den USA haben wir nicht nur ein sehr polarisierendes politisches System, sondern auch polarisierende Medien." Dies könne für die Demokratie schwierig werden. Denn Demokratie sei davon abhängig, dass die politischen Kräfte auch die Sichtweise der Andersdenkenden respektierten.
Die Chefredakteurin des WDR-Fernsehens, Ellen Ehni, unterstrich die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den Erhalt einer vielfältigen Debatte. Immer wieder erreichten sie die Vorwürfe der rechtsgerichteten AfD, die Regierung lenke ihre Berichterstattung. Doch dies sei falsch. "Unabhängigkeit ist sehr wichtig für uns", so Ehni. "Wir sind für jeden da, das ist unser Job." Probleme sehe sie eher in der mangelnden Diversität der Journalisten selber. Es bestehe die Gefahr, dass sie den Kontakt zur restlichen Bevölkerung verlieren.
Dennoch, so die Fernsehjournalistin, sei das Vertrauen der Deutschen in ihre Medien noch relativ hoch. Rund zwei Drittel der Menschen hätten generell Vertrauen in die Medien, über 80 Prozent vertrauten dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dennoch sehe sie einen Trend, dass immer mehr Menschen Medien als voreingenommen wahrnehmen würden. Zudem sei es wichtig, nicht nur auf die zu hören, die "laut" sind, sondern auch auf die "leise", die gemäßigte Mehrheit der Bevölkerung.